Zeitpunkt der Berücksichtigung des Gewinns aus einem Wegzugsteuertatbestand gemäß § 6 AStG

Ein Gewinn aus dem Wegzugsteuertatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Außensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006 (BGBl I 2006, 2782) ist unmittelbar vor dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland eintritt (entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104, Tz 1). Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewinn aus einer sog. passive Entstrickung einer spanischen Immobilienkapitalgesellschaft durch Änderung des DBA aus verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Gründen berücksichtigt werden kann.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg. Ein Entstrickungsgewinn habe bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht nachträglich berücksichtigt werden dürfen. Unabhängig hiervon lägen die Voraussetzungen für die Besteuerung eines Entstrickungsgewinns gemäß § 6 AStG nicht vor.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die angegriffene Entscheidung verletzt zwar Bundesrecht, als das Finanzgericht angenommen hat, die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2013 habe bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden können. Allerdings hat die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend befunden, dass für das Streitjahr keine materielle Rechtsgrundlage bestand, einen Entstrickungsgewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.

Der BFH teilt zwar nicht die Ansicht des Finanzgerichts, die Berücksichtigung eines Entstrickungsgewinns für das Streitjahr verletze sowohl Unions- als auch Verfassungsrecht.

Allerdings wäre ein Entstrickungsgewinn gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG nicht im Streitjahr, sondern im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2012 zu erfassen gewesen.

Die Wegzugsteuer gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG tritt im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ein. Der BFH hat klargestellt, dass der Steuerzugriff letztmals an der unbeschränkten Steuerpflicht des Wegziehenden anknüpft und eben nicht als deren erster Akt nach Eintritt der beschränkten Steuerpflicht erfolgt (BFH, Beschluss vom 23.09.2008, I B 92/08, BStBl II 2009, 524, unter II.2.c).

Für den Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG, der den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands einer Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gleichstellt, gilt zur Überzeugung des Senats im Ergebnis nichts anderes.

Ein Entstrickungsgewinn ist somit in dem Zeitpunkt in Ansatz zu bringen, in dem Deutschland abkommensrechtlich letztmalig das (unbeschränkte) Besteuerungsrecht für einen Veräußerungsgewinn inne hatte (vgl. auch Kühn/Weiss, Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht 2020, 46, 49).

Die gegenteilige ‑allerdings nicht begründete‑ Ansicht der Finanzverwaltung, die insoweit den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendbarkeit des erstmals abgeschlossenen oder revidierten DBA für maßgeblich hält (BMF-Schreiben vom 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104, Tz 1), ist mit den obigen Ausführungen zum Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht in Einklang zu bringen.

Das vom Senat vertretene Verständnis wird inzwischen auch vom Gesetzgeber getragen. Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz (ATADUmsG) vom 25.06.2021 (BGBl I 2021, 2035) wurde für Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG (jetzt § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AStG) erstmals ausdrücklich ‑grundsätzlich mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2022‑ festgelegt, dass die "Veräußerung" unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt, erfolgt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG i.d.F. des ATADUmsG).

In der Gesetzesbegründung wird angeführt, dass die fingierte Veräußerung im Fall eines beispielsweise zum 01.01.01 anzuwendenden DBA mit Ablauf des 31.12.00 erfolge (BTDrucks 19/28652, S. 48). Nach Auffassung des Senats handelt es sich dabei um eine Klarstellung der schon zuvor geltenden Rechtslage.

Anhaltspunkte für eine Kehrtwende in der rechtlichen Beurteilung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Besteuerung eines Entstrickungsgewinns gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG finden sich in der Gesetzesbegründung nicht.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16. April 2024 (IX R 38/21), veröffentlicht am 16. August 2024.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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