Forderungsverzicht zwischen Gesellschaftern einer GmbH als freigebige Zuwendung
Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
Hintergrund
Der Kläger, sein Vater V und sein Bruder B haben 2006 (jeweils zu 1/3 beteiligt) die V-Verwaltungs GmbH gegründet. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass die Zuweisung und Auflösung von Kapitalrücklagen im Verhältnis ihrer Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft erfolgt. Des Weiteren wurde mit Gesellschafterbeschluss vereinbart, dass bei disquotalen Einlagen jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklagen bleibt.
Einige Zeit später in 2006 übertrug V sein Depotvermögen (treuhänderisch) auf die GmbH. Der Betrag wurde zunächst als Verbindlichkeit verbucht, bevor er im Jahr 2007 nach Gesellschafterbeschluss in die Kapitalrücklage verbucht wurde. In den folgenden Jahren zahlte V weitere Beträge in die Kapitalrücklage ein.
Im Jahr 2012 beschlossen die Gesellschafter eine Erhöhung des Stammkapitals der GmbH, die aufgrund eines Verzichts des Vaters auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung lediglich durch den Kläger und B erbracht wurden. Infolge des Verzichts verringerte sich die Beteiligungsquote des Vaters am Gesellschaftsvermögen auf weniger als 2%. Das Finanzamt sah hierbei den Wertverlust des Vaters durch den Verzicht auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung nur unzureichend ausgeglichen und erblickte darin eine gemischte Schenkung an die Söhne. Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben (siehe Blogbeitrag vom 4. Mai 2022).
Entscheidung des BFH
Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt.
Das Finanzgericht habe das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu Unrecht mit der Begründung verneint, der Verzicht des V auf einen vollen Wertausgleich für seine Kapitalzuführungen führe nicht zu einer Bereicherung seiner Mitgesellschafter, weil die Kapitalrücklage jedem der Gesellschafter in Höhe ihrer Beteiligungsquoten zugestanden habe. Es hat verkannt, dass eine von den Beteiligungsquoten abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zivilrechtlich zulässig und grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen ist.
Eine gesellschaftsrechtlich zulässige und auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennende Vereinbarung entsprechender disquotaler Rückzahlungsansprüche in Bezug auf die Kapitalrücklage kann dazu führen, dass ein späterer Verzicht auf eine derartige Forderung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslöst. Das Finanzgericht, so der BFH, ist hingegen von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Denn aus der Prämisse, die disquotale Einlage stelle Eigenkapital der Gesellschaft dar und stehe nicht den Gesellschaftern zu, hat es unzutreffend geschlussfolgert, dass die Kapitalrücklage den Gesellschaftern stets nur in Höhe ihrer Beteiligungsquoten zuzurechnen ist und der Verzicht auf disquotale Rückzahlungsansprüche, die auf einem Gesellschafterbeschluss beruhen, nicht zu einem schenkungsteuerbaren Vorgang führen kann.
Der subjektive Tatbestand einer freigebigen Zuwendung liegt im Streitfall vor. Dem V war bekannt, dass bei der Bestimmung der vom Kläger zu erbringenden Ausgleichsleistung die Kapitalrücklage der GmbH den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer quotalen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zugerechnet worden war, obwohl die Gesellschafter mit Beschluss vom 01.07.2006 bindend festgelegt hatten, dass jeder Gesellschafter Rechtsinhaber und Eigentümer seines Anteils der Kapitalrücklage bleibt, die Kapitalrücklage also nicht im Verhältnis der Beteiligungen sämtlichen Gesellschaftern zugerechnet werden sollte. Die Wertverlustberechnung, in der die Kapitalrücklage entsprechend den Beteiligungsquoten aufgeteilt wurde, wurde auch von V unterzeichnet und als Anlage zur notariellen Urkunde vom 15.11.2012 genommen. Damit war dem V im Zusammenhang mit der Durchführung der Kapitalerhöhung bewusst, dass die vom Kläger und B an ihn zu leistende Ausgleichszahlung den entstandenen Wertverlust nur teilweise ausgleichen würde. Das reicht für die Annahme des Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit aus, ohne dass es darauf ankommt, welche konkreten Motive für die Zuwendung des V im Vordergrund standen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 19. Juni 2024, II R 40/21, sowie das inhaltsgleiche Urteil II R 41/21 – beide veröffentlicht am 10. Oktober 2024.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.