Keine Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen

Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist. Ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG kann dem Grundstückserwerber nicht nach § 566 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugerechnet werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin erstand im Jahr 2013 (Streitjahr) im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens durch Zuschlagsbeschluss eines Amtsgerichts ein mit einem mehrstöckigen Bürogebäude bebautes Grundstück. Die Gebäudeflächen waren größtenteils vermietet.

Der Voreigentümer hatte unter anderem am 23.03.2007 einen Mietvertrag mit den Fachkliniken H zum Betrieb einer Tagesklinik, am 07.06.2012 einen Mietvertrag mit A zum Betrieb einer Physiotherapiepraxis sowie einen Mietvertrag mit einer Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monatlichen Nettokaltmieten, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz "+ 19 % Mehrwertsteuer" benannt. 

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 behandelte die Klägerin die Umsätze aus der Vermietung der Räume an die Fachklinik H, an A und an die Wohnungsbaugesellschaft als steuerfrei.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Klägerin die in den Mietverträgen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schulde und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend fest.

Die Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Die Klägerin ist nicht Steuerschuldnerin nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG.

Begründet § 14c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Steuerschuld des Unternehmers, der in einer Rechnung für seine Leistung einen Steuerbetrag unrichtig ausweist, muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lauten.

Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt zudem voraus, dass die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist (BFH, Urteile vom 07.04.2011 - V R 44/09, BStBl II 2011, 954, Rz 14; vom 17.08.2023 - V R 3/21, BFHE 282, 101, Rz 23).

Im Streitfall hat die Klägerin die Steuerbeträge nicht selbst ‑im eigenen Namen‑ unrichtig ausgewiesen. Denn die Mietverträge wurden vom Voreigentümer abgeschlossen, so dass dieser die Steuerbeträge unrichtig ausgewiesen hat, wobei er im eigenen Namen gehandelt hat.

Ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG kann dem Grundstückserwerber oder -ersteher nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden.

Zwar tritt nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB im Zwangsversteigerungsverfahren der Ersteher anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) dient der ‑über § 57 ZVG anwendbare und‑ in § 566 Abs. 1 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis aber dem Schutz des Mieters. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. 

Hierfür enthält § 566 Abs. 1 BGB eine Durchbrechung des schuldrechtlichen Grundsatzes, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen entstehen. Diese Vorschrift legt dem Mietverhältnis für den Fall der Veräußerung des Mietgrundstücks eine gleichsam dingliche Wirkung bei, indem sie mit dem Übergang des Eigentums am vermieteten Grundstück auf den Erwerber auch die Vermieterrechte und -pflichten auf diesen übergehen lässt.

Als Ausnahmevorschrift ist § 566 Abs. 1 BGB eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert (BGH, Urteil vom 27.10.2021 - XII ZR 84/20, BGHZ 231, 338, Rz 28).

Im Hinblick auf dieses Normverständnis kommt es nicht in Betracht, § 566 Abs. 1 BGB als Zurechnungsnorm zu verstehen, die einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis dem Grundstückserwerber oder -ersteher zurechnet.

Zum einen dient eine Steuerschuldentstehung nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuerausweis nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist.

Im Übrigen lassen sich auch aus dem offenen Ausweis der Umsatzsteuer in den Mietverträgen keine Pflichten aus dem Mietvertrag herleiten, die auf die Klägerin übergegangen sein und zu einer Zurechnung der (Teil-)Rechnungsdokumente führen könnten.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 5. Dezember 2025 (V R 16/22), veröffentlicht am 27. Februar 2025.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

 

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