Voraussetzungen für die Bildung und Feststellung eines Sonderausweises gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG
Sonstige Rücklagen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG sind alle Rücklagen, die nicht im steuerlichen Einlagekonto im Sinne von § 27 Abs. 1 KStG erfasst sind. Eine vom Sonderausweis auszunehmende "Einlage der Anteilseigner" setzt nicht voraus, dass sie im steuerlichen Einlagekonto erfasst ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Sonderausweises nach § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens, auch durch Beteiligung an anderen Unternehmen, ist.
Im Jahr 2009 leisteten die Anteilseigner eine Einlage von 10 Mio. €. Die Klägerin gab die Einlage in ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG nicht an. Das steuerliche Einlagekonto der Klägerin wurde deshalb zum 31.12.2009 ‑erklärungsgemäß‑ in Höhe von 0 € festgestellt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Ein Antrag der Klägerin auf Änderung des Feststellungsbescheids gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) wurde abgelehnt. Der dagegen erhobene Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die im Anschluss erhobene Klage. Auch ein auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützter Änderungsantrag der Klägerin führte nicht zum Erfolg.
Ein Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2011 mit dem Antrag, das steuerliche Einlagekonto in Höhe von 10 Mio. € festzustellen, wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Im Bescheid zum 31.12.2016 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vom 13.04.2018 stellte das Finanzamt das steuerliche Einlagekonto und das durch Umwandlung von Rücklagen entstandene Nennkapital auf jeweils 0 € fest. In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2016 sind ein gezeichnetes Kapital in Höhe von 25.000 € und eine Kapitalrücklage in Höhe von 10 Mio. € ausgewiesen.
Am 17.07.2017 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Das Stammkapital erhöhte sich durch Umwandlung der Kapitalrücklage von 25.000 € auf 10.025.000 €.
In ihrer Erklärung zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2017 nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vom 14.09.2018 erklärte die Klägerin den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 10 Mio. €.
Das Finanzamt wich, nach vorheriger Ankündigung, von den erklärten Angaben ab und stellte das steuerliche Einlagekonto im Bescheid zum 31.12.2017 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG in Höhe von 0 € fest. Das Finanzamt stellte außerdem einen Sonderausweis in Höhe von 10 Mio. € aufgrund einer Kapitalerhöhung aus sonstigen Rücklagen fest. Der Feststellungsbescheid erging am 04.12.2018. Das Finanzamt wies den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid als unbegründet zurück.
Die Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.
Sonstige Rücklagen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG sind alle Rücklagen, die nicht im steuerlichen Einlagekonto im Sinne von § 27 Abs. 1 KStG erfasst sind.
Darunter fallen nicht nur Gewinn-, sondern auch Kapitalrücklagen (vgl. Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 28 Rz 32). § 28 Abs. 1 Satz 1 und 3 KStG knüpft nicht an die handelsbilanzielle Unterscheidung zwischen Kapital- und Gewinnrücklagen an, sondern definiert den Begriff der "sonstigen Rücklagen" in Abgrenzung zum steuerlichen Einlagekonto im Sinne von § 27 Abs. 1 KStG. Der Begriff der sonstigen Rücklagen bildet mithin die Summe aller Rücklagen, die nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst sind (Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 28 Rz 33; Bauschatz in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 28 Rz 32).
Dies zugrunde gelegt, ist das Nennkapital der Klägerin im Streitjahr um 10 Mio. € durch die Umwandlung von sonstigen Rücklagen erhöht worden. Das steuerliche Einlagekonto wurde nicht verwendet. Sein festgestellter Bestand zum 31.12.2016 betrug 0 €; eine unterjährige Erhöhung durch Einlagen hat im Streitjahr unstreitig nicht stattgefunden.
Eine nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vom Sonderausweis auszunehmende "Einlage der Anteilseigner" setzt nicht voraus, dass sie im steuerlichen Einlagekonto erfasst ist.
Es ist umstritten, ob das Tatbestandsmerkmal "aus Einlagen der Anteilseigner" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG materiell-rechtlich verstanden werden kann. Nach wohl überwiegender Auffassung im Schrifttum ist der Ausdruck im Kontext so zu verstehen, dass er ‑‑trotz abweichender Formulierung‑‑ abschließend auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos verweist. Dies schließt die Berücksichtigung "vergessener" Einlagen aus (Brandis/Heuermann/Oellerich, § 28 KStG Rz 15; Dötsch/Werner in Dötsch/Pung/Möhlenbrock ‑‑D/P/M‑‑, Die Körperschaftsteuer, § 28 KStG Rz 41; Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 28 Rz 37a; HHR/Berninghaus, § 28 KStG Rz 20; Endert in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 28 KStG Rz 21; Kümpel in Bott/Walter, KStG, § 28 Rz 44).
Nach der Gegenansicht muss der Wortlaut der Vorschrift ernstgenommen werden mit der Folge, dass "vergessene" Einlagen vom Sonderausweis ausgenommen sind (Streck/Binnewies, KStG, 10. Aufl., § 28 Rz 23; Binnewies, GmbH-Rundschau 2015, 1065, 1069; Ott, Deutsche Steuer-Zeitung 2016, 227, 232; derselbe, Deutsches Steuerrecht 2014, 673, 675).
Der BFH schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Für diese Auffassung streitet der klare Wortlaut der Norm. Weder die Gesetzgebungsgeschichte noch der Sinn und Zweck des § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG oder binnensystematische Erwägungen gebieten es, das steuerliche Einlagekonto bei der Nennkapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ausnahmslos zugrunde zu legen.
Seinem Wortlaut nach stellt § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG allgemein auf "Einlagen" der Anteilseigner und nicht auf das "Einlagekonto" oder auf die "festgestellten Einlagen" ab und nimmt auch keine Eingrenzung nach dem Zeitpunkt der Einlageleistung vor. Der Wortlaut der Regelung legt damit ein Verständnis nahe, wonach es auf die Erfassung dieser Einlagen im steuerlichen Einlagekonto nicht ankommt.
Auch der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung schlägt nach Auffassung des BFH nicht durch. Zwar kann sich die Berücksichtigung "vergessener" Einlagen für die Gesellschaft als schwierig darstellen. Diese Schwierigkeiten würden vermieden, wenn lediglich auf das steuerliche Einlagekonto abgestellt würde. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verfügt allerdings die Körperschaft regelmäßig über die für einen Einlagenachweis erforderlichen Unterlagen. Zudem liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine Einlageleistung bei der Körperschaft. Etwaige praktische Schwierigkeiten sprechen deshalb nicht dagegen, aus (nicht im steuerlichen Einlagekonto erfassten) Einlagen stammende Kapitalrücklagen vom Sonderausweis auszunehmen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25. Februar 2025 (VIII R 41/23), veröffentlicht am 22. Mai 2025.