Zur gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung der Gewinnanteile eines in den USA ansässigen stillen Gesellschafters
Die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes 2000 fällt unter die auch für Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 des Vertrags zur Gründung EGV (heute Art. 63 AEUV). Die Anwendbarkeit der Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV (heute Art. 64 Abs. 1 AEUV) wird grundsätzlich nicht durch Ausführungen eines Schreibens einer Oberfinanzdirektion über eine zugunsten von Steuerpflichtigen nur eingeschränkte Anwendung einer Norm beeinflusst. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die in den USA ansässige A war sowohl Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin, einer inländischen Kapitalgesellschaft, als auch deren stille Gesellschafterin. Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags der Klägerin für das Jahr 2000 wurde der an die A als stille Gesellschafterin gezahlte Gewinnanteil erklärungsgemäß hinzugerechnet.
Während einer anschließenden Außenprüfung beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster vom 11.02.2008, den Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung auszunehmen. Die Prüfer vertraten die Ansicht, dass für DBA-Staaten bei außerhalb der EU/EWG-Gebiete ansässigen stillen Gesellschaftern die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 3 Gewerbesteuergesetz 2000 (GewStG a.F.) weiterhin zu erfolgen habe. Nach erneuter Abstimmung auf Bundesebene sei die bisherige Verwaltungsanweisung durch einen Erlass vom 30.04.2009 geändert worden.
In dem nach Abschluss der Außenprüfung erlassenen geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid hielt das Finanzamt an der Hinzurechnung des Gewinnanteils der stillen Gesellschafterin fest. Die Klägerin wandte dagegen ein, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sowie gegen den Freundschaftsvertrag Deutschland/USA, das WTO-Übereinkommen/GATS und das DBA USA 1989 verstoße.
Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn ein Beteiligter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis von dem Inhalt eines gerichtlichen Aufklärungsschreibens erlangt, das zu einer Frage ergangen ist, auf die das Gericht im Urteil entscheidungserheblich abstellt. Dies gilt auch dann, wenn die Äußerungen eines anderen Beteiligten Anlass gegeben hätten, zu dem betreffenden Thema vorzutragen.
Das Finanzgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Indem die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Kenntnis von dem Aufklärungsschreiben des Finanzgerichts vom 11.09.2020 erhalten hat, ist diese Informationspflicht und damit auch der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 hat das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 sieht vor, dass ‑‑sofern nicht Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 4 oder Art. 12 Abs. 4 DBA-USA 1989 anzuwenden sind‑‑ Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen sind.
Der Gewinnanteil der stillen Gesellschafterin Y-Corp. stellt bereits keine "Zinsen, Lizenzgebühren oder andere Entgelte" im Sinne des Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 dar. Auf die aus Sicht des Finanzgerichts entscheidungserhebliche Feststellung einer Diskriminierung kommt es somit nicht an.
Der Begriff "andere Entgelte" ist im DBA-USA 1989 nicht definiert und daher auszulegen. Hierfür ist nicht ein etwaiges nationales Begriffsverständnis maßgebend, sondern eine abkommensautonome Auslegung. Der Begriff "andere Entgelte" in Art. 24 Abs. 3 DBA-USA 1989 umfasst nicht die Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters.
Die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes 2000 fällt unter die auch für Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ‑‑EGV‑‑ (heute Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ‑‑AEUV‑‑). Die Anwendbarkeit der Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EGV (heute Art. 64 Abs. 1 AEUV) wird grundsätzlich nicht durch Ausführungen eines Schreibens einer Oberfinanzdirektion über eine zugunsten von Steuerpflichtigen nur eingeschränkte Anwendung einer Norm beeinflusst.
Aufgrund des Verfahrensmangels war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Das Finanzgericht wird im zweiten Rechtsgang der Klägerin Gelegenheit geben, zum Schreiben vom 11.09.2020 Stellung zu nehmen, und diesen Vortrag sowie etwaige Ergebnisse einer weiteren Sachaufklärung im Hinblick auf die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nr. 1 bis 3 KStG würdigen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 26. Februar 2025 (I R 33/21), veröffentlicht am 3. Juli 2025.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.