Grunderwerbsteuerbefreiung bei fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs
In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Steuerfestsetzung für eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbare Anteilsvereinigung (hier: Rückerwerb) auch dann nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG aufgehoben werden bzw. unterbleiben kann (sog. Rückübertragung), wenn der vorausgegangene Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft (Ersterwerb) nicht steuerbar war.
Hintergrund:
Im Streitfall hatte der Kläger in 2016 von seiner 100%-Beteiligung an einer grundbesitzenden GmbH Anteile i.H.v. 49% an seinen Sohn unter Vorbehalt von Widerrufsrechten geschenkt (Ersterwerb). Der Vorgang war unbestritten nicht steuerbar. In 2018 verstarb der Sohn, er hinterließ keine leiblichen Abkömmlinge. Die Anteile fielen somit im Wege der gesetzlichen Erbfolge an den Kläger und dessen Ehefrau zurück. Mit einem an seine Ehefrau gerichteten Schreiben widerrief der Kläger sodann die Schenkung. Nach Auffassung des Finanzamts führte der Widerruf der Schenkung zu einer im Jahr 2018 verwirklichten steuerpflichtigen Anteilsvereinigung.
Die Klage hatte Erfolg. (siehe Blogbeitrag vom 15. August 2023).
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Das Finanzgericht habe zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer für die Anteilsvereinigung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen.
Der Widerruf der Schenkung führt zu einer (Wieder-)Vereinigung aller Anteile an der GmbH in der Hand des Klägers. Diese Anteilsvereinigung unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Zutreffend ist das Finanzgericht weiter davon ausgegangen, dass für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. Die Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG.
Im vorliegenden Fall könne es dahinstehen, so der BFH, ob die Ausübung des Widerrufs durch den Kläger zu einem Rückübertragungsanspruch geführt hat oder der Widerruf rechtlich als auflösende Bedingung einzuordnen ist. Auch im letzteren Fall findet § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG über seinen Wortlaut hinaus Anwendung.
Die (erneute) Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG setzt die Steuerbarkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung nicht voraus. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sieht nach seinem Wortlaut zwar vor, dass sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfasst jedoch nach seinem Regelungsgehalt in erster Linie den Erst- und Rückerwerb des Eigentums an einem Grundstück, also Erwerbsvorgänge, die jeweils für sich betrachtet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen.
Schließlich steht auch § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer nur dann aus, wenn der Ersterwerb nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG trotz Anzeigepflicht nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war, nicht aber dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Anzeige der schenkweisen Übertragung der Anteile beim Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht erforderlich ist.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 07. Mai 2025 (II R 16/23) – veröffentlicht am 25. September 2025.