CO₂ neu denken – Eckpunkte für eine Carbon Management Strategie
Carbon Capture, Utilisation and Storage (CCUS) ist mehr als nur Zukunftsmusik.
Für die Klimaneutralität in Deutschland ist CCUS eine relevante und notwendige Innovation. Neben dem Klimaschutz können Unternehmen durch die entsprechenden Technologien auch neue Geschäftsfelder erschließen. Im Rahmen einer Carbon-Management-Strategie hat die Bundesregierung am 26.02.2024 die Eckpunkte für die Nutzung und Speicherung in Deutschland beschlossen.
Deutschland hat ehrgeizige Ziele im Kampf gegen den Klimawandel festgelegt: Bis 2045 soll die Klimaneutralität erreicht sein. Ein zentraler Schwerpunkt liegt auf der Vermeidung von Emissionen, was die Dekarbonisierung - also den Ausstieg aus fossilen Energien - einschließt. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, wird es aber entscheidend sein, nicht nur die Vermeidung von Emissionen zu betrachten: als weitere Bausteine müssen auch Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um CO₂ bereits bei der Emittierung einzufangen - und bereits emittiertes CO₂ wieder aus der Atmosphäre zu entfernen.
Aus heutiger Sicht ist klar, dass auch das Abscheiden, Nutzen und Speichern von CO₂, kurz CCUS, also Carbon Capture, Utilisation and Storage, einen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten muss. Denn trotz aller Anstrengungen wird es selbst nach 2045 noch Emissionen geben, die nicht durch die bislang verfügbaren oder sich in Entwicklung befindlichen Technologien vermieden werden können.
Laut einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien, die im Rahmen des Evaluierungsberichts zum Kohlendioxid-Speichergesetz (KSpG) der Bundesregierung analysiert wurden, ist es sogar erforderlich, bereits ab 2030 CO₂ in relevanten Mengen abzuscheiden, zu speichern oder weiterzuverwenden, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Insbesondere Industrien mit schwer vermeidbaren Emissionen, wie die Zement- und Kalkindustrie sowie Bereiche der Grundstoffchemie und Abfallverbrennung, stehen unter Druck, innovative Lösungen zu implementieren.
Vor allem im europäischen Kontext hinkt die deutsche CCUS-Entwicklung bisher noch hinterher: die Europäische Kommission treibt die europaweite Anwendung der Technologie durch eine Reihe von Instrumenten voran – u.a. über den Net Zero Industry Act und die Industrial Carbon Management Strategy. Während Länder wie Norwegen, Dänemark und die Niederlande schon mit konkreten Projekten der CO₂-Abscheidung vorangehen, läuft Deutschland dieser wichtigen technologischen Entwicklung noch hinterher. Die Bundesregierung hat daher am 26. Februar 2024 Eckpunkte einer Carbon-Management-Strategie (CMS) vorgelegt, um auch in unserem Land eine Perspektive für den Umgang mit CO₂ (v.a. hinsichtlich des Transports und der Speicherung) zu ermöglichen. Im Folgenden eine zusammengefasste Übersicht der publizierten Eckpunkte:
- Dekarbonisierung von Wirtschaftssektoren: Das Carbon Management betont die Wichtigkeit für die Dekarbonisierung von Industrie und Abfallwirtschaft. Insbesondere Prozesse wie die Kalk- und Zementproduktion sowie thermische Abfallbehandlung, bei denen prozessbedingte CO₂-Emissionen unvermeidbar sind, wären betroffen. Ohne CCUS kann eine CO₂-Neutralität dieser Sektoren trotz Kreislaufwirtschaft und Recycling nicht erreicht werden. Die Vorgaben der Bundesregierung erlauben keine Anwendung von CCS/CCU für Kohleverstromungsanlagen, jedoch wird eine Nutzung für gasbasierte Kraftwerke und Biomasse ermöglicht. Weiterhin wird ein technologieneutraler Kapazitätsmechanismus entwickelt
- CCUS Technologie als strategischer Fokus: Ziel der CMS ist es, den Ausbau von CCUS im Rahmen einer langfristigen Nachhaltigkeits-Strategie zu befähigen. Sofern dabei die Risiken, Nutzungskonflikte und die Emissionsminderungsziele berücksichtigt werden, kann sie als wesentliches Instrument zur Reduktion von CO₂ beitragen. Außerdem sollen Rechtssicherheit für die betreffenden Unternehmen gewährleistet und momentan bestehende Hürden für die Anwendung in Deutschland beseitigt werden. Der Schwerpunkt von CCUS als sichere Technologie bezieht sich darauf, dass das abgeschiedene Kohlendioxid in verschiedenen Industriebereichen verwendet werden kann, wie z.B. in der Produktion von Treibstoffen, Chemikalien oder Baumaterialien. Weiterhin soll aufgrund der erheblichen Speicherkapazitäten die Offshore-Speicherung von CO₂ weiter erforscht und ermöglicht werden (ausgenommen Schutzgebiete). Bei lnteresse der Länder soll ebenfalls eine Opt-ln-Konstruktion für Onshore-Speicher erarbeitet werden können. Die Betreibung der CO₂-Pipelines soll privatwirtschaftlich erfolgen, ein entsprechender Rechtsrahmen wird geschaffen.
- Innovation und Förderung: Die Bundesregierung setzt auf verstärkte Investitionen in Forschung und Innovation und einen wirtschaftlichen Anreiz aus dem EU Emissionshandel (EU ETS), um neue Technologien und Lösungen für das Carbon Management zu entwickeln. Dies umfasst sowohl technologische Innovationen als auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Marktmechanismen. Die staatliche Förderung soll im Wesentlichen durch ein Fördermodul CCS/CCU in der Förderrichtlinie Bundesforderung lndustrie und Klimaschutz (RFL BIK) und Klimaschutzverträge erfolgen und auf die Anwendung bei nicht oder nur schwer vermeidbaren Emissionen begrenzt sein. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dies insbesondere für die Kalk- und Zementproduktion und die Abfallverbrennung relevant wird. Die genaue Ausgestaltung der Förderung soll auf Grundlage dieser Eckpunkte erarbeitet werden. Subventionen konzentrieren sich dabei auf die bereits oben genannten Industriebereiche, für Emissionen aus der Kohleverstromung wird der Zugang zu CO₂-Pipelines und eine Förderung ausgeschlossen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Erreichen der Klimaneutralität ohne den Einsatz von Instrumenten und Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ unumgänglich ist. Die erste Leitlinie der Carbon Management Strategie ist also eine wichtige Grundlage für die wettbewerbsfähige Transformation der deutschen Industrie hin zur Klimaneutralität und verspricht Unternehmen in Deutschland die notwendige Planungssicherheit bei der Anwendung von CCUS. Die Eckpunkte werden in den nächsten Monaten nun auch rechtlich überführt – deutsche Unternehmen müssen bzw. können sich in dieser Zeit daher bereits verstärkt mit CCUS beschäftigen und u.a. neue Geschäftsmodelle entwickeln, Projektmöglichkeiten bewerten oder Skalierungsstrategien festlegen.
Mehr zu den aktuellen Entwicklungen und Handlungsempfehlungen von CCUS für Unternehmen haben wir auch im aktuell veröffentlichten Whitepaper “CCUS unlocked?” im Rahmen des PwC Energiewende-Trackers analysiert. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Website bzw. über die direkte Downloadfunktion des Whitepapers.
Ansprechpartner:
Erik Schlahn
Kontakt
Peter Mussaeus
Partner, Leiter Energierecht
Düsseldorf