Aktueller Referentenentwurf Novelle AVBFernwärmeV

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat einen Referentenentwurf zur Novellierung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in die Verbändeanhörung gereicht.

Die Verbände haben nunmehr bis zum 20. August 2024 die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Der neue Entwurf geht an vielen Stellen über den Entwurf vom Sommer 2022 hinaus. Preisobergrenzen oder Entflechtungsvorschriften sind den Wärmeversorgern aber erspart geblieben.

Anwendungsbereich und Informationspflichten

Ausdrücklicher Anwendungsbereich der Verordnung ist der Anschluss an und die Versorgung über Fernwärmenetze. Entsprechende Anwendung findet die Verordnung für Gebäudenetze und die gewerbliche Wärmelieferung aus Contractinganlagen, d.h. Wärmeerzeugungsanlagen, die nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehen. Letztere sowie Kleinstnetze unter 100 Hausanschlüssen oder mit einer Leistung von nicht mehr als zwei Megawatt pro Meter sind jedoch von einigen Regelungen ausgenommen. So zum Beispiel von den neuen umfassenden Veröffentlichungs- und Informationspflichten bezüglich Preisen, Preisbestandteilen, Quellen zu verwendeten Indizes, Beschaffungsstruktur, durchschnittlichen jährliche Abnahmepreisen anhand von Beispielen analog zur Transparenzplattform, Netzverlusten, Energieeffizienzmaßnahmen, Anteil der Wärmegewinnungstechnologien und eingesetzter Brennstoffe, jährlicher Treibhausgasbilanz nach Carnot-Methode sowie Beispielen und Berechnungstool zur Preisänderungsklausel. Hintergrund dieser Transparenzpflichten dürfte zum einen der Verbraucherschutz, zum anderen aber auch die Verpflichtung von Unternehmenskunden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Corporate-Sustainability-Richtlinie (CSRD) sein.

Vermarktung grüner Fernwärme

Diese und andere Nachhaltigkeitsanforderungen – insbesondere jene der Immobilienbranche - dürften auch hinter der den neuen Vorgaben zur Vermarktung von bilanziell dekarbonisierten Wärmeprodukten stehen. Diese nun ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit dürfte jedoch bereits nach der aktuellen Rechtslage möglich sein. Demgegenüber schränkt der Entwurf diese Möglichkeit eher ein, indem er den Nachweis der Herkunft der Wärmeprodukte durch Herkunftsnachweise nach der Gas-Wärme-Herkunftsnachweisregister-Verordnung (GWKHV) vorschreibt. Diese sieht Herkunftsnachweise nur innerhalb eines Wärmenetzes und nicht wärmenetzübergreifend vor. Überdies darf eine Verschlechterung des Anteils an erneuerbarer Energie und unvermeidbarer Abwärme nicht ohne Zustimmung der übrigen Wärmekunden erfolgen – auch, wenn eine Beschaffenheit der Wärme gar nicht vertraglich vereinbart war.

In der Praxis dürfte sich die Ausgestaltung solcher Wärmeprodukte anspruchsvoll gestalten, da für alle Produktgruppen gleichzeitig die Preisfindungsmechanismen in einem angemessenen Verhältnis zum bilanziell verkauften Anteil an Energieträgern und eingesetzter Wärmetechnologie stehen müssen. Mit anderen Worten: Es sollte nicht zu einer Subventionierung oder Benachteiligung der einen Produktgruppe durch die andere Produktgruppe erfolgen. Somit könnte eine nicht unwesentliche Änderung der Absatzmenge in einer der Produktgruppen die Überarbeitung der kompletten Preisgestaltung für alle Produktgruppen erforderlich machen.

Überarbeitetes Leistungsanpassungsrecht

Ebenfalls überarbeitet wurde das kundenseitige Recht zur Leistungsanpassung. Demnach ist eine Leistungsanpassung nur noch in zwei Fällen zulässig. Die erst Möglichkeit besteht, wenn ein Wärmenetz nicht den Anforderungen der §§ 29 bis 32 des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) bzw. der damit umgesetzten Vorgabe des Artikels 26 der Energieeffizienzrichtlinie (RL 2023/1791/EU) entspricht, d.h. z.B. nicht seiner grundsätzlichen Pflicht von mindestens 30 Prozent Anteils erneuerbarer Energie oder unvermeidbarer Abwärme in der Wärmeerzeugung bis 2030 bzw. 80 Prozent bis 2040 nachkommt. Zudem muss der Wärmekunde nachweisen, dass er seinen Wärmebedarf teilweise durch eine andere Wärmeversorgung deckt, um dadurch die 65-Prozent-Erneuerbare-Energie-Vorgabe aus § 71 Abs. 1 Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu erfüllen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, durch Effizienzmaßnahmen den Endenergiebedarf des Gebäudes zu senken. Im ersten Fall besteht sogar die Möglichkeit einer Sonderkündigung, wenn der Kunde seine Wärmeversorgung entsprechend vollständig umstellt. Bei einer Leistungsanpassung ab fünf Prozent müsste gemäß der Regelung des Entwurfs auch der Grundpreis angepasst werden. Bei Wärmenetzen mit einer Leistung von weniger als 20 Megawatt besteht zudem für den Wärmeversorger innerhalb der Erst-Vertragslaufzeit die Möglichkeit bei der Anpassung des Grundpreises die dadurch verursachten Kosten sowie noch nicht abgeschriebene Vermögenswerte zu berücksichtigen. Eine Rückerstattung für Baukostenzuschüsse und Haushaltsanschlusskosten ist ebenfalls ausgeschlossen. Auf Contractingverhältnisse sowie Gebäude- und Kleinstnetze findet nur das Leistungsanpassungsrecht aufgrund von Effizienzmaßnahmen Anwendung, bei diesen Kunden entfallen dadurch zukünftig die Anpassungsmöglichkeiten durch den Einsatz erneuerbarer Energien.

Einseitige Anpassung der Versorgungsbedingungen nicht mehr möglich?

Eine weitere, vergleichsweise unauffällige Änderung dürfte weitreichende Folgen mit sich ziehen: Aus § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV wurde bisher ein einseitiges Anpassungsrecht für die Versorgungsbedingungen abgeleitet. Diese Auslegung dürfte mit der Entwurfsfassung zumindest erheblich erschwert sein, da der Charakter der Norm nun eindeutig in die Richtung einer reinen Formvorschrift zeigt und auch in der Verordnungsbegründung mit keinem Wort der Wille einer Schaffung eines Anpassungsrechts angesprochen wird. Der Wortlaut lässt eher vermuten, dass ein vertragliches Anpassungsrecht vorhanden sein muss. Wie genau ein solches Recht künftig auszugestalten wäre, ohne gleichzeitig gegen die AVBFernwärmeV zu verstoßen, stellt eine Herausforderung dar.

Neue Anforderungen an und Möglichkeiten für Preisänderungsklauseln

Die Regulierung von Preisänderungsklauseln wurden demgegenüber ausdifferenziert. Der Grundsatz der angemessenen Berücksichtigung der Kosten- und Marktelemente bleibt erhalten. Die Verwendung von Indizes im Kostenelement erfordert nach dem Entwurf jedoch eine Abbildung des eingesetzten Energieträgers und der jeweiligen Beschaffungsstruktur mit angemessener Genauigkeit. Auch wenn sich dies nicht erheblich von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheidet, dürfte dies die erneute Überprüfung vieler Klauseln erforderlich machen. Fraglich dürfte beispielsweise sein, mit welchen Indizes die Wärmegewinnung aus thermischer Abfallbehandlung (Müllverbrennung) oder Geothermie im Sinne der Verordnung mit angemessener Genauigkeit abgebildet werden kann. Zudem dürfen Kosten für Treibhausgasemissionen nur noch weitergegeben werden, soweit diese nicht in den verwandten Indizes (z.B. Gaspreisindizes) abgebildet sind. Hinsichtlich des Marktelements wird angenommen, dass dieses in der Regel durch Bezugnahme auf den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Wärmepreisindex angemessen berücksichtigt ist. Entsprechend der jüngsten Rechtsprechung sollen die Indizes durch eindeutige Verweise auf deren Quellen ausgewiesen werden. 

Daneben soll es ermöglicht werden, einer Preisänderungsklausel anstelle von Indizes die Entwicklung der tatsächlichen Kosten zugrunde zu legen. Voraussetzung ist dabei, dass die Kosten bei wirtschaftlicher Betriebsführung nicht hätten vermieden werden können und dass die tatsächlichen Verhältnisse der Kostenentwicklung verständlich dargestellt werden. Obwohl bereits ein Muster für eine solche Klausel in der Anlage zum Entwurf enthalten ist, dürften sich bei der konkreten Ausgestaltung noch einige Fragen stellen. Fraglich ist auch, ob die Darstellung der Kostenentwicklung eine vollständige Offenlegung der Kostenstruktur bedeutet.

Ein neu eingefügter § 24a AVBFernwärmeV soll unterdessen – abermals in Anlehnung an höchstrichterliche Rechtsprechung – ermöglichen, eine Preisänderungsklausel bei einem Energieträger- oder Beschaffungsstrukturwechsel anzupassen. Dieses Recht dürfte aber nicht so weit gehen, dass das Äquivalenzinteresse der Vertragspartner gestört wird. Das würde bedeuten, dass zwar beispielsweise unpassend gewordene Indizes ausgetauscht werden dürfen, nicht aber, dass Neuinvestitionen ohne einvernehmliche Vertragsanpassung eingepreist werden dürfen. Vielmehr scheint das ursprüngliche Preisniveau als Ausgangspunkt beizubehalten zu sein. In der Praxis dürfte dies bedeuten, dass weiterhin eine Änderungskündigung erforderlich würde, wenn die Kosten für größere Investitionen an die Kunden weitergereicht werden sollen. Diese Lösung ist angesichts zumeist langlaufender Verträge im Hinblick auf die anstehende Dekarbonisierung vieler Wärmenetze nicht befriedigend.

10 Jahre Vertragslaufzeit nur noch eingeschränkt möglich

Die bisher mögliche Vertragslaufzeit von bis zu 10 Jahren soll nur für neu hergestellte Hausanschlüsse oder bei wesentlicher Erhöhung der vereinbarten Wärmeleistung insbesondere aufgrund investiver Maßnahmen möglich bleiben. Damit schiede diese Regelung nach bisherigem Entwurfsstand für Contractingverhältnisse ohne Hausanschluss trotz erheblicher Investitionserfordernisse auch in solchen Fällen aus. Eine Laufzeit von höchstens 5 Jahren bliebe nach dem Entwurf aber möglich. Die stillschweigende Verlängerung des Vertrags von bis zu 5 Jahren soll nur demgegenüber nur noch gegenüber gewerblichen Kunden möglich bleiben. Bei Verbrauchern erfolgt eine Beschränkung auf zwei Jahre mit Ankündigungspflicht ein Jahr im Voraus.

Abrechnungs- und messtechnische Vorgaben aus FFVAV; Anschlusssperren

Weiterhin wurden Regelungen aus der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsverordnung (FFVAV) in leichter Abwandlung in die AVBFernwärmeV sowie Regelungen zur Anschlusssperrung in Anlehnung an die Strom- und Gas-Grundversorgungsverordnungen (Strom-/GasGVV) übernommen. Letztere dienen insbesondere dem Verbraucherschutz und gleichen diesen für die Wärmeversorgung nunmehr an.

Übergangsvorschriften und Ausnahmen vom Anwendungsbereich

Die Verordnung soll auch für Versorgungsverträge gelten, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen wurden. Insbesondere die oben genannten Veröffentlichungs- und Informationspflichten bzw. die neuen Vorgaben bezüglich der Preisänderungsklauseln müssen für solche Bestandsverträge dann jedoch erst ein Jahr bzw. 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung erfüllt werden. Die Regelungen zur Vertragslaufzeit sollen, mit Ausnahme der Regelung zur stillschweigenden Vertragsverlängerung für Verbraucher, erst auf Verträge Anwendung finden, die ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen werden.

Keine Anwendung soll die Verordnung, wie gehabt, auf Industrieunternehmen finden, für welche nun eine Legaldefinition enthalten ist. Abweichungsmöglichkeiten von der Verordnung bestehen weiterhin durch Individualvereinbarung bzw. soweit ein Vertrag unter den Bedingungen der AVBFernwärmeV angeboten wurde und der Kunde ausdrücklich mit den Abweichungen einverstanden ist. Gegenüber Verbrauchern gilt dies jedoch mit der Einschränkung, dass die Abweichung nicht zum Nachteil des Kunden gereichen darf. Dies wird in der Praxis viele schwierige Abwägungsfälle hervorrufen, bspw. ob eine längere Erstlaufzeit durch einen Preisnachlass ausgeglichen werden kann oder dies als Benachteiligung zu werten ist. Von einigen Vorschriften, z.B. bezüglich der Messung oder Abrechnung darf nicht abgewichen werden.

Fazit

Sollte die Verordnung so, wie sie im Entwurf angelegt ist, in Kraft treten, ergeben sich neben einer Reihe ungeklärter Fragen insbesondere ein erheblicher Aufwand in der Überprüfung der Preissetzungsmechanismen sowie der Erfüllung von Informationspflichten. Auf der anderen Seite werden viele dieser Informationen insbesondere im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung benötigt und sind Voraussetzung dessen, dass Fernwärme für Großabnehmer attraktiv bleibt. Obwohl die Novelle an den meisten Stellen den Wärmekunden entgegenkommt, werden auch an einigen Stellen Erfordernisse der Wärmeversorger, insbesondere hinsichtlich Investitionsrisiken berücksichtigt.

Gerne sind wir Ihnen dabei behilflich, die Auswirkungen der Novelle auf Ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und Sie auf die Neuerungen vorzubereiten! Weitere Informationen und Ansprechpartner:innen finden Sie hier.

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Björn Jacob

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