Konzessionen (Teil 19): Oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu Konzessionsverfahren – Präklusion, Preisgünstigkeit und mehr

In diesem Blogbeitrag stellen wir Ihnen drei aktuelle Urteile vor, die sich mit den Besonderheiten bei Wasserkonzessionsverfahren, der Zulässigkeit des Kriteriums "Höhe der Netzentgelte" und der Transparenz und Akteneinsicht bei Konzessionsvergaben befassen.

Konzessionsvergaben für Strom-, Gas- und Wassernetze sind ein wichtiges Thema für Kommunen und Versorgungsunternehmen, die sich um die Wegenutzungsrechte für diese Netze bewerben oder diese vergeben. In diesem Blogbeitrag stellen wir Ihnen drei aktuelle Urteile vor, die sich mit den Besonderheiten bei Wasserkonzessionsverfahren, der Zulässigkeit des Kriteriums "Höhe der Netzentgelte" und der Transparenz und Akteneinsicht bei Konzessionsvergaben befassen.

OLG Celle entscheidet über Wasserkonzessionsvergabe: Wann sind Rügen präkludiert und wie plausibel müssen Zusagen sein?

Das OLG Celle hat in einem Urteil vom 27.  August 2024 (Az. 13 U 5/23 (Kart)) die Vergabe einer Wasserkonzession untersagt, weil die Stadt als marktbeherrschende Anbieterin der Wegenutzungsrechte das Diskriminierungsverbot des § 19 Abs.  2 Nr. 1 GWB verletzt habe.  Die unterlegene Bewerberin, die Klägerin, hatte zahlreiche Rechtsfehler in dem Vergabeverfahren gerügt, die das Gericht im Wesentlichen bestätigt hat.

Das OLG Celle hat zunächst klargestellt, dass die Grundsätze, die der BGH für die Vergabe von Strom - und Gasnetzkonzessionen entwickelt hat, auch für den Bereich der Wasserversorgungsnetze gelten und schließt sich damit u.a. der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an (Urteil vom 13. Juni 2018 – VI-2 U 7/16 (Kart)). Danach seien gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB die Gemeinden als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Wasserversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb mit einem transparenten Verfahren auszuwählen. Dies gelte unabhängig davon, ob eine EU-Binnenmarktrelevanz vorliege, da das Diskriminierungsverbot bereits aus dem deutschen Wettbewerbsrecht resultiere.

Anders als bei Strom und Gas gälten keine gesetzlichen Präklusionsvorschriften für den unterlegenen Bewerber, der Rechtsverletzungen in dem Vergabeverfahren gerichtlich geltend machen kann. Die in den Wettbewerbsunterlagen vorgegebenen Rügefristen seien unwirksam, weil sie die Rechtsschutzgarantie des Art.  19 Abs. 4 GG unangemessen einschränkten. Insofern entspreche die Rechtslage für Wasserkonzessionen der für Strom- und Gaskonzessionen vor Einführung von § 47 EnWG. Allerdings könne es im Einzelfall treuwidrig sein, wenn ein Bieter die ausdrücklich eingeräumte Rügemöglichkeit in Bezug auf die ihm bekannt gegebenen Wettbewerbsunterlagen nicht nutzt und erst nach der Wertungsentscheidung wegen vermeintlicher Mängel der Wettbewerbsunterlagen angreift.  Dies gelte jedoch nicht für "nachgeschobene" Rügen von Fehlern der Wertungsentscheidung, die nicht in der in den Wettbewerbsunterlagen vorgesehenen Frist nach Bekanntgabe der Wertungsentscheidung gerügt wurden, sofern der Bieter nicht nach Treu und Glauben daran gehindert wäre, sich noch auf diese Fehler zu berufen.

Das OLG Celle hat sodann die Bewertungen, die die Stadt S. bei den einzelnen Bewertungskriterien vorgenommen hat, überprüft und dabei zahlreiche Fehler festgestellt, die die vergebenen Punkte und in der Gesamtschau das Bewertungsergebnis beeinflusst haben können. Das Gericht hat dabei betont, dass bei der Bewertung vertraglicher Zusagen - anders als bei unverbindlichen Konzepten - grundsätzlich bei der Angebotsbewertung eine vertiefte Plausibilitätskontrolle nicht geboten sei, weil die Bieter für die Einhaltung der Zusagen einzustehen haben. Wenn sich während der Vertragslaufzeit herausstellte, dass der Netzbetreiber die gegebenen Zusagen mit dem ursprünglich vorgesehenen Betriebskonzept nicht einhalten könne, müsse er durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der Zusagen sicherstellen.  Bei der Bewertung vertraglicher Zusagen stehe daher vielmehr die Prüfung im Vordergrund, ob konkrete und verbindliche Zusagen und effektive Kontroll-, Abhilfe- und Sanktionsmöglichkeiten angeboten wurden.  Das Gericht hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass eine Plausibilitätskontrolle geboten ist, wenn sich die Unplausibilität einer Zusage aufdrängt oder wenn die Zusage unter einem Zustimmungsvorbehalt steht, der die Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit der Zusage in Frage stellt.

Das Gericht hat in diesem Zusammenhang mehrere Zusagen als nicht wertungsfähig angesehen, weil sie unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Konzessionsgeberin. standen, ohne dass dieser nach der jeweiligen Kriterienbeschreibung entsprechende Optionen anzubieten waren oder sich aus der Angebotswertung ergibt, ob diese die Zustimmung erteilen werde.  Das Gericht hat dies als potentiell diskriminierend angesehen, weil die Bewerberin, bei der die Konzessionsgeberin  Mehrheitsgesellschafterin ist, im Grundsatz darauf vertrauen könnte, dass diese im eigenen Interesse bei der Entscheidung über die Zustimmung die damit verbundenen Kosten im Blick behalten und im Zweifel die Zustimmung zu unwirtschaftlichen Maßnahmen nicht erteilen wird.  Damit würde die Bewerberin erheblich von dem üblichen, mit der Angebotsabgabe verbundenen Kalkulationsrisiko entlastet und ihr im Ergebnis ein ungerechtfertigter Vorteil verschafft.

Anders als das OLG Düsseldorf in der oben genannten Entscheidung hält das OLG Celle die entsprechende Anwendung von § 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG und damit die Beschränkung des Streitwerts auf höchstens 100.000 €  auch auf entsprechende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bei Wasserkonzessionsverfahren für anwendbar. 

OLG Karlsruhe bestätigt Zulässigkeit des Kriteriums "Höhe der Netzentgelte" bei Konzessionsvergaben 

Ein häufig verwendetes, aber auch umstrittenes Kriterium ist die Höhe der prognostizierten Netzentgelte und Netzanschlusskosten, die die Bieter für das Konzessionsgebiet angeben müssen. Die Frage, ob dieses Kriterium mit dem Unionsrecht, insbesondere der Gasrichtlinie, vereinbar ist, hat das OLG Karlsruhe in einem aktuellen Urteil vom 12. Juni 2024 (Az.  6 U 222/23) bejaht.

Die Klägerin, ein Flächennetzbetreiber, hatte gegen die Beklagte, eine Gemeinde, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, um die Berücksichtigung der Netzentgelte und Netzanschlusskosten als Auswahlkriterium bei der Konzessionsvergabe zu verhindern.  Die Klägerin machte geltend, dass dieses Kriterium gegen das Diskriminierungsverbot, das Transparenzgebot und das Ziel einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verstoße.  Zudem sei es mit dem Unionsrecht, insbesondere den Vorgaben der Gasrichtlinie 2009/73/EG, unvereinbar, da es in die Zuständigkeit und Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde für die Festlegung der Netzentgelte und Bedingungen des Netzbetriebs eingreife und die Anreize für eine effiziente, sichere und umweltverträgliche Netztätigkeit unterlaufe.

Das OLG Karlsruhe hat die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Mannheim, das den Antrag abgewiesen hatte, zurückgewiesen. Die Berücksichtigung der Netzentgelte und Netzanschlusskosten als Auswahlkriterium sei nach nationalem Recht zulässig und geboten, um das Ziel einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit im Gemeindegebiet zu verfolgen, das zu den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG gehöre. Die Gemeinde habe dabei einen weiten Spielraum bei der Formulierung und Gewichtung der Auswahlkriterien, der nur daraufhin überprüfbar sei, ob er diskriminierungsfrei und sachgerecht wahrgenommen worden sei. Die Gemeinde müsse dabei nicht die möglichen strukturellen Unterschiede der Bieter berücksichtigen und ausgleichen, sondern könne den Bedarf nach einem sicheren und preisgünstigen Netzbetrieb im Gemeindegebiet in der ihr sachgerecht erscheinenden Weise ausrichten.

Die Berücksichtigung der Netzentgelte und Netzanschlusskosten als Auswahlkriterium verstoße auch nicht gegen das Unionsrecht, insbesondere die Gasrichtlinie. Die Gemeinde greife damit nicht in die Regulierung der Netzentgelte und Bedingungen durch die Regulierungsbehörde ein, sondern frage lediglich die prognostizierten Entgelte auf der Grundlage der bestehenden Regulierung der Erlösobergrenzen der Bieter ab, um den voraussichtlich preisgünstigsten Bieter zu identifizieren. Die Gemeinde stelle damit keine eigenen Regulierungsvorgaben auf, sondern mache das Auswahlkriterium transparent und kontrollierbar.  Die Entgeltprognose habe keine Auswirkung auf die später veranschlagten Netzentgelte und binde die Bieter nicht.  Die Gemeinde setze damit auch keine Anreize, die den von der Regulierung ausgehenden Anreizen zuwiderliefen, sondern berücksichtige neben der Preisgünstigkeit auch andere Ziele, wie die Versorgungssicherheit, die Verbraucherfreundlichkeit, die Effizienz und die Umweltverträglichkeit des Netzbetriebs.  Die Gemeinde sei auch nicht verpflichtet, die Auswirkungen der Netzentgelte außerhalb des Gemeindegebiets in den Blick zu nehmen, da sie lediglich im Gemeindegebiet für einen Wettbewerb um das beste Netz Sorge zu tragen habe. Die Gasrichtlinie enthalte keine hinreichend genauen Bestimmungen, die eine solche Verpflichtung begründen würden.

Das OLG Karlsruhe hat eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung abgelehnt, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen entweder nicht die Auslegung des Unionsrechts betreffen oder, soweit dies der Fall ist, ihre Beantwortung zweifelsfrei und offenkundig sei.  Das Urteil ist nicht mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts anfechtbar. Mit dieser Entscheidung hat das OLG Karlsruhe einen wichtigen Präzedenzfall geschaffen, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergabe von Konzessionen – nicht nur im Gasversorgungssektor - klarstellt und die Position der Gemeinden stärkt, die auf eine preisgünstige Versorgung ihrer Bürger abzielen.

OLG Celle zu Transparenz und Akteneinsicht bei Konzessionsvergaben

In einem aktuellen Beschluss vom 16.09.2024 hat das OLG Celle die Berufung einer Gemeinde gegen ein Urteil des Landgerichts Hannover zurückgewiesen, das ihr untersagt hatte, einen Konzessionsvertrag für das Stromnetz mit einem bestimmten Bieter abzuschließen.  Das Gericht hatte mit vorherigem Beschluss vom 16.  April 2024 (Az. 13 U 50/22 Kart) die Gemeinde angeregt, ihre Berufung zurückzunehmen und die Angebotswertung zu wiederholen.

Das OLG Celle hat in seinem Beschluss hervorgehoben, dass eine unvollständige Erfüllung des Anspruchs auf Akteneinsicht gemäß § 47 Abs.  3 EnWG nicht automatisch dazu führe, dass der Gemeinde der Abschluss des Konzessionsvertrages untersagt werde.  Der Anspruch auf Akteneinsicht diene im Rügeverfahren lediglich einer vorbereitenden Funktion, um dem unterlegenen Bieter die Möglichkeit zu geben, etwaige Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Auswahlentscheidung zu erkennen und geltend zu machen.  Das Gericht stellte klar, dass eine Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs.  1 EnWG dann vorliege, wenn die Wertungsentscheidung aufgrund einer zu Unrecht eingeschränkten Akteneinsicht für den Bewerber intransparent ist.  Dies bedeute, dass dem unterlegenen Bewerber die Überprüfung der Wertungsentscheidung unmöglich gemacht oder unzulässig erschwert wird.  In solchen Fällen müsse der unterlegene Bewerber nicht zusätzlich vortragen, dass Anhaltspunkte für einen Wertungsfehler vorliegen.  Es genüge, dass die Wertungsentscheidung für ihn und das Gericht durch die vorgenommenen Schwärzungen nicht mehr hinreichend nachvollziehbar ist. 

Das Gericht hat anhand mehrerer Beispiele aufgezeigt, dass die Gemeinde diese Anforderungen an die Transparenz der Angebotswertung nicht erfüllt habe. So habe die Gemeinde zum Beispiel bei einigen Bewertungskriterien die angebotenen vertraglichen Zusagen der Bieter nicht hinreichend konkret wiedergegeben oder begründet, warum sie diese als vorteilhaft oder nachteilig angesehen hat.  Auch hat die Gemeinde bei einigen Bewertungskriterien nicht beachtet, dass sie nur die in den Wettbewerbsunterlagen vorgesehenen Aspekte berücksichtigen durfte und nicht zusätzliche Gesichtspunkte, die für die Bieter nicht erkennbar waren.

Das Gericht hat schließlich darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Aufdeckung des Angebots des obsiegenden Bieters im laufenden Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen wäre, weil dies zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der Gemeinde und zu einer erheblichen Erschwerung der Überprüfung der Vergabeentscheidung führen würde.

Auch diese drei Urteile zeigen wieder, dass die Konzessionsvergaben im Energie- und Wassersektor einem hohen Maß an rechtlicher Kontrolle unterliegen und viele Fragen immer noch offen sind. Dies gilt insbesondere für Wasserkonzessionsverfahren, auch wenn sich immer mehr abzeichnet, dass die Gerichte die Maßstäbe, die sie für Strom und Gas entwickelt haben, in vielen Punkten übertragen. Die Urteile geben auch wertvolle Hinweise für die Gestaltung und Durchführung von Konzessionsvergabeverfahren, insbesondere hinsichtlich der Auswahlkriterien, der Rügemöglichkeiten und der Transparenz. Wir empfehlen Ihnen, sich bei Fragen zu Konzessionsvergaben an unsere Experten zu wenden, die Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.

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Peter Mussaeus

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