Energievertriebe und Stadtwerke stehen vor enormen Veränderungen und einem beispiellosen Umbruch

Herausforderungen und Marktveränderungen stellen umfangreiche Anforderungen für Energievertriebe dar und führen zu einer neuen Marktdynamik. Nur durch eine proaktive Anpassung und Angang von Handlungsfelder können Energievertriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und neue Wachstumschancen nutzen.

Regulatorische Komplexität, Energie- und Wärmewende, neue Kundenanforderungen, hohe Wechselbereitschaft von Kunden im klassischen Strom- und Gasgeschäft, innovative Wettbewerber, Digitalisierung und Fachkräftemangel verändern den Energiemarkt grundlegend. Energievertriebe und Stadtwerke bewegen sich kontinuierlich in einem strategischen Spannungsfeld zwischen Innovationsdruck, Effizienzzwang und Umsetzungsschwächen.

Doch wie können Energievertriebe und Stadtwerke diesen Herausforderungen entgegentreten?

1. „Partner der Energiewende“ werden – strategische Neuausrichtung: 

Energievertriebe müssen ihren strategischen Fokus erweitern und sich vom reinen Strom- und Gaslieferanten zum ganzheitlichen Lösungsanbieter wandeln. Rein an das Commodity-Geschäft (Strom, Gas, Wärme) gekoppeltes Wachstum stößt an seine Grenzen, volatile Energiemärkte und starker Wettbewerb drücken auf die Gewinne. Das bedeutet, Energievertriebe und Stadtwerke müssen glaubhaft und aktiv im Vertriebsgebiet und in der Kommune auftreten und dabei als verlässlicher Partner der Energiewende agieren.  Entscheidend ist dabei, smarte und heruntergebrochene Ziele für die nächsten zwei bis drei Jahre festzulegen und diese konsequent zu verfolgen, um die Transformation nachhaltig voranzutreiben.

2. Diversifizierung des Geschäftsmodells – Margen jenseits der Commodity sichern: 

Angesichts schrumpfender Margen im Commodity-Geschäft ist eine Diversifizierung des Lösungs- und Produktportfolios notwendig. Neue Geschäftsmodelle müssen entwickelt und als integrale Bestandteile in das Produktportfolio integriert werden, um langfristig wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Neue Umsätze und Margenquellen lassen sich beispielsweise in energienahen Services (z.B. Energieberatung, Energiemanagement für Kunden), in der Vermarktung von Flexibilität (z.B. Lastmanagement, Beteiligung an Regelenergiemärkten), durch Kauf- und Miet-Angebote rund um Photovoltaik, Batteriespeicher und Wärmepumpen, Mieterstrom-Modelle, innovative Commodity-Angebote (z.B. dynamische Tarife) oder Wasserstofflösungen erschließen und gleichzeitig Kunden stärker binden.

3. Organisation und Fachkräftemangel – Veränderungskultur fördern:

Nicht zuletzt entscheidet die interne Fähigkeit zur Veränderung darüber, ob die Transformation umgesetzt werden kann. Ohne eine offene Veränderungskultur bleiben strategische Initiativen, Digitalisierungsprojekte, Produktentwicklung in der Umsetzung stecken. Es reicht nicht, neue Technologien einzukaufen oder Projekte anzustoßen; die Mitarbeitenden müssen den Wandel mittragen und Change-Kompetenzen im Vertrieb vorliegen. Keine Transformation gelingt ohne die richtigen Menschen. Energievertriebe tun gut daran, in ihre Mitarbeiter zu investieren, neue Kompetenzen und Fähigkeiten (insbesondere IT- und Datenexpertise ist gefragt) aufzubauen und ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen.

4. Effizienz – Digitale Prozesse und operative Exzellenz:

Vielen Vertrieben fehlen noch effiziente, automatisierte und skalierbare Prozesse – hier schlummert großes Potenzial. Die Digitalisierung der Vertriebsprozesse und konsequente Ausrichtung auf Operational Excellence sind ein Muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Fragmentierte IT-Landschaften und manuelle Abläufe verursachen unnötige Kosten und bremsen die Reaktionsfähigkeit. Energievertriebe müssen ihre Abläufe durchgängig digitalisieren und auf Datenbasis steuern, um mehr mit weniger zu erreichen. Das bedeutet beispielsweise: Automatisierung von Routinetätigkeiten, Self-Service-Portale für Kunden, der Einsatz von modernen CRM- und Abrechnungssystemen und KI-gestützte Kundenanalytik. So lassen sich Massengeschäfte auch mit knappen Personalressourcen effizient bewältigen. Je höher der Automatisierungsgrad – von Robotic Process Automation bis hin zu KI-gesteuerten Prozessen – desto größer der Mehrwert.

5. Kunden in den Mittelpunkt – personalisierte Ansprache und Mehrwert: 

In der Vergangenheit kannten viele Energieversorger ihre Kunden kaum und der Kundenwert wurde nur im seltensten Fall berechnet – das ändert sich nun radikal. Kundenzentrierung ist kein Schlagwort mehr, sondern Überlebensstrategie. Energievertriebe müssen Organisation und alle Aktivitäten konsequent am Kunden ausrichten. Das beginnt bei einer 360°-Sicht auf den Kunden – Daten aus Abrechnung, Vertrieb, Service und Marketing dürfen nicht länger in Silos schlummern. Moderne CRM-Systeme und Data Analytics ermöglichen eine präzise Segmentierung nach Bedürfnissen und Wert der Kunden (z.B. Berechnung des Customer Lifetime Value, Absprungrisiken, Zahlungszuverlässigkeit). Die intelligente Kundeninteraktion, also eine Echtzeitauswertung von Kundenverhalten, Kundenanforderungen und proaktive Ansprache mit passenden Tarifen und Lösungen ist das Ziel. 

6. Smart Meter und Daten – Enabler neuer Angebote: 

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts – auch im Energievertrieb. Echtzeit-Zugriff auf wertvolle Verbrauchs- und Lastdaten (z.B. 15-Minuten-Werte vom intelligenten Zähler) sowie Kundendaten ermöglicht passgenaue Angebote und Lösungen zu entwickeln – unverzichtbar für Lastprofilanalysen, dynamische Tarife oder eine präzise Kundenwertberechnung. Außerdem ermöglicht der direkte Kontakt am Zählpunkt Cross- und Upselling. Darüber hinaus kann der Einsatz von KI auf diesen Daten in Zukunft noch mehr leisten – zum Beispiel genauere Verbrauchsprognosen je Kunde und personalisiert automatisierte Tarifoptimierungen. Energievertriebe sollten diese Daten-Schätze heben und zum Nutzen ihrer Kunden einsetzen.

7. Kooperationen und Partnerschaften – Gemeinsam ist man stärker

Dieses Motto gilt besonders in der Energiewirtschaft, wo die Herausforderungen oft zu groß sind, um sie allein zu bewältigen. Energievertriebe und Stadtwerke sollten viel stärker auf Kooperationen setzen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern. Das können regionale Allianzen mit benachbarten EVUs sein, gemeinsame Plattformen zum Betrieb von IT-Systemen oder Partnerschaften mit weiteren Akteuren (z.B. Wohnungswirtschaft, Handwerk). Kooperationen ermöglichen es, Kosten zu teilen, Know-how zu bündeln und Skaleneffekte zu erzielen.

Fazit und Ausblick

Energievertriebe und Stadtwerke vor einem beispiellosen Umbruch, getrieben durch gestiegene Kundenerwartungen, neue Marktteilnehmer und die ambitionierte Energiewende. Für die Transformation Ihres Energievertriebs und Stadtwerks gibt es keinen einfachen Königsweg, wohl aber zentrale Handlungsfelder, die adressiert werden müssen – von der strategischen Neuausrichtung als Partner der Energiewende bis zu Kooperationen und Partnerschaften. 

Die Transformation im Energievertrieb muss kein unüberschaubares Mammutprojekt sein – mit Fokus, Partnerschaften und den richtigen Werkzeugen kann sie Schritt für Schritt erfolgreich umgesetzt werden.

Ein praxisbewährtes Instrument ist unsere Standortbestimmung Energievertrieb, mit der wir innerhalb weniger Wochen den Status quo Ihres Energievertriebs und Stadtwerks erfassen und mit Ihnen Ihre Handlungsfelder der Transformationen ableiten. Nutzen Sie die Chance, jetzt die Weichen zu stellen. Gerne stehen wir Ihnen mit unserer Erfahrung zur Seite.

Ansprechpartner 

Matthias Gabriel

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