Solvency II Review – Ende der Trilog-Verhandlungen: EU-Rat und Parlament veröffentlichen Einigungen zur Änderungen der Solvency II Richtlinie

Im Rahmen von Solvency II wurden Trilog-Verhandlungen durchgeführt, um eine Einigkeit über die Details der Reform zu erzielen.

Das Ergebnis der Verhandlungen wurde am 24. Januar 2024 veröffentlicht und zeigt die kommenden Änderungen der Solvency II Richtlinie (SII-RL) auf. Die Texte der vorläufigen Vereinbarungen werden nun finalisiert, anschließend folgt die formale Annahme durch den EU-Rat und das Parlament. Nach Umsetzung in nationales Recht (VAG) wird das Inkrafttreten ab Januar 2026 erwartet. Parallel hierzu schreiten die Entwicklungen bezüglich der Überarbeitung des Solvency II Rahmenwerks auf Level 2 voran und werden voraussichtlich zeitgleich mit den Änderungen auf Level 1 rechtskräftig.

Nachfolgend geben wir eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen und gehen dabei primär auf die im Rahmen der Trilogverhandlungen diskutierten Verhandlungspunkte und deren Ergebnisse ein, sofern diese bereits auf Level 1 geregelt wurden.

LTG Review (Long-term Guarantees):

Alternative Extrapolationsmethode: 

  • Der bisherige “Last Liquid Point” als Extrapolationsbeginn wird durch den „First Smoothing Point“ (FSP) ersetzt, wodurch zusätzliche Marktdaten für spätere Laufzeiten berücksichtigt werden.
  • Schnellere UFR (ultimate forward rate) – Konvergenz: Bei Laufzeiten von größer/gleich 40 Jahren nach dem FSP beträgt das Gewicht der UFR mindestens 77,5% .
  • Es gilt ein Phasing-In bis 2032 als Übergangsphase. Die Offenlegung der Auswirkungen ohne Phasing-In hat bereits ab Inkrafttreten der geänderten SII-RL zu erfolgen.
  • Das Phasing-In unterliegt einer aufsichtlichen Genehmigung (antragspflichtig, analog bestehender Übergangsmaßnahmen).

Volatilitätsanpassung (VA): 

  • Die Bestimmung der VA wird perspektivisch anhand des Zwei-Komponenten-Ansatzes erfolgen (Permanente VA-Komponente + makroökonomische VA-Komponente „Krisenkomponente“). Weitere Details sind in Level 2 zu erwarten.
  • Für die Verwendung der VA sollen als zusätzliche Sicherheit Mindestanforderungen festgelegt werden (In Level 2 zu erwarten).
  • Aufgrund der erhöhten Mindestanforderungen zur Anwendung dürfen nun bis zu 85% des aus dem repräsentativen Portfolio abgeleiteten risikokorrigierten Spreads auf die risikofreie Zinskurve aufgeschlagen werden. 
  • Die dynamische VA (DVA) wird für Nutzer interner Modelle bestehen bleiben, mit der ergänzenden Einführung eines „DVA Prudency Principle“
  • Ein DVA für Standardformelnutzer ist nicht vorgesehen (u.a., da weiterhin ein „Null“-Schock von EWR-Staatsanleihen in der Standardformel gilt).

Long Term Equity (LTE)

  • Die Lockerungen in den Kriterien zur Anwendung des geringeren Schocks (22%) für LTE betreffen das Ausbleiben von ergänzenden Diversifikationsanforderungen und die Ausweitung des Anwendungsbereiches (u.a. OECD). Außerdem wird klargestellt, dass eine klare Zuordnung von Portfolien (rechtliches oder vertragliches “Ring-fencing” nicht erforderlich ist).

Solvency II Framework Revision
Anpassung der Risikomarge:

  • Der Kapitalkostensatz (CoC) in der Risikomarge wird auf 4,75% festgelegt. Aktuell beträgt der CoC 6%. Der CoC wird frühestens 5 Jahre nach Inkrafttreten der RL neu bewertet.
  • Im Rahmen der Level 2 Änderungen sind Anpassungen in Bezug auf die Formel zur Berechnung der Risikomarge zu erwarten (bspw. keine Untergrenze für Parameter λ – reduziert Risikomarge für projizierte Jahre ≥ 28). λ ist ein exponentiell zeitabhängiger Parameter und führt zu einer niedrigeren Gewichtung zukünftiger SCRs. Zu erwarten ist, dass vor allem Versicherer mit langfristigen Verbindlichkeiten profitieren.

Anpassungen Zinsrisiko:

  • Neukalibrierung: Die bessere Abbildung der in den letzten Jahren beobachteten extrem niedrigen oder negativen Zinssätze soll durch eine Neukalibrierung des Untermoduls für das Zinsrisiko erreicht werden. Gleichzeitig sollte die zu verwendende Methodik nicht zu unrealistisch starken Rückgängen im liquiden Teil der Kurve führen, was durch die Festlegung einer expliziten Untergrenze für negative Zinssätze vermieden werden könnte.
  • Im Rahmen der Level 2 Änderungen erfolgt auch die Extrapolation zu einer gestressten UFR.
  • Bzgl. der Anpassungen im Zinsrisiko-Untermodul ist ein Phasing-In über 5 Jahre vorgesehen. Im Übergangszeitraum sollen beide Effekte berechnet und dargestellt werden.

Anpassungen im Equity-Risikomodul

  • Ausweitung des akzeptablen Korridors auf +/- 13% in Bezug auf die symmetrische Anpassung der Standard-Eigenkapitalanforderung zur Deckung des Risikos aus Änderungen des Aktienkursniveaus.

Änderungen in der Gruppenaufsicht

  • Einführung neuer Kriterien, die durch Definition einer Versicherungsholding die Möglichkeiten zur Identifikation von „De-Facto/horizontalen Gruppen“ erhöhen, jedoch im Vergleich zu den Vorschlägen im Rahmen der Trilog-Verhandlungen abgemildert sind und vermutlich weniger Versicherungsunternehmen umfassen werden. 
  • Einführung von Prinzipien für den Ausschluss von Unternehmen aus Gruppenaufsicht (Problem derzeit: Gruppenaufsicht auf unterschiedlichen Ebenen).
  • Möglichkeiten der Gruppen-Aufsicht, in die Festlegung des obersten Mutterunternehmens einzugreifen und damit zusammenhängend auch die Einführung von Befugnissen zur Anordnung von Maßnahmen wie Umstrukturierungen etc., die Hindernisse der Gruppenaufsicht beseitigen.

Adressatengerechteres Reporting

  • Änderungen bezüglich ORSA, SFCR, RSR und QRTs sind zum Teil auf Level 2 und Level 3 zu erwarten.
  • Ausweitung der Darlegungspflichten im ORSA (bspw. Biodiversitätsrisiken, makroökonomische Risiken, Liquiditätsrisikomanagementplänen, etc.). 
  • SFCR wird aus zwei Teilen bestehen: mit einem Teil für Versicherungsnehmer (Geschäftstätigkeit, Performance, Kapitalmanagement und Risikoprofil) und einem Teil für die Fachöffentlichkeit (detaillierte Informationen über das Geschäft und Governance-System, spezifische Informationen über versicherungstechnische Rückstellungen und andere Verbindlichkeiten, die Solvabilität und andere relevante Daten). 
  • Ausweitung der Offenlegung im SFCR um Angaben zu Auswirkungen der Nutzung von Transitionals (inkl. Extrapolation) und zu Klimawandelrisiken und -szenarioanalysen, Übergangsplänen und PAI-Statement.
  • Ausweitung der Darstellungen im RSR um Standardformel-Ergebnisse (SCR-Schätzwerte) für Nutzer interner Modelle.
  • Bei den Quantitative Reporting Templates (QRTs) werden Änderungen inkl. Streichung und Einführung neuer QRTs auf Level 2 erwartet, darunter sind auch bereits gültige Anpassungen, welche seit Ende 2023 umgesetzt werden müssen.

Proportionalität - Erleichterungen für kleine Versicherer mit geringer Komplexität:

  • Durch den Solvency II Review werden Erleichterungen für Versicherer eingeführt, die bestimmte Kriterien erfüllen. In Bezug auf die Terminologie dieser Gruppe von Versicherern wurde sich auf „SNCU“ (“small and non-complex undertakings” - kleine und nicht komplexe Unternehmen) geeinigt. Damit soll der Eindruck des bisher diskutierten „LPRU“ (Unternehmen mit geringem Risikoprofil) vermieden werden, dass diese Versicherer grundsätzlich ein niedriges Risiko aufweisen.
  • Die Kriterien zur Klassifizierung von SNCU und LPRU unterscheiden sich. Die Kriterien umfassen versicherungstechnische Rückstellungen, Investments, Marktanteil, Prämieneinnahmen, Combined Ratio, aktive Rückversicherungsprämien und Weitere. Dabei wird in Lebens- und Nicht-Lebensversicherer unterschieden. Besonderheiten für SNCU sind: Der Marktanteil des Leben- bzw. Nicht-Leben Geschäfts im Heimatland übersteigt nicht 5% und 20% der Summe der Investments übersteigen nicht das Bruttomarktrisiko oder einen Teil des Kreditrisikos und sonstigen nicht in den anderen beiden Modulen berücksichtigten immateriellen Vermögenswerten (mit Investmentbezug).
  • Erleichterungen gibt es für SNCU in Bezug auf Reporting, Offenlegung, Governance, Überarbeitung schriftlich fixierter Ordnung (i.d.R. alle 5 Jahre), Berechnung von versicherungstechnischen Rückstellungen, Solvenz- und Own-Risk Bewertung und Liquiditätsrisikomanagementplänen.
  • Die Berichtsfrequenz für den RSR beträgt für SNCU 3 Jahre, ist aber durch die Aufsicht verlängerbar auf 5 Jahre.
  • Ein Reporting über angewandte Proportionalitätsmaßnahmen muss nur bei Änderung des Umfangs der Maßnahme erfolgen, und zusätzlich ein Jahr nach Klassifizierung als SNCU (Antragspflichtig).

Stresstests: 

  • Eine Anlehnung der Stresstests an den Bankensektor wurde in der SII-RL nicht festgehalten.

Neue Aufsichtsmittel

Makroprudenzielle Aufsicht: 

  • EIOPA wird Regulatory Technical Standard (RTS) in Bezug auf makroprudenzielle Maßnahmen erstellen, um Konsistenz zu erzeugen. Je nach Ausgestaltung der RTS kann sich der Aufwand des Reportings in Bezug auf makroprudenzielle Informationen ausweiten (Level 2 Anpassungen).  
  • Darunter fallen auch Systematic Risk Management Pläne und Liquiditätsrisikomanagementpläne, welche im Rahmen des RTS verpflichtend zu erstellen sind (anstelle Erstellung nach Aufsichtsverlangen).
  • Der Aufsicht werden Eingriffsmöglichkeiten in Dividenden- oder anderen Zahlungen (inkl. Vergütungen) eingeräumt.

Nachhaltigkeit und Governance:  

  • In der geänderten SII-RL werden die Offenlegungspflichten in Bezug auf Nachhaltigkeit konkretisiert und mit anderen Regulierungen in Bezug auf diesen Themenkomplex in Verbindung gebracht. 
  • Der Betrachtungshorizont der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken soll kurz-, mittel- und langfristig sein, dabei sollen neben Klimarisiken auch Biodiversitätsrisiken im ORSA verankert werden.
  • Nachhaltigkeitsrisiken sollen vollumfänglich in das Risikomanagement eingebunden sein (u.a. Strategie, Leitlinien, Prozesse und Systeme zur Identifikation, etc.).
  • EIOPA ist beauftragt, weitere RTS in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken, wie bspw. zu den Mindestanforderungen an Methodik der Identifikation, Messung, Management und Monitoring von Nachhaltigkeitsrisiken aufzusetzen (frühestens 1 Jahr nach Veröffentlichung der SII-RL zu erwarten – Level 2 Anpassungen).
  • Versicherer müssen eine Strategie zur Förderung der Diversität in ihren Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorganen verfolgen und quantitative Ziele in Bezug auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis aufnehmen.

Grenzüberschreitende Tätigkeiten: 

  • Eine finale und umfassende Definition von “significant cross-border activities” ist im Rahmen von Level 2 und Level 3 Anpassungen zu erwarten.
  • EIOPA arbeitet an einem „cross-border notification platform tool“ für die Entscheidungsfindung bei der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden.

Recovery und Resolution Rahmenwerk (separat durch IRRD):  

  • In Kürze folgt ein weiterer Beitrag zu diesem Thema. Bleiben Sie gespannt! Hier finden Sie unseren letzten Beitrag vom Dezember zu den geplanten Änderungen im Rahmen der Solvency II Änderungen.
  • Parallel zu den Solvency II Änderungen erfolgt die Einführung eines Sanierungs- & Abwicklungs-Rahmenwerks durch neue IRRD.
  • Das Inkrafttreten ist frühestens 2026 zu erwarten und im Gleichklang mit der SII-RL geplant.

Die Änderungen der SII-RL sind umfangreich und betreffen viele Bereiche Ihres Unternehmens. Bereiten Sie sich frühzeitig vor. Wir empfehlen eine rechtzeitige Analyse der Auswirkungen und betroffenen Bereiche, wobei wir Sie gerne unterstützen.

Von der Verabschiedung der SII-Änderungen in der SII-RL in 2024/25 ist weiterhin auszugehen, jedoch wird kein konkreter Zeitraum angegeben. Zu beachten ist dabei die erforderliche nachfolgende Umsetzung in deutsches Recht und somit auch die Anpassung des VAG. Dazu haben die Mitgliedsstaaten nach Inkrafttreten der SII-RL zwei Jahre Zeit. Wir erwarten das finale Inkrafttreten im Jahr 2026. Ergänzende Anpassungen der Delegierten Verordnung 2015/35 befinden sich derzeit parallel in Entwicklung durch die EU-Kommission. 

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

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Melanie Schlünder

Melanie Schlünder

Senior Managerin
Frankfurt am Main

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