Dynamic Risk Management – (k)ein Thema für Versicherer?

Macro-Hedge-Accounting für Zinsänderungsrisiken – IASB bezieht Versicherer enger ein, obwohl Anwendbarkeit für diese unklar

Beim IASB-Meeting am 23. Juli 2024 stand das Dynamische Risikomanagement als bilanzielles Thema für Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich, die dynamisch Hedginginstrumente nutzen, um sich im Rahmen ihres Asset-Liability-Managements gegen Marktschwankungen und insbesondere Zinsänderungsrisiken abzusichern, auf der Agenda. Dieses ist aus dem ursprünglichen IASB-Projekt „Hedge Accounting“ als Teil des Gesamtprojekts „Finanzinstrumente“ zur vollständigen Ablösung von IAS 39 entstanden, wurde aber aus der Entwicklung des mittlerweile in Kraft getretenen IFRS 9 ausgeklammert. Nachdem lange Zeit nur die Anwendung im Bankbereich im Fokus stand, werden aktuell Aspekte der Versicherungsbranche diskutiert und sollen im weiteren Standardentwicklungsprozess reflektiert werden.

Hintergrund

Im Zuge des IASB-Projekts zur vollständigen Ablösung von IAS 39 durch IFRS 9 gehörte auch das Hedge Accouting zu den diskutierten Themen. Zwar wurden mit der Verabschiedung des neuen Standards 2013 die Regelungen zur Bilanzierung und Offenlegung von Sicherungsgeschäften ausgeweitet, um das diesbezügliche Risikomanagement adäquater abbilden und Transparenz darüber schaffen zu können. Jedoch wurden Hedgingstrategien, in denen ein Unternehmen eine dynamische Risikosteuerung, d.h. bei einer Absicherung einer sich häufig ändernden Risikoposition durch ein offenes Portfolio von sich ändernden Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, hierbei nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde aufgrund der Komplexität ein eigenständiges Projekt zur Ablösung der Vorschriften zum „Portfolio Fair Value Hedge Accounting“ für Zinsrisiken des IAS 39 durch den IASB ausgegliedert und hierzu 2014 ein erstes Diskussionspapier veröffentlicht. Mit Übergang von IAS 39 auf IFRS 9 bestand in der Folge für IFRS-Bilanzierer ein Wahlrecht zur weiteren Anwendung der IAS 39-Regelungen zum Micro bzw. General Hedge Accounting.

Im Mittelpunkt des Diskussionspapiers DP/2014/1 stand der sog. „Portfolio revaluation approach“ mit einer dem Fair-Value-Hedge-Accounting vergleichbaren Vorgehensweise, bei der eine gemeinsame ergebniswirksame Erfassung einer gesteuerten Barwertänderungen designierter Grundgeschäfte mit den Wertänderungen der Sicherungsinstrumente vorgesehen wäre. Daneben wurde, angelehnt an die Bilanzierungsregelungen im Cashflow-Hedge-Accounting, als Alternative auch die ergebnisneutrale Erfassung der Wertänderungen der designierten Sicherungsinstrumente diskutiert. Während zwar die Auseinandersetzung des IASB mit dem methodisch besonderen Sachverhalt begrüßt wurde, fand das vorgeschlagene Modell keine Zustimmung aus der Praxis. Vielmehr solle die Vermeidung von künstlicher Bilanz- und Ergebnisvolatilität durch den Einsatz der Sicherungsinstrumente im Mittelpunkt stehen.

In der Folge hat der IASB Staff ab dem Jahr 2017 im Rahmen des DRM-Projekts ein „Core model“ ausgearbeitet. Konzeptionell fokussierte man sich dabei auf die Banksteuerung bezogen auf das Zinsrisiko – unter anderem in Hinblick auf die Auswirkungen auf das Nettozinseinkommen und den ökonomischen Wert des Eigenkapitals sowie die jeweiligen Schwankungen, da finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten außerhalb des Handelsbestands unter IFRS i. d. R. zu fortgeführten Anschaffungskosten erfasst werden –, so dass Details des vorgeschlagenen Modells eher bankspezifisch sind. Bereits frühzeitig wurde dabei angedeutet, dass erst im Laufe des weiteren Prozesses entschieden werden sollte, ob und wie das Modell auf andere Branchen bzw. Risiken übertragbar ist. Im 4. Quartal 2020 wurde hierzu eine bilaterale Konsultation (sog. „Outreach“) mit ausgewählten Finanzdienstleistern durchgeführt und im Mai 2021 deren Ergebnisse erörtert. Im Mai 2022 wurde dieses Projekt dann formell durch den IASB vom Status „Forschungsprojekt“ in den Status „Standardsetting-Projekt“ erhoben. Dieses soll dann später das allgemeine Hedge-Accounting-Konzept in IFRS 9 ergänzen.

Aktuelle Entwicklungen

Nachdem die Kernelemente des neuen DRM-Bilanzierungsmodells ausgearbeitet worden waren, standen parallel zur Statusänderung in der Folge verschiedene Verfeinerungen im Raum. Hierzu wurden in den folgenden IASB-Meetings sukzessive Elemente diskutiert und vorläufige konzeptionelle Festlegungen getroffen, einige Aspekte sind jedoch weiterhin offen.

Bezüglich der diskutierten Ausweitung des Projekts auf weitere Unternehmen jenseits des Bankbereichs hatte der IASB in der ersten Jahreshälfte 2024 den gezielten Austausch mit sieben Versicherungsunternehmen, einem Versicherungskonzern, zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und einem nationalen Standardsetzer bezüglich den Risikomanagementstrategien und -aktivitäten in der Branche gesucht. Die entsprechenden Ergebnisse flossen in ein Agendapapier für das IASB-Meeting im Juli 2024. Dabei wurde insbesondere hervorgehoben, dass aufgrund des Geschäftsmodells bei Versicherungen verschiedene konzeptionelle Differenzen aufträten. Diese umfassen insb.:

  • Grundsätzlich werfen Versicherungsverbindlichkeiten keine Zinsen ab, sind jedoch aufgrund der Diskontierung einem Zinsänderungsrisiko unterworfen. Zwar sind die Unternehmen verpflichtet, die Beziehung zwischen Finanzerträgen oder -aufwendungen aus dem Versicherungsgeschäft und Kapitalerträgen zu erläutern, dennoch überwachen oder kommunizieren sie daher in der Regel keine mit dem Nettozinseinkommen von Banken vergleichbare Leistungskennzahlen.
  • Aufsichtsregimes wie Solvency II fokussieren sich auf Entwicklungen und Auswirkungen auf den Wert des ökonomischen Eigenkapitals, während bei Banken parallel die Variabilitäten sowohl für Nettozinseinkommen und ökonomisches Eigenkapital im Mittelpunkt stehen. Zudem werden Zinsrisiken oftmals kombiniert mit anderen (Markt-)Risiken im Risikomanagement und der Absicherung behandelt.
  • Versicherer bilanzieren und bewerten typischerweise einen erheblichen Teil ihrer finanziellen Vermögenswerte zum beizulegenden Zeitwert, daher werden die Auswirkungen von Zinsänderungen bereits erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst (‚Fair Value through Profit or Loss‘).
  • Insbesondere für Versicherungsunternehmen mit langfristigen Verbindlichkeiten sind Risikomanagementaktivitäten weniger dynamisch, wenngleich Derivative zur Anpassung der aktivseitigen Duration an die passivseitige Duration zur Vermeidung bzw. Verringerung eines ALM-Risikos eingesetzt werden könnten. Gleichzeitig seien hier Versicherer flexibler in ihrer Kapitalanlage, um illiquide Verpflichtungen von vornherein adäquater zu überdecken (z.B. durch direkte Investition in Zinstitel, um die aktivseitige Duration anzupassen).

Bezüglich Anwendung im Versicherungsbereich wird daher zwar das erhöhte Interesse am DRM-Projekt hervorgehoben, allerdings auch zusammengefasst, dass es derzeit keine ausreichende Grundlage zur Schlussfolgerung gibt, dass die Anwendung des DRM-Modells auf Versicherungsgeschäfte nach IFRS 17 nützliche Informationen liefert. Insbesondere wird zudem vermutet, dass Versicherer aufgrund der kürzlichen Erstanwendung von IFRS 17 erstmal ihr Zahlenwerk besser verstehen müssten, um festzustellen, ob die Anwendung des DRM-Modells tatsächlich eine angemessene Darstellung der Risikomanagement-Aktivitäten liefern würde.

Bis zum Sommer 2025 soll der Exposure Draft veröffentlicht werden. Dieser fokussiert weiter für die Anwendung des DRM mit fortgeführte Anschaffungskosten bewertete Posten - obwohl Versicherungsverbindlichkeiten nach IFRS 17 damit ausgenommen wären, sollen dennoch versicherungsspezifische Fragen aufgenommen werden, damit Versicherungsunternehmen die Konsultationsphase nutzen können, um sich besser mit dem DRM-Modell vertraut zu machen. Parallel wurde mit 13 von 14 Stimmen eine optionale Anwendung des DRM-Modells beschlossen.

Bei Fragen zum Dynamischen Risikomanagement, dem IFRS-Hedge-Accounting sowie einer integrativen IFRS-9/17-Sicht und dem Asset-Liability-Management von Versicherungen allgemein sprechen Sie mich und meine Kolleg:innen gerne an. Wenngleich die Anwendbarkeit allgemein noch offen ist, bietet sich auch für Nicht-IFRS-Anwender in der Versicherungsbranche eine Auseinandersetzung an – nach Integration in den IFRS 9 wäre das DRM-Modell Teil des Referenzrahmens für die Solvabilitätsbewertung nach Solvency II außerhalb der versicherungstechnischen Rückstellungen.

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