Keine Rückgängigmachung des Grundstückskaufs bei gleichzeitigem Verkauf der Anteile an der Veräußerin
Eine Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz ist nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber eine ihm verbliebene Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet hat. Beispielsweise, wenn er durch seine Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf.
Sachverhalt
Die Klägerin und die A-GmbH hatten einen Kaufvertrag über ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden geschlossen, wobei die Klägerin in den bestehenden Mietvertrag eintreten sollte. Da die Vermieterin in der Folge der Übernahme des Mietvertrags jedoch nicht zustimmte, hoben die Parteien den Grundstückskaufvertrag auf und vereinbarten in derselben Urkunde, dass stattdessen sämtliche Geschäftsanteile an der veräußernden A-GmbH übertragen werden sollten, und zwar zu 94 % an die Muttergesellschaft der Klägerin und zu 6 % an eine dritte Gesellschaft (sogenannter „share deal“ anstelle des eigentlich geplanten „asset deal“). Hierdurch kam es zu einer nicht steuerbaren Übertragung von weniger als 95% der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft. Das Finanzamt bestand jedoch auf der Festsetzung von Grunderwerbsteuer, das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben. Der BFH urteilte im Sinne des Finanzamts und gab dessen Revision statt.
Verwertungsposition des Erwerbers entscheidend
Wesentlich war für den BFH, dass der Erwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag weiterhin verwertete. Denn dies sei nicht nur dann der Fall, wenn er Einfluss auf den späteren Weiterverkauf des Grundstücks ausübt, sondern bereits dann, wenn er durch seine Unterschrift unter den Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen kann, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf. Entscheidend ist, ob der Erwerber sich oder einem oder mehreren Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die grundbesitzende Gesellschaft verschafft. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Anteilserwerb nicht zu einem (weiteren) grunderwerbsteuerbaren Vorgang führt.
Die Vertragsparteien hatten den Kaufvertrag vom August 2013 mit notariell beurkundetem Vertrag vom Dezember 2013 rückwirkend aufgehoben. Zugleich haben die Muttergesellschaft der Klägerin zu 94 % und die im Konzern eingebundene dritte Gesellschaft zu 6 % die Anteile an der A-GmbH erworben. Dabei hat die Klägerin ihre Rechtsposition aus dem Kaufvertrag dahingehend verwertet, dass sie mit ihrer Unterschrift unter den Vertrag den Erwerb von 100 % der Anteile durch die mit ihr im Konzern verbundenen Gesellschaften sicherstellte. Ihr Interesse ging nicht allein dahin, sich vom Vertrag vollständig zu lösen. Sie wollte das Gebäude auf fremdem Boden wirtschaftlich für ihre Muttergesellschaft sichern, und hatte zugleich die auf dem Grundstück befindlichen Betriebsvorrichtungen erworben. Damit war sichergestellt, dass die Betriebsvorrichtungen weiter zusammen mit dem Gebäude vermietet werden konnten.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 19. September 2018 (II R 10/16), veröffentlicht am 2. Januar 2018