Finale Verlustnutzung durch Muttergesellschaft bei Fusion und bei Abwicklung einer Enkelgesellschaft?

Der Europäische Gerichtshof ist erneut in Sachen „finale Verluste“ gefragt. In zwei schwedischen Fällen hat die Generalanwältin ihre Schlussanträge formuliert und ist von einer „Finalität“ bzw. grenzüberschreitenden Verlustnutzung aufgrund der Besonderheiten der Fälle nicht überzeugt.

Der Fall C-608/17 (Holmen AB) betrifft die unionsrechtliche Klärung, ob eine schwedische Muttergesellschaft berechtigt ist, Verluste einer indirekt gehaltenen zu 100 % spanischen Tochtergesellschaft (Enkelgesellschaft) von ihren in Schweden erwirtschafteten Gewinnen abzuziehen, wenn die Enkelgesellschaft abgewickelt worden ist und nicht alle ihrer Verluste in Spanien nutzen (d. h. mit eigenen bzw. anderen Gewinnen des spanischen Konzerns verrechnen) konnte. Als eine weitere Alternative ist eine Verlustnutzung durch umgekehrte Verschmelzung der spanischen Tochtergesellschaft auf die Enkelgesellschaft und nachfolgende Abwicklung der aufnehmen zu klären. Fazit der Generalanwältin: Wenn für die Enkelgesellschaft die Möglichkeit besteht, die Verluste auf einen Dritten (z. B. eine Tochtergesellschaft) zu übertragen, dann scheiden finale Verluste der Enkelgesellschaft aus. Daher komme es nicht darauf an, ob Dritte den Verlust im konkreten Fall auch effektiv verwenden konnten. Dies sei allenfalls für die Frage relevant, ob bei diesen Dritten finale Verluste im Verhältnis zu deren Muttergesellschaften vorliegen. Nach Dafürhalten der Generalanwältin setze eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung bei der Muttergesellschaft im Übrigen voraus, dass die defizitäre Tochtergesellschaft direkt gehalten wird. Auch müsse für die Betrachtung der Finalität von Verlusten einer Enkelgesellschaft die Möglichkeit der Übertragung und Verrechnung von Verlusten auf Dritte und damit auch auf ihre Muttergesellschaft (bzw. weitere konzernzugehörige Gesellschaften) in diesem Mitgliedstaat mit einbezogen werden. Ob deren Abzugsmöglichkeiten beschränkt sind, ist allein für die Frage nach deren „finalen“ Verlusten entscheidend. Ein Verlust sei ebenfalls dann nicht als endgültig anzusehen, wenn er in Spanien aufgrund einer Beschränkung der Verlustverrechnung vorgetragen werden musste. Denn die Existenz dieses Verlustes hänge allein von der Ausgestaltung des spanischen Steuerrechts ab und könne Schweden nicht dazu zwingen, diesen Verlust steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Fall C-607/17 (Memira Holding AB): Hier geht es darum, ob eine schwedische Muttergesellschaft berechtigt ist, die Verluste einer 100%igen Tochtergesellschaft mit Sitz in Deutschland von ihren Gewinnen abzuziehen, wenn diese im Wege einer Fusion auf die Muttergesellschaft abgewickelt wird und ihre in Deutschland erwirtschafteten Verluste dort nicht vollständig „nutzen“ konnte und diese folglich untergehen. Nach dem Entscheidungsvorschlag der Generalanwältin fehlt es an den Voraussetzungen für die Annahme eines finalen Verlustes. Eine Verlustnutzung in diesem Sinne setze voraus, dass es rechtlich möglich ist, die Verluste im Sitzstaat der Tochtergesellschaft zu berücksichtigen und dass diese Möglichkeit durch den Steuerpflichtigen tatsächlich wahrgenommen wurde (was im vorliegenden Fall allerdings erst noch nachgewiesen werden muss). Unter eine mögliche Berücksichtigungsmöglichkeit fällt auch eine Realisierung der Verluste im Wege einer Fusion mit einem Dritten (an der es hier aber fehlt und die in Deutschland auch nicht möglich ist) oder eine Realisierung im Wege eines Verkaufs der Gesellschaft an einen Dritten (was von Memira nicht wahrgenommen wurde).

Fundstelle

EuGH-Schlussanträge vom 10. Januar 2019 (C-608/17, Holmen AB und C-607/17 Memira Holding AB)

Eine englische Zusammenfassung der Schlussanträge finden Sie hier.

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