Einkünfte aus Kapitalvermögen: Abgeltungsteuersatz trotz verwandtschaftlicher Beziehung
Wer aufgrund einer stillen Beteiligung an einer GmbH Kapitalerträge erzielt, ist nicht allein deshalb, weil er der Sohn des Alleingesellschafters der GmbH und zugleich deren leitender Angestellter bzw. Prokurist ist, eine nahestehende Person der Gesellschaft oder des Alleingesellschafters. Dies hat in einem Fall vor dem Hessischen Finanzgericht zur Folge, dass die betreffenden Einnahmen dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent und nicht dem tariflichen Steuersatz unterliegen.
Nach § 32d Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) beträgt die ESt für Einkünfte (EK) aus Kapitalvermögen, die nicht den EK aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder der Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind, 25 %. Dies aber (u. a.) nur dann, wenn Gläubiger und Schuldner nicht einander nahestehende Personen sind. Um die Auslegung des Begriffs „nahestehende Person“ geht es in dem vorliegenden Rechtsstreit. Der Kläger hatte sich mit 20 % als stiller Gesellschafter an einer GmbH beteiligt, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer sein Vater war. Seit demselben Zeitpunkt wie der Kläger und zu denselben Bedingungen war auch ein Dritter (B) als stiller Gesellschafter an der GmbH beteiligt. Letzterer war wie der Kläger leitender Angestellter der GmbH. Das Finanzamt unterwarf die Einnahmen aus der stillen Beteiligung dem tariflichen Einkommensteuersatz. Das Hessische Finanzgericht gab der Klage statt.
- Keine Ausnahme vom Abgeltungsteuersatz: Das Finanzgericht wendet die vom BFH bislang entwickelten Grundsätze an, indem es Umstände wie eine verwandtschaftliche Beziehung oder ein Arbeitsverhältnis als leitender Angestellter bzw. Prokurist, die allein dem Wortlaut nach sehr wohl ein Näheverhältnis zu begründen vermögen, für ein solches nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG nicht ausreichen lässt.
- Hintergrund der gesetzlichen Regelung: Zusammen mit Einführung der Einführung des Abgeltungsteuersatzes von 25 % auf EK aus Kapitalvermögen hat der Gesetzgeber in § 32d Abs. 2 EStG Ausnahmen hiervon geregelt, welche einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des besonderen Steuersatzes durch Ausnutzung des Steuersatzgefälles entgegenwirken sollen. Es sollen Gestaltungen verhindert werden, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z. B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz reduziert wird.
Im Ergebnis verneint das Finanzgericht das erforderliche Näheverhältnis, weil es keine der drei vom BFH aus der Gesetzesbegründung abgeleiteten Fallgestaltungen – absolutes Beherrschungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis, Einflussnahme auf Bedingungen einer Geschäftsbeziehung oder eigenes wirtschaftliches Interesse an der fremden Einkünfteerzielung – als gegeben ansah. Ergänzend weist das Finanzgericht auf zwei weitere Umstände hin, welche der Anwendung des tariflichen ESt-Satzes entgegenstehen: Neben dem Kläger ist ein weiterer leitender Angestellter der GmbH zu denselben Bedingungen als stiller Gesellschafter beteiligt, der mit dem Alleingesellschafter nicht verwandt ist. Zweitens wurden die stillen Gesellschaften bereits lange vor Einführung des besonderen Abgeltungsteuersatzes auf EK aus Kapitalvermögen begründet, was gegen eine bewusste Ausnutzung der Steuersatzspreizung spreche.
Fundstelle
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 22. Oktober 2018 (6 K 49/17); die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 46/18 anhängig.