Länderreport Italien: Ausführungsverordnung – Stellung von Auskunfts- und Nacherklärungsverfahren betreffend Betriebsstätten in Italien

Am 16. April 2019 hat das italienische Finanzamt die erwartete Durchführungsverordnung hinsichtlich der Nacherklärung einer von ausländischen Gesellschaften in Italien geführten Betriebsstätte erlassen. Die Verordnung stützt sich auf Artikel 1-bis des Gesetzes Nr. 50 vom 4. April 2017, umgewandelt durch das Gesetz Nr. 96 am 21. Juni 2017 (im Folgenden auch das „Selbstanzeigeverfahren“ oder „Selbstauskunftsverfahren“).

In Kürze

Das Selbstauskunftsverfahren ermöglicht ausländischen Unternehmen, die mit einem potentiellen Betriebsstättenrisiko in Italien behaftet sind, kostenlos beim Finanzamt (FA) eine Auskunft einzuholen, um mit diesem gemeinsam auszudiskutieren, ob die in der Vergangenheit in Italien durchgeführten Geschäfte eventuell durch eine inländische Betriebsstätte (BS) getätigt worden sind. Bei Feststellung des Vorliegens einer BS, wird dem ausländischen Unternehmen ebenfalls ermöglicht, die angefallenen Gewinne und Umsatzsteuer in Italien nachzuerkären.

Ziel und Zweck des Selbstauskunftsverfahren ist es, mit dem FA eine Diskussion einzuleiten

  • um festzustellen, ob eine BS in Italien besteht oder nicht;
  • wenn eine BS besteht: um die arm‘s length Gewinne zu ermitteln, die der BS für direkte Steuerzwecke (Ires – italienische Körperschaftsteuer – und Irap – italienische Regionalsteuer) zuzurechnen sind;
  • um den relevanten umsatzsteuerlichen Vorgang zur Zuordnung zur festen Einrichtung ("FE") und der damit verbundenen umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu ermitteln.

Bestimmend für die Einleitung des Auskunftsverfahrens ist die Antragsstellung mitsamt den relevanten Anhängen. Die Erteilung einer Auskunft ist bindend für das FA; dies gilt auch im Falle, dass seitens des FAs keine BS festgestellt wird. Unter der Voraussetzung, dass der de facto Sachverhalt unverändert bleibt, kann dann keine BS in Italien bewertet werden.

Bei Feststellung einer BS in Italien wird mit der verbindlichen Auskunft dem Steuerzahler Folgendes mitgeteilt:

(i) rechtliche Begründung der Feststellung und

(ii) Quantifizierung des zu besteuernden Gewinnes und der fälligen Umsatzsteuer.

Bei vollständiger Begleichung der vom FA bestimmten Beträgen kommt es zu

(i) einer erheblichen Minderung des Bußgeldes und

(ii) einer Strafbefreiung hinsichtlich der Unterlassung der Einreichung der pflichtigen Steuererklärungen.

Darüber hinaus wird den ausländischen Gesellschaften die Möglichkeit eingeräumt, das Cooperative-Compliance-Programm (gemäß Gesetzesverordnung Nr. 128/2015) einzuleiten.

Im Detail

Wer kann vom Selbstauskunftsverfahren profitieren?

Die Vorgaben für den Auskunftsantrag können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Die ausländische Gesellschaft gehört einem internationalen Konzern mit einem konsolidierten Jahresumsatz von über 1 Mrd. € an. Maßgebend für die Bestimmung dieses Wertes ist die Summe aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Zur Feststellung werden die im konsolidierten Konzernabschluss ausgewiesenen Werte der drei vorangegangenen Jahre herangezogen. Maßgebend ist nicht die Summe der drei Jahre, sondern der höhere Jahreswert der drei Vergleichsperioden.
  • Hinsichtlich obiger Erträge sind mindestens 50 Mio € (der Warenverkäufe und der Dienstleistungen) zwingend in Italien und durch Mitwirkung eines italienischen Hilfsunternehmens zu erwirtschaften. Die 50 Mio € Grenze umfasst auch Umsätze von verbundenen Unternehmen (ansässig oder nicht ansässig in Italien) – unabhängig davon, ob es sich dabei um Hilfsunternehmen handelt oder nicht.
  • Der Antrag kann nicht gestellt werden, falls (i) eine BS während einer Betriebsprüfung beanstandet wurde, (ii) ein Strafrechtsverfahren läuft und (iii) bekannt ist, dass eine Audittätigkeit begonnen hat. Prüfungen, die nicht auf in Italien geführten BS ausgelegt sind, verhindern nicht den Zugang zum Selbstauskunftsverfahren.

Definition der Hilfsunternehmen: deren Tätigkeiten werden als Ganzes zusammen mit den Tätigkeiten des ausländischen Unternehmens und der verbundenen Unternehmen betrachtet.

Die unterstützenden Hilfstätigkeiten müssen in einem direkten oder indirekten wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Geschäftstätigkeiten des Hilfsunternehmens stehen und gesamtumfassend angesehen werden; in anderen Worten:

  • Die gesamten Geschäfte, die von dem Hilfsunternehmen zugunsten der ausländischen Gesellschaft durch eine oder mehrere Geschäftseinrichtungen in Italien ausgeübt werden, einschließlich derjenigen, die direkt von der ausländischen Gesellschaft in Italien geführt oder genutzt werden.
  • Die gesamten Tätigkeiten, die in Italien von der nicht ansässigen Gesellschaft und von einer oder mehreren verbundenen Gesellschaften ausgeübt werden, einschließlich der Geschäfte, die seitens der Hilfsunternehmen in der gleichen oder in einer anderen festen Geschäftseinrichtung ausgeübt werden.

Einreichungsfristen der Unterlagen

Innerhalb von 30 Tagen nach Stellung des Antrags sind die entsprechenden Unterlagen und alle anderen ergänzenden Informationen einzureichen. Die Unterlassung der Einreichung wird als Verzicht auf den Antrag betrachtet. Innerhalb von 30 Tagen nach Einreichung der Unterlagen und der zusätzlichen Informationen wird der Antrag angenommen oder abgelehnt.

Sobald der Antrag gestellt wurde, leitet das zuständige Amt ein Informationsverfahren mit den örtlichen Finanzämtern und der Finanzpolizei ein, um in den eingereichten Fällen Betriebsprüfungen zu vermeiden oder um die Maßnahmen zu koordinieren, falls bereits Betriebsprüfungen begonnen haben.

Aspekte zur Feststellung einer BS, zur Ermittlung von Gewinnen, die der BS zuzurechnen sind, und zur Identifizierung umsatzsteuerrelevanter Transaktionen

Nachdem das FA die Vorgaben für die Antragsstellung geprüft hat, leitet es das Kooperationsverfahren mit der ausländischen Gesellschaft ein, um festzustellen, ob eine BS vorliegt oder nicht. Bei Feststellung einer BS werden auch die Zuordnung von Gewinnen und die USt-Bemessungsgrundlage in Kooperation mit dem Steuerzahler ermittelt. Die Kooperation mit dem Steuerzahler könnte sich ggf. über einen gewissen Zeitraum ausdehnen. Es ist vorgeschrieben, dass für jedes Meeting ein Protokoll aufgesetzt wird.

Das Verfahren ist binnen 180 Tagen nach Annahme des Antrages abzuschließen. Bei Aufforderungen seitens des FAs, zusätzliche Informationen oder Dokumente nachzureichen, wird obige Frist ausgesetzt.

Bei Abschluss des Verfahrens erteilt das FA eine verbindliche Auskunft, die eine rechtliche Begründungen der Feststellung einer BS beinhaltet. Falls keine BS in Italien festgestellt wird, gilt die Auskunft ebenso als bindend, solang die dargestellten Umstände unverändert bleiben. Falls das zuständige FA steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen erkennt, werden diese den örtlichen Finanzämtern zu Prüfungszwecken gemeldet.

Feststellung der Steuern

Falls eine BS in Italien festgestellt wird, teilt das zuständige Amt die Schlussfolgerungen dem zuständigen örtlichen FA mit. Sobald das örtliche FA die genannten Informationen erhält, leitet es das sogenannte Tax Settlement Verfahren ein. Das Einigungsverfahren beginnt mit Vorladung der ausländischen Gesellschaft.

Auswirkungen

Wenn die Vergleichsvereinbarung zustande kommt und die ausländische Gesellschaft den im Rahmen des Vergleichsverfahrens fälligen Gesamtbetrag für Geschäftsjahre, deren Frist für die Abgabe der Steuererklärung abgelaufen ist, zahlt, werden die anwendbaren Verwaltungsstrafen auf die Hälfte reduziert (zusätzlich zu der für jedes Vergleichsverfahren verfügbaren Reduzierung um ein Drittel). Die fälligen Beträge können in Raten bezahlt werden. Darüber hinaus gibt es keine strafrechtliche Verfolgung gegen den Verstoß gegen die unterlassene Einkommens- und Umsatzsteuererklärung (in der Regel wird der gesetzliche Vertreter der ausländischen Gesellschaft für diese Unterlassung verantwortlich gemacht).

Zugang zum Kooperativ-Compliance-Programm

Wenn am Ende des Selbstanzeigeverfahrens davon ausgegangen wird, dass die ausländische Niederlassung eine BS in Italien hat, wird der ausländischen Gesellschaft der Zugang zum Kooperative-Compliance-Programm (gemäß Gesetzesverordnung Nr. 128/2015) ermöglicht – unabhängig von der Höhe der Einnahmen der italienischen BS.

Takeaways

Das italienische Selbstanzeigeverfahren ist ein weiterer Schritt Italiens in Richtung transparenter und offener Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden und ausländischen Konzernen, mit dem Vorteil einer Sanktionsminderung, Strafbefreiung und dem Zugang zum Kooperative-Compliance-Programm.

Das eingeführte neue Verfahren der Selbstanzeige ist zum heutigen Tage die einzige rechtliche Möglichkeit, eventuell schon ausgeübte Geschäftstätigkeiten in Italien, die mit einem Betriebsstättenrisiko behaftet sind, dem italienischen FA gegenüber offen zu legen. Das alternative Auskunftsverfahren (31-ter Einigungsverfahren), nachdem das Bestehen oder das nicht Bestehen einer BS in Italien mit FA besprochen werden kann, unterliegt der Vorgabe, dass der Antrag vor Beginn jeglicher Aktivitäten gestellt werden muss.

Zusammenfassung der prinzipiellen Vorteile des Selbstauskunftverfahrens:

  • Die Bußgelder, in Zusammenhang mit dem Tax Settlement Agreement, werden weiterhin um die Hälfte reduziert (das gesetzliche vorgeschriebene Bußgeld wird somit insgesamt auf 1/6 reduziert);
  • Möglichkeit einer Ratenzahlung;
  • Strafbefreiung hinsichtlich der Unterlassung der Einreichung der Steuererklärung – sprich der nicht erklärten Steuer;
  • Zugang zum Kooperativ-Compliance-Programm.

Sie wünschen weitere Informationen, haben Fragen oder erkennen Beratungsbedarf? Dann rufen Sie bitte die unten genannten Ansprechpartner an oder schicken Sie Ihnen einfach eine E-Mail.

Dario Sencar

Tax Partner

dario.sencar@pwc.com

Giovanni Consiglio

Director Italian Tax & Legal German Desk

giovanni.consiglio@pwc.com

Mario Volpe

Tax Senior Manager

mario.volpe@pwc.com

Zum Anfang