Übertragung von Miteigentum an einem Buch als steuerfreie Lieferung (Update)

Veräußert der Unternehmer einen Miteigentumsanteil an einem Buch und wird dieses anschließend vom Erwerber in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht, ist die Veräußerung als innergemeinschaftliche Lieferung dann umsatzsteuerfrei, wenn objektiv feststeht, dass der veräußerte Gegenstand unmittelbar nach der Veräußerung in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wurde.

Ein Kunsthändler (Kläger) hatte das Buch im Juli 2008 ersteigert und im selben Monat einen Anteil von 50% an eine Galerie in London verkauft. Der Galerist (Käufer) hatte das Buch in München abgeholt und es im Handgepäck nach London transportiert. Dort wurde das Buch begutachtet und ausgestellt. Im März 2010 verkaufte es die Galerie an eine amerikanische Sammlung. Im Mai 2010 verkaufte der Kläger die restliche Beteiligung am Buch an die Galerie. Das Finanzamt ging zunächst davon aus, dass in 2008 nicht nur ein Anteil am Werk veräußert, sondern Verfügungsmacht am gesamten Werk eingeräumt wurde, da das Buch zur Verwertung überlassen worden sei. Es verneinte die Steuerfreiheit, weil der notwendige Belegnachweis vom Kläger (nachweislich) nicht geführt wurde. Im Zuge des Klageverfahrens revidierte die Behörde ihre Sicht der Dinge und war fortan der Auffassung, dass es sich bei der Veräußerung der Miteigentumsanteile nicht um Lieferungen, sondern um sonstige Leistungen handele.

Miteigentum an einer Sache ist Gegenstand einer Lieferung und keine sonstige Leistung

Die Ansicht des Finanzamts fand vor den Gerichten keine Bestätigung. Wie schon zuvor das Finanzgericht sah auch der Bundesfinanzhof (BFH) in der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Buch eine Lieferung. Eine Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Danach können sowohl die Einräumung eines Besitzrechts an einem bebauten Grundstück als auch die eng damit verbundene Übertragung des Resteigentums an einen anderen Erwerber jeweils als Lieferung beurteilt werden (EuGH-Urteil vom 15. Dezember 2005 C-63/04, Centralan Property Ltd.). Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, so dass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition hat wie ein Eigentümer. Insofern, so der BFH weiter, handele es sich um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Hinsichtlich des buch- und belegmäßigen Nachweises stand das Vorliegen der Voraussetzungen für den BFH objektiv und unbestreitbar fest: Zum einen seien die Nachweispflichten keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Das Buch wurde ausweislich der Exportbestätigung vom Käufer im Handgepäck nach London gebracht, dort von einem Papierexperten begutachtet, in der Galerie von Februar bis Mai 2010 ausgestellt und schließlich von dort aus an eine amerikanische Sammlung verkauft. Da auch die Unternehmereigenschaft der Galerie und die Erwerbsbesteuerung in Großbritannien feststehen, liegen die Voraussetzungen der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vor.

Update (23. Mai 2019)

Die Auffassung des BFH, dass die Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Gegenstand als Lieferung zu beurteilen ist, wird nun vom Bundesfinanzministerium in Abschnitt 3.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses übernommen.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 18. Februar 2016 (V R 53/14), veröffentlicht am 6. April 2016

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