Generalanwalt hält Dividendenbesteuerung bei beschränkt steuerpflichtigen Pensionsfonds für unionsrechtswidrig

Vor dem Europäischen Gerichtshof ist die Klärung der Frage anhängig, ob die deutsche Dividendenbesteuerung bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Pensionsfonds gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Der Generalanwalt kommt in seinen heutigen Schlussanträgen zu der Auffassung, dass im zu entscheidenden Fall ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliege, der auch nicht durch die sogenannte Stillhalteklausel aufrechterhalten bzw. gerechtfertigt werden könne.

Hintergrund: Kläger ist ein kanadischer Pensionsfonds in der Rechtsform eines Common Law Trusts, der nach Auffassung des Finanzgerichts eine beschränkt steuerpflichtige Vermögensmasse gem. § 2 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) – also vergleichbar mit einem deutschen Pensionsfonds - ist. Der Trust ist wirtschaftlicher Eigentümer von Aktien an deutschen Aktiengesellschaften. In den Jahren 2007 bis 2010 erhielt der Trust Dividendenausschüttungen der deutschen Aktiengesellschaften, die - nach DBA-Erstattung - mit 15% Kapitalertragsteuer belastet sind (die Mindestbeteiligungsquote für die sogenannte Schachtelbefreiung nach Art. 10 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Kanada 2002 ist nicht erfüllt). Der Trust beantragte beim Finanzamt die Erteilung eines Freistellungsbescheids, um die Erstattung der verbliebenen 15% Kapitalertragsteuer zu erreichen. Nach Ablehnungsbescheid und erfolglosem Einspruchsverfahren macht der Pensionsfonds im Zuge seiner Klage geltend, dass er aufgrund der abgeltenden Wirkung des Kapitalertragsteuerabzugs gegenüber einem deutschen Pensionsfonds diskriminiert werde. Dieser unterliege zwar auch einer Körperschaftsteuer von 15%, könne aber bei der Berechnung seines zu versteuernden Einkommens die Bildung von Deckungsrückstellungen (§ 341f HGB), durch die die Pensionsansprüche der Versicherten bilanziell abgebildet werden, gewinnmindernd berücksichtigen. Das Finanzgericht München hatte den Fall dem EuGH vorgelegt (Entscheidung vom 23. Oktober 2017 - 7 K 1435/15).

Der Kernpunkt betrifft letztendlich auch die Frage, ob die – nach Auffassung des Finanzgerichts - an sich wohl zu bejahende unionsrechtliche Beschränkung aufgrund der sogenannten Stillhalteklausel gemäß Art. 64 Abs. 1 AEUV aufrechterhalten werden kann. Nach dieser Regelung kann die Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber Drittstaaten unter der Voraussetzung beschränkt werden, dass die beschränkende Rechtsvorschrift bereits am 31. Dezember 1993 bestanden hat und die Beschränkung darüber hinaus u. a. im Zusammenhang mit der „Erbringung von Finanzdienstleistungen“ im Sinne des Artikels 64 Abs. 1 AEUV steht.

Vollständige Anrechnung führt wegen unterschiedlichen steuerlichen Belastungen zu Ungleichbehandlungen

Der Generalanwalt (GA) geht in seinen Schlussanträgen von einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus. Begründung: Die Dividenden seien bei einem inländischen Pensionsfonds aufgrund der vollen Anrechnung auf die Körperschaftsteuer nahezu von jeder steuerlichen Belastung befreit, während der Steuerabzug für gebietsfremde Pensionsfonds eine endgültige Steuer darstellt, da die von ihnen in diesem Staat getragene effektive steuerliche Belastung im Zusammenhang mit den Dividenden höher ist als die Belastung, die gebietsansässigen Pensionsfonds auferlegt wird, was das vorlegende Gericht allerdings erst noch prüfen muss. Nach Dafürhalten des GA ergibt sich die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (die Ungleichbehandlung) nicht aus dem Abzug der Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen und somit unterschiedlichen Besteuerungstechniken, sondern aus der – nach der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erfolgenden – vollständigen Anrechnung bzw. der endgültigen steuerlichen Belastung beim beschränkt steuerpflichtigen Pensionsfonds.

Zur Frage, inwieweit der Abzug des Aufwands für die Bildung der Deckungsrückstellungen die Kapitalertragsteuer eines ausländischen Pensionsfonds reduzieren muss, vertritt der GA die Ansicht, dass die Deckungsrückstellungen grundsätzlich nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Dividendeneinnahmen stünden, da sie dem Grunde nach auch zu bilden seien, wenn der Pensionsfonds keine Gewinne erziele. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die Dividendeneinnahmen aber die Höhe der Rückstellungen beeinflussten, sei es Sache des vorlegenden Finanzgerichts zu ermitteln, welcher Teil der Rückstellungen deswegen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Dividenden steht.

Keine Kapitalbewegungen im Zusammenhang mit Erbringung von Finanzdienstleistungen

Die Stillhalteklausel hält der GA für nicht anwendbar, da die betreffenden deutschen KSt-Vorschriften zum Kapitalertragsteuereinbehalt bei beschränkt steuerpflichtigen Beziehern von Einkünften zwar seit dem 31. Dezember 1993 nicht grundlegend geändert worden sind, jedoch fallen die fraglichen Kapitalbewegungen (hier: die Zahlung von Dividenden an einen Pensionsfonds) nicht unter den Begriff der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne des Artikels 64 Abs. 1 AEUV.

Der Ausdruck „Kapitalverkehr … im Zusammenhang mit … der Erbringung von Finanzdienstleistungen“ im Sinne von Art. 64 Abs. 1 AEUV sei eng auszulegen und betreffe beschränkende Maßnahmen, die sich auf Kapitalbewegungen beziehen, die zur Erbringung von Dienstleistungen führen, nicht aber auf die erbrachten Dienstleistungen als solche. Nach Meinung des GA fehlt es am Kausalzusammenhang zwischen den Kapitalbewegungen und der Erbringung von Finanzdienstleistungen, da es um den direkten Erwerb von Beteiligungen durch einen Kapitalgeber geht, der seine Vermögenswerte diversifizieren und die Risiken besser verteilen will, um die Rückstellungen entsprechend zu sichern und um so seinen zukünftigen Pensionszahlungsverpflichtungen gegenüber den Mitgliedern nachkommen zu können.

Fundstelle

EuGH-Schlussanträge vom 5. Juni 2019 (C-641/17), College Pension Plan of British Columbia

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