Anwendung des § 129 AO bei Abgabe elektronischer Steuererklärungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die in seiner Rechtsprechung zu § 129 Abgabenordnung (AO) entwickelten Grundsätze auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen gelten.

Sachverhalt

Klägerin ist eine GmbH, die an einer anderen GmbH mit 50% beteiligt war und im Jahr 2013 von dieser zwei Ausschüttungen erhielt. Der Steuerberater der Klägerin hatte sowohl die Körperschaftsteuererklärung als auch den Jahresabschluss für das Jahr 2013 erstellt und elektronisch übermittelt.

Die Steuererklärung enthielt keine Angaben zu den Zeilen 44 ff. des Mantelbogens, die sich auf inländische Sachverhalte i.S. des § 8b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) beziehen. In der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des Streitjahres hatte die Klägerin u.a. "Erträge aus Beteiligungen, nach Rechtsform der Beteiligung nicht zuordenbar" in Höhe von 168.000 EUR erfasst.

Im Dezember 2014 reichte die Klägerin beim Finanzamt zwei Steuerbescheinigungen ein, wonach an die Klägerin Kapitalerträge i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), d.h. Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG (Gewinnanteile aus Anteilen an einer GmbH), ausgeschüttet worden sind.

Bei der Veranlagung im Jahr 2015 wurden die Gewinnausschüttungen der Tochter-GmbH bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Klägerin aufgrund der unterbliebenen Eintragungen in der Körperschaftsteuererklärung ohne Anwendung von § 8b KStG vom Finanzamt berücksichtigt.

Die Klägerin beantragte die Änderung der Bescheide nach § 129 oder § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben. Er stellt dabei klar, dass die von ihm in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 129 AO entwickelten Grundsätze auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen gelten.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts liege im Streitfall eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO vor. Die vom Steuerberater vergessene Eintragung der Gewinnausschüttungen stellt nach Ansicht des BFH keinen Rechtsfehler, sondern ein mechanisches Versehen dar, welches das Finanzamt übernommen hat. In der Folge liegt damit auch auf der Ebene des Finanzamts ein mechanischer Fehler vor (sog. doppelter mechanischer Fehler).

Da das Begehren der Klägerin bereits nach § 129 AO gerechtfertigt war, hat der BFH keine Entscheidung zu § 173 AO getroffen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22. Mai 2019, (XI R 9/18), veröffentlicht am 1. August 2019.

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