Vorzeitige Auflösung eines langfristigen Mietvertrags gegen Abfindungszahlung des Mieter

Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen vor, wenn ein Vermieter bei vorzeitiger Auflösung eines langfristigen Mietvertrags im Interesse des Mieters auf seine ihm zustehende vertragliche Rechtsposition gegen Zahlung einer Abfindung verzichtet.

Klägerin im entschiedenen Fall ist eine GmbH, deren Unternehmenszweck die Entwicklung des ehemaligen "X-Geländes" (Liegenschaft) an der Z-Straße in W ist. Die Tochtergesellschaften A, B und C- waren im Jahr 2008 (Streitjahr) als Organgesellschaften in das Unternehmen der Klägerin als Organträgerin i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert. A, B und C erwarben die Grundstücke der Liegenschaft durch notariellen Vertrag vom 14.10.2005 von verschiedenen Gesellschaften der X. Mit Vertrag vom selben Tag vermieteten A und B (Vermieterinnen) Teile der Liegenschaft unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG gegen Zahlung eines jährlichen Gesamtmietzinses in Höhe von … EUR zzgl. Umsatzsteuer an X zurück.


Der Mietvertrag war bis zum 31.12.2015 befristet. Die Vermieterinnen hatten dabei die Option, einseitig die Laufzeit des Mietvertrags bis zum 31.12.2017 zu verlängern, sofern für die gesamte Liegenschaft bis zum 31.12.2010 kein neuer verbindlicher Bebauungsplan bestimmten Inhalts zustande gekommen sein sollte. Eine vorzeitige Kündigung war nur aus wichtigem Grund möglich, wozu betriebliche Veränderungen im Konzern der X ausdrücklich nicht zählten.


Aufgrund betrieblicher Belange der X wurde mit Vertrag v. 16.10.2008 (Änderungsvertrag) die Laufzeit des Mietvertrags auf den 31.12.2010 verkürzt. Die X zahlte den dafür vereinbarten Abfindungsbetrag in Höhe von … EUR zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt … EUR, noch am 16.10.2008.


Die Klägerin behandelte die Abfindungszahlung der X in ihrer Umsatzsteueranmeldung als nicht steuerbar. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte das Finanzamt hinsichtlich der Abfindung zu der Auffassung, dass diese in Höhe des Nettobetrags von … EUR den Umsätzen zum Regelsteuersatz zuzuordnen sei. Grund: Der entgeltliche Verzicht der Vermieterinnen habe einen umsatzsteuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustausch begründet. Das Finanzamt setzte in Folge die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2008 dementsprechend fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos.


Der BFH wies die Revision der Klägerin ebenfalls als unbegründet. Richterliche Begründung: Bei der streitigen Abfindung handele es sich nicht um (echten) Schadensersatz, sondern um Entgelt gem. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung für steuerbaren und steuerpflichtigen Verzicht von A und B.

  • Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm – auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage – zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet.
  • Ein steuerbarer Verzicht liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter der Auflösung des Mietvertrags gegen Abfindungszahlung zustimmt und damit auf die weitere Durchführung des Mietvertrags verzichtet.
  • Dem entspricht auch die Verwaltungsauffassung. Entschädigungen an den Mieter oder Vermieter für die vorzeitige Räumung der Mieträume und die Aufgabe des noch laufenden Mietvertrags sind nach Abschn. 1.3 Abs. 13 Satz 1 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) nicht Schadensersatz, sondern Leistungsentgelt.
  • Die sonstige Leistung ist steuerpflichtig, wenn eine wirksame Option zur Steuerpflicht nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 UStG vorliegt. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze erfasst sowohl die Erfüllungsleistungen als auch die Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag.


Nach Auffassung der obersten Finanzrichter trifft die teilweise Meinung der Literatur nicht zu, dass der Mieter, der eine Abfindung an den Vermieter für dessen Bereitschaft leistet, den Mietvertrag vorzeitig aufzulösen, lediglich von einer Geldzahlungsverpflichtung befreit und ihm darüber hinaus kein verbrauchsfähiger Vorteil zugewendet wird.


Vielmehr wird der Mieter ohne Streitigkeiten aus dem Mietvertrag entlassen und entledigt sich mit Duldung des Vermieters seiner vertraglichen Pflichten in vollem Umfang. Infolge des vom Vermieter erbrachten Verzichts erlangt der eine Abfindung leistende Mieter seine ursprüngliche Rechtsposition vorzeitig wieder zurück. Dies geht über eine Befreiung von einer Geldzahlungsverpflichtung hinaus und reicht für die Zuwendung eines Vorteils aus, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts und zur Annahme einer sonstigen Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 S. 1 UStG führt.


Der Streitfall ist auch nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen die vorzeitige Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses auf einer (fristlosen) Kündigung des Vermieters bzw. Verpächters aufgrund eines vertragswidrigen Gebrauchs durch den Mieter bzw. Pächter beruht und der zu leistende Ersatz des Mietausfalls als (echter) Schadensersatz zu behandeln ist.


Die Abgrenzung zwischen einer umsatzsteuerbaren sonstigen Leistung einerseits und nicht umsatzsteuerbarem Schadensersatz andererseits ist unionsrechtlich durch die Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, hinreichend geklärt. Allein der Umstand, dass der EuGH einen Fall wie den vorliegenden noch nicht entschieden hat, rechtfertigt jedenfalls keine EuGH-Vorlage.


Fundstelle


BFH, Beschluss vom 22.5.2019, XI R 20/17, veröffentlicht am 19.9.2019.

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