Privates Veräußerungsgeschäft bei Verkauf zur Vermeidung der geplanten Anordnung eines Rückbaugebots

Eine steuerlich relevante „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die einem Angehörigen unentgeltlich überlassene Wohnung zeitweilig für wenige Nächte im Jahr als "Zufluchtsmöglichkeit" (mit-)nutzt.

Eine unter Zwang zustande gekommene Vermögensmehrung liegt nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung die zuständige Behörde zwar beabsichtigte, dem betroffenen Steuerpflichtigen ein Rückbaugebot aufzuerlegen, eine dahingehende Anordnung jedoch noch nicht unmittelbar bevorstand.


Sachverhalt


Die Klägerin erwarb 2006 eine etwa 100 qm große 3-Zimmer-Wohnung in der X-Straße in Z-Stadt zum Kaufpreis von 45.000 EUR zu Alleineigentum. Die Klägerin überließ das Objekt ihrer Tochter zur Nutzung, die der Klägerin für den Erwerb der Wohnung ein Darlehen in Höhe von 20.000 EUR gewährt hatte, und lediglich die Nebenkosten der Wohnung tragen musste; eine Mietzinsvereinbarung bestand nicht. Die Klägerin wohnte mit ihrem Mann in deren Eigentumswohnung in der Y-Straße.


Mit Notarurkunde vom 12.12. 2014 veräußerte die Klägerin diese Wohnung an die Stadt Z zum Kaufpreis von 90.000 EUR (Verkehrswert betrug 52.500 EUR lt. Gutachten v. 2012) zzgl. einer Umzugskostenpauschale i.H.v. 3.000 EUR sowie einer Pauschale für Vertragsnebenkosten über 7.000 EUR. Der Kaufpreis einschließlich der weiteren Gegenleistungen waren am 2.1.2015 zur Zahlung fällig, die Übergabe der Wohnung einschließlich des Übergangs von Nutzen und Lasten zum 31.7. 2015 vereinbart. Anlass des Immobilienerwerbs durch die Stadt Z war, dass das Hausgrundstück in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet lag und die Stadt plante, nach dem Erwerb sämtlicher in der Immobilie belegenen Wohnungen das Gebäude wegen nicht behebbarer Mängel abzubrechen.


Das Finanzamt ging in dem Einkommensteuerbescheid 2015 davon aus, dass die Klägerin durch den Verkauf der Wohnung in der X-Straße den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts verwirklicht und dabei einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 53.425 EUR (100.000 EUR Veräußerungserlös abzgl. 45.000 EUR Anschaffungskosten sowie 1.575 EUR Grunderwerbsteuer) erzielt habe und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf … EUR fest.


Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, mit Urteil v. 30.1.2018 (Az. 11 K 133/17) die Rechtsauffassung des Finanzamts bestätigt und lediglich weitere Anschaffungsnebenkosten beim Erwerb des Objekts X-Straße in 2006 berücksichtigt.


Richterliche Entscheidung


Als unbegründet wies auch der BFH die Revision der Klägerin zurück. Begründung: Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte u.a. private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt.


Ausgenommen von der Besteuerung sind nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.


Im Streitfall lag nach zutreffender Auffassung und nach umfassender Beweisaufnahme des Finanzgerichts keine Ausnahme von der Besteuerung vor.

  • Die Tatbestandsvoraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts sind erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
  • Die Klägerin hat die Wohnung X-Straße nicht „zu eigenen Wohnzwecken" genutzt, weil sie das Objekt ihrer Tochter unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat.
  • Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liegt nicht deshalb vor, weil die Klägerin die Wohnung X-Straße gelegentlich als Zufluchtsmöglichkeit genutzt hat, wenn die Situation mit ihrem alkoholkranken Ehemann in der gemeinsamen Wohnung Y-Straße „eskalierte".


Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf den Grund des Tätigwerdens des Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht an.


Die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts entfällt aber, wenn Veräußerung und Wiederanlage des Erlöses der freien Entschließung des Steuerpflichtigen entzogen sind und sich als Auswechslung von Wirtschaftsgütern – ohne wesentliche Besser- oder Schlechterstellung des Steuerpflichtigen – darstellen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Veräußerung eines Immobilienobjekts dem Steuerpflichtigen durch Hoheitsakt aufgezwungen wird, insbesondere durch den Zwang bevorstehender Enteignung, und der Steuerpflichtige in sachlichem Zusammenhang hiermit ein Ersatzobjekt anschafft. Für die Annahme eines solchen Zwangs setzt die Rechtsprechung einen strengen Beurteilungsmaßstab an.


Im Streitfall hat das Finanzgericht eine Zwangslage nach Würdigung aller Umstände verneint.

  • Die Klägerin war bei der Veräußerung des Objekts X-Straße nicht in einer die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts ausschließenden Zwangslage.
  • Die Klägerin hatte von sich aus während der langwierigen Verkaufsverhandlungen mit der Stadt Z frühzeitig erkennen lassen, dass sie zu einer Veräußerung der Wohnung bereit sei, sofern man ihre Kaufpreisvorstellung erfüllte.
  • Im weiteren Zuge der Verhandlungen hat die Klägerin die Stadt Z zu einer wiederholten Nachbesserung des Kaufangebots veranlasst.
  • Die Stadt Z hatte zwar im Zeitpunkt der Veräußerung der Wohnung X-Straße durch die Klägerin zwar beabsichtigt, den betroffenen Wohnungseigentümern ein Rückbaugebot aufzuerlegen. Eine dahingehende Anordnung stand jedoch noch nicht unmittelbar bevor.


Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.5.2019, IX R 6/18, veröffentlicht am 26.9.2019.

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