Update: Darlegungs- und Beweislastverteilung bei § 50d Abs. 9 EStG

In einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur Frage der Darlegungs- und Beweislastverteilung bei § 50d Abs. 9 (Einkommensteuergesetz) EStG entschieden. Das Gericht kam im Rahmen seiner summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige bereits seinen allgemeinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, sodass das Finanzamt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eines Falls von § 50d Abs. 9 EStG im Schätzwege annehmen durfte.

Sachverhalt

Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren 2012 bis 2015 in Deutschland Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie einen (durch das Finanzamt geschätzten und vom Antragsteller der Höhe nach nicht bestrittenen) Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Geschäftsanteile an einer inländischen GmbH.

Strittig und auch noch nicht abschließend aufgeklärt ist, ob der Antragsteller neben einem Wohnsitz in einem Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien auch einen Wohnsitz in Deutschland hatte und somit in Deutschland (auch) unbeschränkt steuerpflichtig war. Für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und den (geschätzten) Veräußerungsgewinn, die nach dem DBA-Jugoslawien in Deutschland grds. freizustellen wären, ist zudem strittig, ob für diese die Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG anwendbar ist und wer hierfür die Nachweise zu erbringen hat.

Der Antragsteller begehrte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die vom Finanzamt abgelehnt wurde. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Über die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 bis 2015 ist noch nicht entschieden worden.

Richterliche Entscheidung

Nach Auffassung des Gerichts sei es zwar sehr wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Wohnsitz in Deutschland habe, hierfür seien jedoch noch weitere Ermittlungen erforderlich. Dennoch gewährte das Finanzgericht weitgehend die Aussetzung der Vollziehung, wobei es diese von einer Sicherheitsleistung in Höhe der Hälfte des jeweils anzusetzenden Steuerbetrags abhängig machte.

Im Hinblick auf die etwaige Anwendung von § 50d Abs. 9 EStG hatte das Gericht indes keine rechtlichen Zweifel. Zwar trage das Finanzamt die Darlegungs- und Feststellungslast, dass einer der Fälle des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG vorliege. Allerdings werde der Amtsermittlungsgrundsatz in § 88 Abgabenordnung (AO) von der Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten gem. § 90 Abs. 1 AO verdrängt. Auf § 90 Abs. 2 AO komme es nach Auffassung des Finanzgerichts nicht mehr an.

Im Ergebnis müsse der Steuerpflichtige die besteuerungsrelevanten Tatsachen angeben und Unterlagen unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tatsachen oder Unterlagen für eine Aufklärung des Sachverhalts in der vom Steuerpflichtigen beherrschten Sphäre liegen. Für Zwecke des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG wären hier etwa entsprechende Steuererklärungen und Steuerbescheide vorzulegen. Notwendige Übersetzungskosten seien zudem angesichts der Höhe der (strittigen) Steuerbeträge nicht unverhältnismäßig.

Auch habe der Antragsteller weder dargelegt noch sei amtsbekannt, ob und wie die fraglichen Einkünfte im Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien besteuert werden. Daher müsse das Finanzamt auch nicht „ins Blaue“ hinein das ausländische Steuerrecht ermitteln, nur um zu prüfen, ob die Einkünfte möglicherweise allgemein nicht der Besteuerung unterliegen. Mangels Vorlage entsprechende Nachweise sei das Finanzamt nach § 162 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AO im Ergebnis im Wege der Schätzung berechtigt gewesen, vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG auszugehen.

Update (3. Oktober 2019)

Mit Beschluss vom 27. Februar 2019 hat der BFH der Beschwerde des Steuerpflichtigen stattgegeben und festgestellt, dass die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich bestimmter Teilbeträge nicht von der Leistung von Sicherheiten abhängig gemacht werden durfte.

Das Gericht stellte eine hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Steuerpflichtigen im eigentlichen Rechtsbehelfsverfahren fest, sodass das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen gegenüber dem Rechtschutzinteresse des Steuerpflichtigen zurücktreten müsse. Einen hinreichenden Grund für die Anwendung der Rückfallklausel in § 50d Abs. 9 EStG sah das Gericht nicht. Eine – hier vorliegende – Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten (Nichtvorlage der ausländischen Steuererklärungen und Steuerbescheide) wurde als nicht ausreichend erachtet, eine Besteuerung in Deutschland vorzunehmen. Die gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die streitigen Einkünfte im Ausland nicht erklärt und besteuert wurden, sah das Gericht als unerheblich an. Als Grund führte das Gericht an, dass die Ursache der Nichtbesteuerung im DBA liegen muss, also im ersten Schritt ein Fall des § 50d Abs. 9 EStG einschlägig sein muss.

Fundstelle

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Juli 2018 (3 V 3099/18); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I B 58/18 anhängig.

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