Update: § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz ist auch bei Zinszahlungen im Lichte des Gemeinschaftsrechts einzuschränken

Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln ist § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007, insoweit er eine abkommensrechtlich gebotene Quellensteuerreduktion für Zinserträge versagt, unionsrechtswidrig und daher geltungserhaltend zu reduzieren.

Sachverhalt:

Geklagt hatte eine auf Zypern ansässige Kapitalgesellschaft. Die Klägerin war an einer im Inland ansässigen AG unmittelbar zu 15% beteiligt und hatte an Letzterer zudem Wandelanleihen gezeichnet. Die Wandelschuldverschreibung wurde mit 5,5% p.a. verzinst. Geschäftszweck der zypriotischen Kapitalgesellschaft war es, Beteiligungen an Unternehmen der Schifffahrtsbranche für eine gewisse Dauer als strategischer oder finanzieller Investor zu erwerben und zu halten. Die diesbezüglichen Managementleistungen hatte sie indes auf eine andere (nahestehende und wirtschaftlich tätige) zypriotische Kapitalgesellschaft ausgelagert und nutzte darüber hinaus deren Räumlichkeiten.
Im Kern war die Besteuerung von Kapitalerträgen aus Wandelanleihen als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte strittig. Für die Streitjahre 2010 und 2011 wurde Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag auf aus den Wandelanleihen resultierenden Kapitalerträge einbehalten. Die Klägerin begehrte auf Basis des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Zypern die (teilweise) Erstattung der einbehaltenen Steuern. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) lehnte die Anträge auf Erstattung der Kapitalertragsteuer unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wurde Klage erhoben.

Entscheidungsgründe:

Nach Auffassung des Finanzgerichts waren die Kapitalerträge aus Wandelanleihen zwar grundsätzlich als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren. Für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht kam es indes nicht auf einen Inlandsbezug i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe c) Doppelbuchstabe aa) EStG (Besicherung durch inländischen Grundbesitz etc.) an, da die Erträge aus Wandelanleihen durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a) EStG zu subsumieren waren und gem. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG der Kapitalertragsteuer unterlagen. Hierbei stützte sich das Gericht zudem auf die Gesetzessystematik und die Historie der in Rede stehenden Vorschrift.

Abkommensrechtlich waren die Kapitalerträge als „Zinsen“ i.S.d. Art. 11 Abs. 4 DBA-Zypern 1974 anzusehen und die Kapitalertragsteuer nach Art. 11 Abs. 2 auf 10 % zu reduzieren.

Diese Entlastung konnte nach Auffassung des Finanzgerichts auch nicht durch § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007 versagt werden, da deren Anwendung europarechtliche Bedenken entgegenstehen. Im vorliegenden Fall sei die Kapitalverkehrsfreiheit und nicht die Niederlassungsfreiheit einschlägig. Denn bei Wandelanleihen handele es sich um Geldanlagen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen wird. Die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG hätte eine nicht gerechtfertigte Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit nach sich gezogen. Dies führe in der Folge aber nicht dazu, dass die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007 überhaupt nicht mehr anzuwenden sei. Vielmehr müsse sie im Lichte der europäischen Grundfreiheiten geltungserhaltend ausgelegt werden.
Wie der EuGH mit Blick auf die streitgegenständliche Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG bereits ausgeführt hatte (vgl. Rs. Deister Holding), müsse dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt werden. Bei einer (vermögensverwaltenden) Gesellschaft könne infolge der EuGH-Rechtsprechung in der Rs. Deister Holding im vorliegenden Fall nicht von einer missbräuchlichen Gestaltung ausgegangen werden, da aufgrund der Dauerhaftigkeit und Funktion der Gesellschaft und bei einer im selben Staat ansässigen aktiven Konzerngesellschaft keine rein steuerlichen Beweggründe für den Bezug der Kapitalerträge vorlägen.

Insoweit sei das Verbot der Merkmalsübertragung i.S.d. § 50d Abs. 3 S. 2 EStG geltungserhaltend einzuschränken und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, wirtschaftliche Gründe vorzubringen.

Update (23. Mai 2022)

Der BFH hat mit Urteil vom 10. November 2021, I R 27/19, entschieden, dass bei der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes vom 02. Juni 2021 eine Günstigerprüfung durchzuführen ist, bei der zunächst die Voraussetzungen der Altfassung und wenn diese zum Ausschluss der Entlastung führt, sodann die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG n.F. zu prüfen sind und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Update (22. Oktober 2019)

Die Revision wurde eingelegt und ist beim BFH unter dem Az. I R 27/19 anhängig.

Fundstelle

Finanzgericht Köln, Urteil vom 23. Januar 2019 (2 K 1315/13); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 27/19 anhängig.

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