Update: Gewinnmindernde Berücksichtigung von endgültig nicht zum Abzug zugelassenen Vorsteuerbeträgen
Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass ein bilanzierender Steuerpflichtiger eine Rückstellung für Gewinnminderung aufgrund von Vorsteuerbeträgen, die endgültig nicht zum Abzug zugelassen wurden, erst zu dem Bilanzstichtag bilden kann, zu dem er mit der Aufdeckung rechnen muss.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ihr Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Im Jahr 2013 führte das Finanzamt bei ihr eine Betriebsprüfung der Jahre 2009 bis 2011 durch.
Bereits vor dem Beginn der Betriebsprüfung wurde ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin eingeleitet, da der Verdacht der bewussten Teilnahme an einem Umsatzsteuerkarussell bestand. Grundlage dieses Verdachts war u.a. die Verurteilung eines Geschäftspartners der Klägerin wegen seiner Rolle in einem bereits aufgedeckten Umsatzsteuerkarussell.
Die vom verurteilten Geschäftspartner in seinen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer hatte die Klägerin als Vorsteuer geltend gemacht. Die Betriebsprüfung vertrat die Auffassung, dass die Klägerin die in diesen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht als Vorsteuer hätte abziehen dürfen. Eine von der Klägerin beantragte entsprechende Gewinnminderung für die Prüfungsjahre 2010 und 2011 wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass die nicht anerkannten Vorsteuern frühestens im Jahr der aufdeckungsorientierten Maßnahmen, also 2013, gewinnmindernd zu berücksichtigen seien. Auch Rückstellungen für Nachzahlungszinsen gem. § 233a Abgabenordung (AO) seien, entgegen der Auffassung der Klägerin, für die Jahre 2009 und 2010 nicht zu bilden.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Münster hat die hiergegen gerichteten Klage als unbegründet abgewiesen. Eine gewinnmindernde Rückstellung könne erst im Jahr der aufdeckungsorientierten Maßnahme gebildet werden.
Wie das Finanzgericht ausführt, können keine Rückstellungen für Nachzahlungszinsen für die Jahre 2009 und 2010 gebildet werden, da zu den Bilanzstichtagen dieser Wirtschaftsjahre keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob, wann und in welcher Höhe künftig Nachzahlungszinsen gezahlt werden müssen, weil die Entstehung und die Höhe von Nachzahlungszinsen von Zeitpunkt und Inhalt künftiger Steuerfestsetzungen abhängt, die zu diesem Zeitpunkt nicht prognostizierbar sind.
Weiterhin handelt es sich bei den Nachzahlungszinsen um Verbindlichkeiten, deren wesentliche Voraussetzung der Ablauf eines bestimmten Zeitraums ist, nämlich des Zeitraums zwischen dem Ende des 15. Monats nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, und dem Zeitpunkt der Fälligkeit der durch die Steuerfestsetzung konkretisierten Steuerschuld (§ 233a Abs. 2 Sätze 1 und 3 AO). Dieser Zeitraum liegt denknotwendig nach dem Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, so dass der Anspruch auf Nachzahlungszinsen nicht schon vor diesem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein kann.
Die nichtanerkannten Vorsteuerbeträge können in den Streitjahren weder als Betriebsausgaben (erhöhte Anschaffungskosten) noch als Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen berücksichtigt werden. Die Bildung einer entsprechenden Rückstellung kann erst zu dem Bilanzstichtag erfolgen, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung des zu den Mehrsteuern führenden Sachverhalts rechnen muss. Entscheidend ist hier das Tatbestandsmerkmal der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme“. Eine Rückstellungsbildung im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung, im Streitfall in den Jahren 2009 und 2010, komme damit nicht in Betracht.
Frühestens im Jahr der „aufdeckungsorientierte Maßnahme“, also 2013, darf nach Auffassung des Finanzgerichts die Bildung der Rückstellung erfolgen, da erst dann eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme gegeben sei.
Update (5. Dezember 2019)
Die Revision war zugelassen, wurde jedoch nach Auskunft des Finanzgerichts nicht eingelegt. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 20. August 2019 (12 K 2903/15 G, F); rkr.