Zur steuerlichen Beurteilung sog. außerorganschaftlicher Mehrabführungen

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat in einem aktuellen Urteil zu Mehrabführungen Stellung genommen, die im Rahmen einer Umwandlung bei einer Organgesellschaft entstehen. Die Regelung zu vororganschaftlichen Mehrabführungen soll dabei keine Anwendung finden.

Sachverhalt

Im Streitfall wurden zwei Tochtergesellschaften im Weg einer Aufwärtsverschmelzung auf ihre Mutter (eine Organgesellschaft) verschmolzen. Während die beiden Tochtergesellschaften beantragten, die bei der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz gemäß § 11 Abs. 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) mit dem Buchwert anzusetzen, kam es in der Handelsbilanz zur Aufdeckung der stillen Reserven.

Die sich aus der Differenz zwischen dem handelsbilanziellen und dem steuerbilanziellen Ansatz ergebende Mehrabführung behandelte die Klägerin (die Organträgerin) als organschaftlich im Sinne von § 14 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und bildete in ihrer Steuerbilanz einen besonderen passiven Ausgleichsposten in gleicher Höhe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 KStG). Bei der Organgesellschaft wurde das Einlagekonto entsprechend gemindert (§ 27 Abs. 6 KStG).

Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass es sich bei der Mehrabführung nach Rn. Org 33 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011 (Umwandlungssteuererlass 2011) um außer- bzw. vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen handele, die als Gewinnausschüttungen an den Organträger zu behandeln seien, § 14 Abs. 3 S. 1 KStG.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gab der hiergegen gerichteten Klage statt und entschied, dass § 14 Abs. 3 S. 1 KStG auf Mehrabführungen, die sich daraus ergeben, dass im Rahmen einer Verschmelzung die übergehenden Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz der übernehmenden Organgesellschaft nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG mit den Buchwerten, handelsbilanziell jedoch nach § 24 UmwG mit den Verkehrswerten angesetzt werden, keine Anwendung finden soll.

Eine vororganschaftliche Mehrabführung im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG liegt vor, wenn die Mehrabführung ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit hat. Vororganschaftlich ist die Zeit, die mit Beginn des ersten Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft endet, für das das Organschaftsverhältnis erstmals gilt. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Ursache der Mehrabführung ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Ereignis eintritt, auf dem der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der Vermögensmehrung in der Steuerbilanz beruht. Maßgeblich ist nicht die unmittelbare, sondern die der Mehrabführung letztlich zugrundeliegende Ursache. Der Geschäftsvorfall, auf den die Differenz zwischen handelsbilanziellem Jahresüberschuss und Steuerbilanzgewinn zurückgeht, muss demnach erstmalig in einer Handels- bzw. Steuerbilanz vor Wirksamwerden des Ergebnisabführungsvertrags zu bilanzieren gewesen sein.

Das Finanzgericht hat sich der ganz überwiegenden Literaturauffassung (u.a. Brink, in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Auflage, § 14, Rn. 1269) angeschlossen, entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung, die das Tatbestandsmerkmal „vororganschaftlich“ nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht verstehen will. Die in Rn. Org. 33 des Umwandlungssteuererlasses 2011 vertretene Rechtsansicht ist nach Auffassung des Finanzgerichts durch den Wortlaut des § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG nicht mehr gedeckt und auch mit dem Sinn und Zweck der Norm nicht vereinbar.

Insbesondere kann nach Ansicht des Finanzgerichts der Argumentation der Finanzverwaltung nicht gefolgt werden, die zur Mehrabführung führende Bewertungsdifferenz zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz sei insofern „in vororganschaftlicher Zeit“ verursacht, als sie auf stillen Reserven beruhe, die bereits bei der übertragenden Gesellschaft und damit außerhalb des Organschaftsverhältnisses entstanden seien. Denn damit werde übersehen, dass die bloße Existenz von stillen Reserven, die sich weder handels- noch steuerbilanziell bei der übertragenden Gesellschaft ausgewirkt haben, keine der Mehrabführung zugrundeliegende Ursache im Sinne von § 14 Abs. 3 KStG darstellen kann. Da eine Mehrabführung aus der Differenz zwischen (höherem) handelsbilanziellem Jahresüberschuss und (niedrigerem) Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft resultiert, setzt eine solche Ursache vielmehr eine „umgekehrte“ Differenz bei der übertragenden Gesellschaft, also ein Abweichen von (niedrigerem) handelsbilanziellem Jahresüberschuss und (höherem) Steuerbilanzgewinn „in vororganschaftlicher Zeit“, voraus. Anderenfalls würde der Zweck des § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG verfehlt, Gewinne, die in organschaftlicher Zeit an den Organträger abgeführt werden, aber bereits in vororganschaftlicher Zeit der Besteuerung unterlagen, der Dividendenbesteuerung beim Organträger zuzuführen

Fundstelle

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. September 2019 (1 K 1418/18 E), die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 51/19 anhängig.

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