Erwerb der Möglichkeit der Erlangung von Belieferungsrechten ist als Firmenwert anzusehen
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bei Erwerb eines Pressegrossisten der über die Teilwerte der materiellen Wirtschaftsgüter hinaus gezahlte Kaufpreis (Mehrpreis) nicht für den Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts „Belieferungsrechte“ erfolgt, sondern als Aufwendung für einen Geschäfts- oder Firmenwert anzusehen ist, der gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG über 15 Jahre abzuschreiben ist.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Pressegrossist in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, hatte im Streitjahr 2010 einen anderen Pressegrossisten, ebenfalls in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, aufgekauft und einen nicht unerheblichen Mehrpreis für diesen Erwerb gezahlt. Da der erworbene Betrieb zunächst fortgeführt wurde, wurde der Mehrwert in einer Ergänzungsbilanz für die Klägerin eingestellt und als „Lieferantenstamm“ über einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschrieben.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam das Finanzamt zu dem Schluss, dass der gezahlte Mehrpreis nicht dem selbständigen Wirtschaftsgut „Lieferantenstamm“ zugeordnet werden könne, sondern dass es sich um einen Geschäfts- und Firmenwert handele, der über 15 Jahre abzuschreiben sei.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass der bei Erwerb der Firma über die Teilwerte der materiellen Wirtschaftsgüter hinaus gezahlte Kaufpreis nicht als eigenständiges abnutzbares Wirtschaftsgut „Lieferantenbeziehungen zu den Verlagen" abzuschreiben sei, denn der Wert eines Unternehmens bestehe nicht nur aus den Einzelwerten der Wirtschaftsgüter abzüglich der Verbindlichkeiten, sondern auch aus dessen gutem Ruf und den daraus resultierenden Gewinnaussichten.
Diese immateriellen Faktoren würden bei gewerblichen Unternehmen bilanziell durch den „Firmen- oder Geschäftswert" erfasst. Für die steuerbilanzielle Einordnung des Kaufpreises sei im vorliegenden Fall auf die Besonderheit des gebietsbezogenen Alleinbelieferungsrechts eines Pressegrossisten nach dem geltenden Grosso-System abzustellen.
Mit der Übernahme des Unternehmens habe die Klägerin nicht nur einen (Mit-)Wettbewerber ausgeschaltet und dessen Lieferbeziehungen mit den Verlagen übernommenen, vielmehr sei das Unternehmen „Grossist" als solches erworben worden. Dazu gehörten zum einen die übernommenen Lieferbeziehungen zu den Verlagen und zum anderen die exklusiven Belieferungsmöglichkeiten für die Produkte der Verlage gegenüber den Zeitschriftenhändlern im übernommenen Vertriebsgebiet, mithin die geschäftswertbildenden Faktoren eines Grossisten.
Eine gesonderte Übertragung der Lieferbeziehungen zu den Verlagen als selbstständig veräußerbare immaterielle Wirtschaftsgüter wäre nicht möglich gewesen.
Dagegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Klage. Da der Erwerb von vornherein mit der Absicht erfolgt sei, den Standort der erworbenen Firma zu schließen und diese zu liquidieren, habe sie sich durch den Erwerb nicht die Betriebs- und Organisationsstruktur des lebenden Unternehmens zunutze gemacht.
Sofern der Erwerber beabsichtige, das übernommene Unternehmen stillzulegen, seien die Erwerbsaufwendungen nicht Anschaffungskosten eines Geschäfts- oder Firmenwertes. Es handele sich daher um Aufwendungen für den Erwerb der Lieferbeziehungen mit den Verlagen, weil nur durch den Erwerb und die Stilllegung des anderen Pressegrossisten die Möglichkeit bestanden habe, das vormalige Vertriebsgebiet dieses Unternehmens von den Verlagen mit den von diesen hergestellten Presseerzeugnissen beliefern zu lassen.
Die entgeltlich erworbenen Lieferbeziehungen zu den Verlagen entsprächen wirtschaftlich entgeltlich erworbenen isolierten Kundenbeziehungen und seien damit ebenso wie ein Kundenstamm zu betrachten, welche der Abnutzung unterlägen.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Schleswig-Holstein ist den Ausführungen der Klägerin nicht gefolgt.
Mit dem Erwerb des Unternehmens, welches genau wie die Klägerin als Pressegrossist tätig war, verfolgte die Klägerin das Ziel, ihre Tätigkeit auf das Vertriebsgebiet der erworbenen Firma zu erweitern und sich die Alleinbelieferungsrechte in diesem Vertriebsgebiet zu sichern.
Eine Alleinbelieferung der in dem Vertriebsgebiet ansässigen Einzelhändler konnte nur erfolgen, sofern die Verlagsunternehmen der Klägerin für das entsprechende Vertriebsgebiet vertraglich die Belieferungsrechte erteilten. Die mit den Verlagen vereinbarten Rechte gingen nicht automatisch mit dem Erwerb auf die Klägerin über, sondern die Klägerin war gehalten, mit jedem Verlag das Recht zum Vertrieb der jeweiligen Verlagserzeugnisse in dem Vertriebsgebiet neu auszuhandeln.
Damit wurden allenfalls die dem erworbenen Unternehmen als Pressegrossist anhaftenden Belieferungsmöglichkeiten erworben, welche im Wesentlichen die Umsatz- und Gewinnchancen des Unternehmens enthalten, die zu den geschäftswertbildenden Faktoren eines Pressegrossisten zählen.
Es lagen auch keine vom vormaligen Unternehmensinhaber übernommenen „Kundenbindungen“ (weder zu den Zeitschriftenhändlern noch zu den Verlagen) vor, die hätten übernommen werden können. Vielmehr bedurfte es zwingend der ausdrücklichen Neubegründung bzw. Erweiterung der Lieferbeziehungen mit den Verlagen für das entsprechende Liefergebiet.
Das Finanzgericht entschied darum, dass der Mehrpreis nicht für den Erwerb eines eigenständigen abnutzbaren immateriellen Wirtschaftsguts, sondern für den dem Unternehmen innewohnenden Geschäfts- oder Firmenwert gezahlt wurde.
Die Revision ließ das Finanzgericht nicht zu.
Fundstelle
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Juni 2019 (5 K 189/18), siehe den Newsletter des Finanzgerichts; die Revision hat das Finanzgericht nicht zugelassen.