Zur Rückwirkung und zu den Voraussetzungen einer berichtigenden Rechnung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unabhängig davon gilt, ob die Berichtigung zum Vorteil oder zum Nachteil des Leistungsempfängers wirkt. Auch der Stornierung einer Rechnung nebst Neuausstellung einer sie ersetzenden Rechnung kann eine solche Rückwirkung zukommen.
Sachverhalt
Die Klägerin war Organträgerin einer GmbH, die einen Bioenergiepark errichten ließ. Die GmbH beauftragte die A, zum Pauschalfestpreis zuzüglich Umsatzsteuer Leistungen zur starkstromtechnischen Erschließung des Parks zu erbringen. Geschuldet waren Planung, Lieferung und Montage der Eigenbedarfsversorgung sowie der Energieabführung.
Außerdem beauftragte sie die B damit, die Netzwerkverkabelung vorzunehmen sowie Leistungen zum Überspannungsschutz der Trafostationen und der Module zu erbringen. Sowohl A als auch B rechneten gegenüber der GmbH einschließlich Umsatzsteuer ab und entrichteten diese an das zuständige Finanzamt. Die Klägerin machte diese Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Leistungen der A und der B um Bauleistungen handele, auf die § 13b Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) anzuwenden sei, so dass der Klägerin ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Subunternehmer der GmbH nicht zustehe.
A erteilte der GmbH eine Gutschrift (brutto) und berechnete am gleichen Tag ohne Umsatzsteuer unter Hinweis auf § 13b UStG. B berichtigte die Rechnungen ebenfalls und rechnete jeweils mit Hinweis auf § 13b UStG ohne Umsatzsteuer für den Überspannungsschutz sowie für die Netzwerkverkabelung ab. Außerdem verpflichtete sie sich, der GmbH die vom Finanzamt zurückzuzahlende Umsatzsteuer zu erstatten. Auf dieser Grundlage erhielt die Klägerin die in den ursprünglichen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer der Subunternehmer der GmbH zurück.
Das Sächsische Finanzgericht gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, dass es sich bei den Leistungen der A und der B nicht um Leistungen mit Bauwerksbezug i.S. des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG a.F. handele. Die ursprünglichen Rechnungen seien richtig gewesen; sie seien nicht rückwirkend durch die berichtigenden Rechnungen ersetzt worden.
Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision ein.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision des Finanzamtes stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz im Umfang der Anfechtung aufgehoben.
Die ursprünglichen Rechnungen der A und der B weisen Umsatzsteuer offen aus. Die Klägerin ist nach Ansicht des Finanzgerichts auch zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Umsatzsteuer gesetzlich geschuldet wurde. Der BFH konnte offenlassen, ob er dem folgen könnte, denn die Rechnungen von B und von A, die als berichtigende Rechnungen i.S. von Art. 219 MwStSystRL anzusehen sind, entfalten Rückwirkung auf das Streitjahr.
Nach Rechtsprechung des EuGH können Rechnungen, die fehlende oder fehlerhafte Angaben aufweisen, mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung berichtigt werden (EuGH-Urteil Senatex vom 15. September 2016 - C-518/14,). Diese Rückwirkung gilt unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vorteil oder Nachteil des Steuerpflichtigen wirkt.
Überdies hat der EuGH entschieden, dass eine Berichtigung dadurch erfolgen kann, dass der Rechnungsaussteller die ursprüngliche Rechnung storniert und eine Neuausstellung der Rechnung vornimmt (EuGH-Urteil Pannon Gep Centrum vom 15.07.2010 - C-368/09). Voraussetzung für eine Berichtigung von Rechnungen ist des Weiteren, dass sich aus dem Berichtigungsdokument ein Bezug auf die zu berichtigende Rechnung ergibt. Dies geschieht regelmäßig durch die Angabe der fortlaufenden Nummer dieser ursprünglichen Rechnung.
Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) ist es möglich, eine Rechnung zu berichtigen, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
Der BFH hat mit Urteil vom 19.06.2013 - XI R 41/10 entschieden, dass --wie auch die Vorinstanz angenommen hat-- die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung voraussetzt, dass die zu berichtigende Rechnung falsche oder unvollständige Angaben enthält, die einer Berichtigung zugänglich wären. Der BFH kann nach erneuter Überprüfung im Lichte des Art. 219 MwStSystRL im Streitfall offenlassen, ob an dieser Sichtweise in vollem Umfang festzuhalten ist.
Jedenfalls dann, wenn der offene Steuerausweis in der Rechnung später vom leistenden Unternehmer im Einvernehmen mit dem Leistungsempfänger geändert wird und der leistende Unternehmer im Rahmen der Änderung der Rechnung die vom Leistungsempfänger gezahlte, in der Rechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer an ihn zurückzahlt, liegt eine mit der Berichtigung eines "unzutreffend" angegebenen Steuerbetrags (§ 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV) vergleichbare Lage vor, die eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen Rechnung rechtfertigt.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 22. Januar 2020 (XI R 10/17), veröffentlicht am 28. Mai 2020.