Update: Keine steuerpflichtige Sachausschüttung durch Zuteilung von Aktien beim „Spin-off“?
Die Aktionäre der Hewlett-Packard Company haben nach zwei Urteilen des Finanzgerichts Düsseldorf durch die Ausgabe der Aktien der Hewlett-Packard Enterprise Company keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt.
Hintergrund und Sachverhalt: Abspaltungen (Spin-Offs) oder Aktienteilungen (Splits) ausländischer Unternehmen bereiten deutschen Anlegern oft steuerliche Probleme - aktuell war der US Konzern Hewlett-Packard betroffen: Die Hewlett-Packard Company (HPC) führte im Jahr 2015 eine Kapitalmaßnahme durch. Zum 31. Oktober 2015 änderte sie ihren Namen in Hewlett-Packard Incorporated (HPI). Anschließend übertrug sie zum 01. November 2015 ihr Unternehmenskundengeschäft im Wege eines so genannten „Spin-offs“ auf eine Tochtergesellschaft, die Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE). Die Aktionäre erhielten für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten Gesellschaft HPI und zusätzlich eine Aktie der HPE. Für die Aktie der HPI wurde von einer internationalen Agentur eine neue internationale Wertpapiernummer (ISIN) erteilt.
Der Kläger war Aktionär der HPC. Seine depotführende Bank behielt auf die Ausgabe der Aktien der HPE Kapitalertragsteuer ein. Der Kläger machte geltend, dass die von seiner Bank ausgestellte Steuerbescheinigung unzutreffend sei. Der Vorgang sei ein steuerfreier Aktiensplit. Das Finanzamt hielt die Besteuerung der Aktienzuteilung als steuerpflichtige Sachausschüttung für zutreffend. Dabei verwies es auf eine explizit zur Kapitalmaßnahme von Hewlett-Packard Co.ergangene Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben vom 20. März 2017).
Urteil: Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist die Zuteilung der Aktien der HPE kein steuerpflichtiger Vorgang. Anzuwenden seien die einkommensteuerrechtlichen Sondervorschriften für Kapitalmaßnahmen. Der von der HPI durchgeführte „Spin-off“ sei eine Abspaltung im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 Einkommensteuergesetz (EStG). Diese Abspaltung löse im Zeitpunkt der Zuteilung der Aktien keine Besteuerung aus, da die übernommenen Anteile unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile treten. Das Gericht fingiert hier über die Vorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 7 in Verb. mit Satz 1 EStG eine Fortführung der Anschaffungskosten.
In seiner Urteilsbegründung hat das Gericht ausführlich zu dem Begriff der „Abspaltung“ Stellung genommen. Dabei hat es der Verwaltungsanordnung der Finanzverwaltung widersprochen, wonach bei einer Abspaltung von einem nicht im EU/EWR-Raum ansässigen Unternehmen die ISIN des abspaltenden Unternehmens erhalten bleiben müsse. Die Vergabe einer neuen ISIN für die lediglich umbenannte Gesellschaft hielt das Gericht für unschädlich. - Für die Richter stellt sich der Fall wie folgt dar: Die HPC/HPI habe Vermögen auf die HPE und ihre Anteile an der HPE auf ihre Aktionäre übertragen, mit der Folge, dass diese im gleichen Verhältnis an der HPI und an der HPE beteiligt waren. Die HPC selbst hat als eigenständiges Rechtssubjekt fortbestanden und sich lediglich in HPI umbenannt. Der Rechtstypenvergleich falle ebenfalls positiv aus. Sowohl bei der HPC/HPI als auch bei der HPE handelt es sich um einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbare Gesellschaftsformen. Schließlich sei auch das Recht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt.
Die Richter wiesen außerdem darauf hin, dass die Aktienzuteilung zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich relevant werden könne. Eine abschließende steuerrechtliche Beurteilung des Vorgangs sei bei der Veräußerung der betreffenden Aktien vorzunehmen.
Weiterreichende Folgen? Nach Meinung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts Düsseldorf, Harald Junker, dürfte „die Frage, welche steuerlichen Folgen der ‚Spin-off‘ der Hewlett-Packard Incorporated im Jahr 2015 hat, auch für Kapitalmaßnahmen anderer Gesellschaften und damit für eine Vielzahl von Aktionären von Bedeutung sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung wegen der Abweichung von besagtem BMF-Schreiben vom 20. März 2017 die vom Finanzgericht zugelassene Revision einlegen wird.“
Update (9. Juli 2019)
Das Urteil 13 K 2119/17 E des Finanzgerichts Düsseldorf ist rechtskräftig. Die Revision gegen das Urteil 13 K 1762/17 E ist beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Az. VIII R 9/19 anhängig.
Update (23. Januar 2020)
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz ist in seinem Urteil 1 K 2295/17 vom 21. August 2019 den Urteilen 13 K 2119/17 E und 13 K 1762/17 E des Finanzgerichts Düsseldorf gefolgt und hat ebenfalls entschieden, dass der im Oktober/November 2015 bei Hewlett Packard (HP) durchgeführte "spin off" nach deutschem Steuerrecht eine Abspaltung auf eine andere Körperschaft im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG darstellt, der bei inländischen HP-Aktionären nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt.
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. VIII R 28/19 anhängig.
Update (30. Juni 2020)
Das Finanzgericht München hat sich im Urteil vom 19. Dezember 2019, 8 K 981/17, den Urteilen 13 K 2119/17 E und 13 K 1762/17 E des Finanzgerichts Düsseldorf sowie dem Urteil 1 K 2295/17 des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz angeschlossen und einen "spin off" nach US-amerikanischem Gesellschaftsrecht als eine Abspaltung im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG beurteilt, die gemäß dieser Vorschrift in Verbindung mit § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG beim inländischen Gesellschafter der übertragenden US-Kapitalgesellschaft nicht zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führt.
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. VIII R 6/20 anhängig.
Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2019 (13 K 1762/17 E); die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 9/19 anhängig
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2019 (13 K 2119/17 E); Pressemitteilung vom 2. April 2019; rkr.