Update: Unbeschränkte Steuerpflicht bei Doppelansässigkeit

Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, wird die sogenannte tie­-breaker-rule gemäß Artikel 4 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens angewendet, damit nur einer der beiden Staaten als Ansässigkeitsstaat nach dem Doppelbesteuerungsabkommen gilt. Der andere Staat muss dann zurücktreten und gilt als Quellenstaat. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in einem Urteil zur Frage der Doppelansässigkeit nähere Ausführungen gemacht.

Im Streitfall ging es um einen Steuerpflichtigen (Kläger), der sowohl im Inland als auch in Rumänien einen Wohnsitz hatte, sein Lebensmittelpunkt befand sich in Rumänien. Seine im Inland erzielten Einkünfte aus Gewerbetrieb, selbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verschiedener Objekte erklärte er beim deutschen Finanzamt im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige. Eine beschränkte Steuerpflicht sieht auch das Finanzgericht als gegeben. Dies hat zur Folge, dass seine in Rumänien erzielten Einkünfte nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Das Finanzgericht hat die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht beziehungsweise der Ansässigkeit im Sinne von Rumänien gelöst, weil sich dort der Lebensmittelpunkt des Klägers befinde (Artikel 4 Abs. 2 a DBA-Rumänien).

Im Kern ging es in dem Urteil jedoch um eine andere Frage, nämlich ob der Kläger für seine diversen Immobilien eine Einkünfteerzielungsabsicht hatte, so dass er den Werbungskostenabzug in Anspruch nehmen kann. Insofern waren die Finanzrichter zur tatsächlichen Beweisaufnahme aufgerufen, die entscheidungserheblichen Fragen lagen mithin auf tatsächlichem Gebiet. Deswegen wurde die Revision zum BFH nicht zugelassen, wohingegen jedoch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde.

Sollte der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben werden und es zu einer Entscheidung des BFH kommen, wird sich dieser folglich mit der Frage befassen, ob ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht führt, wenn auch im Ausland ein Wohnsitz unterhalten wird und sich dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Der BFH hatte zuletzt in einem Beschluss vom 25. Mai 2016 (I B 139/11) – zwar in anderer Sache (nämlich zur Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 Satz 1 Einkommensteuergesetz) – entschieden, dass ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet.

Update (29. Juli 2020)

Nachdem der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben worden war, hat der BFH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen (Az. I R 74/16, siehe unseren Blogbeitrag).

Fundstelle

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Oktober 2015 (1 K 2833/12)

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