Update: Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutz bei sog. „missing trader”-Rechnungen
Sind die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht erfüllt, kann im Billigkeitsverfahren ausnahmsweise nach Vertrauensschutzgründen ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen, sofern der Rechnungsempfänger gutgläubig war.
Konkret ist ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsweg nach den §§ 163, 227 Abgabenordnung möglich, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen, und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist. So die Aussage des Finanzgerichts München in Anlehnung an das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22. Juli 2015 (V R 23/14). Vom Steuerpflichtigen könne generell nicht verlangt werden zu prüfen, ob der Rechnungsaussteller seinen diesbezüglichen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Tragend ist die Feststellung, dass das Finanzamt nachweisen muss (was hier nicht gelang), dass dem Kläger aufgrund objektiver Umstände vom Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen. Welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab.
Die formellen und materiellen Voraussetzungen Vorsteuerabzugs lagen im Streitfall vor und die betreffenden Lieferungen sind zweifelsfrei an das Unternehmen des Klägers ausgeführt worden.
Anmerkung: Die Revision wurde vom Finanzgericht im Hinblick auf zwei beim BFH anhängige Verfahren zugelassen. Beide BFH-Senate (Beschlüsse V R 25/15 und XI R 20/14) haben den EuGH in ihren Vorabentscheidungsersuchen u. a. um Klärung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs aus Gründen des Vertrauensschutzes (aus Billigkeitsgründen) gebeten und zwar im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015 (C-277/14, PPHU Stehcemp). Der Vorsteuerabzug könne nach besagtem EuGH-Urteil bereits dann zu gewähren sein, wenn der Steuerpflichtige weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde.
Update (30. Juli 2020)
Der BFH hat die Rechtsausführungen des Finanzgerichts in seinem Urteil V R 47/16 bestätigt.
Fundstelle
Finanzgericht München, Urteil vom 26. Juli 2016 (2 K 710/14)