Unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung und Berechnung der 110 €-Freigrenze bei Betriebsveranstaltungen
Weist die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juli 2013 nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin, ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 AO.
Die Einspruchsfrist beträgt dann ein Jahr. Bei der Ermittlung, ob die 110 €-Freigrenze überschritten ist und deshalb Leistungen eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn zu werten sind, kommt die Aufteilung der Gesamtkosten auf Personen, die mit der Durchführung der Veranstaltung betraut sind und nicht der Belegschaft angehören, nicht in Betracht. Aufwendungen des Arbeitgebers für diesen Personenkreis können jedoch die Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung vermindern. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die materielle Rechtmäßigkeit eines (unter Umständen verspätet) angefochtenen Lohnsteuernachforderungsbescheids.
Nach Durchführung einer Lohnsteuer-Außenprüfung erließ das Finanzamt den streitgegenständlichen Nachforderungsbescheid vom 29.Oktober 2013, mit dem es von der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer nachforderte und zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob.
Der Nachforderungsbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Diese enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit, den Einspruch elektronisch einzureichen.
Gegen den Lohnsteuernachforderungsbescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 2013 Einspruch beim unzuständigen Finanzamt Y ein. Am 06. Dezember 2013 ging das vom Finanzamt Y weitergeleitete Schreiben beim zuständigen Finanzamt ein.
Das Finanzamt verwarf den Einspruch der Klägerin als unzulässig. Der Einspruch sei verfristet.
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision des Finanzamtes stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Das Finanzgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Einspruchsfrist gewahrt hat und der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid betreffend das Mitarbeiterfest 2008 rechtswidrig ist. Ob das Finanzgericht aber zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Lohnsteuernachforderungsbescheid auch hinsichtlich des Mitarbeiterfests 2011 rechtswidrig ist, kann der BFH infolge fehlender Feststellungen nicht abschließend überprüfen.
Die Klägerin konnte den Einspruch gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) fristwahrend binnen eines Jahres seit der Bekanntgabe des Lohnsteuernachforderungsbescheids einlegen.
Vorliegend galt die Jahresfrist, da die dem streitigen Lohnsteuernachforderungsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung i.S. von § 356 Abs. 2 Satz 1 AO unrichtig erteilt worden ist. Sie weist entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin.
Nach Änderung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013 zum 01. August 2013 ist ein solcher Hinweis nicht länger entbehrlich, da die Möglichkeit, den Einspruch elektronisch einzureichen, nun ausdrücklich im Gesetz genannt ist.
Der BFH kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend prüfen, ob das Finanzgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Lohnsteuernachforderungsbescheid auch betreffend das Mitarbeiterfest 2011 rechtswidrig ist. Das Finanzgericht hat vorliegend den Wert der den Arbeitnehmern anlässlich des Mitarbeiterfests 2011 zugewandten Leistungen bei der Prüfung der Überschreitung der 110 €-Freigrenze fehlerhaft berechnet.
Im zweiten Rechtsgang hat das Finanzgericht deshalb zu prüfen, wie viele Personen tatsächlich in welcher Funktion an dem Mitarbeiterfest der Klägerin im Jahr 2011 teilgenommen haben, und den Teilnehmerkreis belastbar zu quantifizieren. Zudem hat es die Gesamtkosten der Klägerin für diese Betriebsveranstaltung in den Blick zu nehmen und um sämtliche Aufwendungen, die nur dem äußeren Rahmen dienten und daher bei den Teilnehmern der Betriebsveranstaltung keinen unmittelbaren Wertzugang bewirkten, zu bereinigen.
Hierzu besteht zumindest betreffend die Bewirtungskosten für die Personen, die mit der Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung befasst waren, und die von der Klägerin getragenen Reisekosten anlässlich der Betriebsveranstaltung Anlass. Denn insoweit bereichern Aufwendungen des Arbeitgebers die teilnehmenden Mitarbeiter nach den vorgenannten Grundsätzen nicht.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 28. April 2020 (VI R 41/17), veröffentlicht am 6. August 2020.