Behandlung von Investitionsabzugsbeträgen sowie Sonderabschreibungen nach § 7g EStG bei Betriebsaufgabe
Das Thüringer Finanzgericht hat entschieden, dass ein Investitionsabzugsbetrag nicht allein deshalb rückgängig zu machen ist, weil der Betrieb im Laufe des auf das Wirtschaftsjahr der Anschaffung des geförderten Wirtschaftsguts folgenden Wirtschaftsjahrs aufgegeben wird.
Die Verbleibensvoraussetzung des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG ist erfüllt, wenn das geförderte Wirtschaftsgut im auf das Jahr der Investition folgenden Kalenderjahr wegen der Betriebsaufgabe zu bildenden Rumpfwirtschaftsjahr ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ein Einzelunternehmen und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie erklärte zum 15. Juli 2015 die Betriebsaufgabe. Den Gewinn ermittelte sie durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Bei der Erklärung des Gewinns für das Jahr 2012 setzte die Klägerin bei den Betriebsausgaben u. a. für eine beabsichtigte Anschaffung eines VW Sharan mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von ca. 36.000 € einen Investitionsabzugsbetrag von 14.400 € (40 % von 36.000 €) nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. an.
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt zu Recht den Investitionsabzugsbetrag sowie Sonderabschreibung nach § 7g EStG wegen Betriebsaufgabe und Nichteinhaltung der Nutzungsvoraussetzungen nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig gemacht hat, und insbesondere über die Frage, ob ein Rumpfwirtschaftsjahr ein vollgültiges Wirtschaftsjahr auch für Zwecke des § 7g EStG n. F. ist.
Richterliche Entscheidung
Die Klage beim Thüringer Finanzgericht hatte Erfolg.
Das Finanzamt ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin den im Jahr 2014 angeschafften VW Sharan nicht auf Dauer in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang im Sinne von § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG betrieblich genutzt hat. Die Klägerin hat nicht gegen die einschlägigen Nutzungs- und Verbleibensvoraussetzungen verstoßen.
Im Streitfall ist in der Betriebsaufgabe zum 15. Juli 2015 keine Verletzung der Verbleibensfrist im Sinne von § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG zu sehen. Die Klägerin hat das streitige Fahrzeug am 13. Mai 2014 erworben. Das Fahrzeug hätte damit grundsätzlich nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung (2014) folgenden Wirtschaftsjahres, hier bis 31. Dezember 2015, in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder betrieblich genutzt werden müssen.
Das Wirtschaftsjahr der Klägerin endete jedoch bereits mit der Betriebsaufgabe zum 15. Juli 2015. Bis zu diesem Zeitpunkt lag die erforderlich betriebliche Nutzung im Sinne des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG vor.
Dass das Wirtschaftsjahr 2015 nur 7 ½ Monate betrug, führt nicht zu einer schädlichen Verwendung im Sinne von § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG. Gemäß § 8b EStDV darf u. a. im Fall der Betriebsaufgabe das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfassen. Das zum 15. Juli 2015 endende Rumpfwirtschaftsjahr ist ein vollgültiges Wirtschaftsjahr (vgl. BFH-Urteile vom 23. August 1979, IV R 95/75; vom 10. November 2004, XI R 56/03; vom 20. Dezember 2006, X R 31/03; und vom 26. Februar 2008. VIII R 82/05). Die Klägerin hat damit das streitige Fahrzeug bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres in ihrem inländischen Betrieb genutzt (§ 8b Satz 2 Nr. 1 EStDV).
Soweit die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 20. März 2017, Rz. 37 ff) und auch die überwiegenden Auffassung in der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine schädliche Verwendung auch dann vorliege, wenn der Betrieb vor Ablauf einer „Zweijahresfrist” oder „Jahresfrist”, also vor Ende des vollen Kalenderjahres bzw. des vollen Wirtschaftsjahres nach § 8b Satz 1 EStDV aufgegeben oder veräußert wird, kann dem das Finanzgericht nicht folgen.
Der BFH hat u. a. zur Frage des begünstigenden Aufgabegewinns im Sinne von § 16 EStG und zum Gewinnzuschlag (§ 7g Abs. 5 EStG a. F.) zu § 7g EStG alter Fassung mehrfach entscheiden, dass das (endende) Rumpfwirtschaftsjahr ein vollgültiges Wirtschaftsjahr ist. Dem Finanzgericht ist nicht ersichtlich, weshalb die Auslegung des Begriffs Wirtschaftsjahr bei § 7g EStG neuer Fassung anders ausfallen sollte, als die bisherige Rechtsprechung des BFH. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG verwendet nach seinem ausdrücklichen Wortlaut den Begriff Wirtschaftsjahr.
§ 8 EStDV enthält die Legaldefinition für den Begriff Wirtschaftsjahr für die §§ 4 bis 7 EStG. Wie der Klägervertreter zutreffend ausgeführt hat, hätte der Gesetzgeber, wenn er eine andere Auslegung bzw. eine Ausnahme von der Definition des § 8b EStDV gewollt hätte, diese ausdrücklich regeln können und müssen. Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm, der Finanzierungserleichterung, lässt sich für den Streitfall keine andere Auslegung herleiten.
Fundstelle
Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 10. April 2019 (4 K 442/17); die Revision ist beim BFH unter dem Az. X R 30/19 anhängig.