Verzicht auf Darlehenszinsen in grenzüberschreitenden Dreieckskonstellationen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass es für das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 4 AStG seit der Neufassung durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht mehr darauf ankommt, ob die Darlehensnehmerin ihre unternehmerische Funktion mangels Eigenkapitalausstattung nicht erfüllen könnte.

Aus der Formulierung "unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Abs. 1 AStG ergibt sich kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, war in den Jahren 2003 und 2004 (Streitjahre) Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der A GmbH mit Sitz im Inland; daneben war sie Alleingesellschafterin der C s.r.o. mit Sitz in der Tschechischen Republik.

Zur Finanzierung eines Grundstückskaufs und zur Erschließung eines Grundstücks gewährten sowohl die Klägerin als auch die A GmbH der C s.r.o. Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer Verzinsung von 6,3 % p.a. Sämtliche Darlehen wurden durch Erklärung vom 18. September 2003 rückwirkend ab dem 01. Januar 2003 sowie für die Zukunft zinsfrei gestellt. Das ursprünglich zuständige Finanzamt rechnete in den Streitjahren Zinseinnahmen in Höhe von jeweils 6,3 % außerbilanziell wieder hinzu.

Die Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Wird die Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG) auf einen Zinsverzicht gegenüber einer ausländischen Darlehensnehmerin gestützt, muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des (nicht fremdüblichen) Geschäfts zu erbringen (EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt vom 31. Mai 2018 - C-382/16). Diese Prüfung ist den nationalen Gerichten vorbehalten und vorrangig Aufgabe der Finanzgerichte.

Die Bestimmungen des Unionsrechts sind vom Zeitpunkt des Beitritts eines Mitgliedstaats an verbindlich, so dass sie für zukünftige Auswirkungen vor dem Beitritt entstandener Sachverhalte gelten; demgegenüber entfalten diese keine "Vorwirkung" für vor dem Beitritt bereits abgeschlossene Sachverhalte.

Aus der Formulierung "unbeschadet anderer Vorschriften" in § 1 Abs. 1 AStG ergibt sich kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Beide Vorschriften überlagern einander vielmehr in dem Sinne, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft.

Das Finanzgericht hat im Rahmen der Gewinnermittlung ferner keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die bis zum 17. September 2003 entstandenen Zinsforderungen, auf die die Klägerin gegenüber der C s.r.o. verzichtet hat, im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig waren.

Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist und die Bewertung jenes Betriebsvermögens nach § 6 EStG vornehmen. Wird ein einzelnes Wirtschaftsgut im Wege des Tausches übertragen, bemessen sich gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG die Anschaffungskosten nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Erfolgt die Übertragung im Wege der verdeckten Einlage, erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG um den Teilwert des eingelegten Wirtschaftsguts. Danach kommt eine Erhöhung des Beteiligungswerts der Klägerin an der C s.r.o. in Höhe der bis zum 17. September 2003 entstandenen Zinsforderungen aus den Darlehen der Klägerin gegenüber der C s.r.o. gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG in Betracht, soweit die Forderungsverzichte steuerrechtlich zu verdeckten Einlagen der Klägerin in die C s.r.o. geführt haben.

Schließlich hat das Finanzgericht im Rahmen der Gewinnermittlung keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die bis zum 17. September 2003 entstandenen Zinsforderungen, auf die die A GmbH gegenüber der C s.r.o. verzichtet hat, im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig waren. Dieser Verzicht führt dem Grunde nach zu einer verdeckten Einlage der Klägerin in die C s.r.o. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vorteilszuwendung zwischen Schwestergesellschaften so zu beurteilen, dass die leistende Tochtergesellschaft den Vorteil zunächst an die gemeinsame Muttergesellschaft im Wege einer vGA leitet, die diesen sodann der anderen Tochtergesellschaft zuführt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH, Urteil v. 13. Juni 2018 - I R 94/15; BFH, Urteil v. 20. August 1986 - I R 150/82).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27. November 2019 (I R 40/19 (I R 14/16)), veröffentlicht am 10. September 2020.

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