Ablaufhemmung nach beiderseitigen Erledigungserklärungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass übereinstimmende Erledigungserklärungen im Zusammenhang mit der Zusage einer Bescheidänderung noch nicht zu einer unanfechtbaren Entscheidung über den Rechtsbehelf führen.

Sachverhalt

Der Kläger erklärte in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2006) entgeltliche Umsätze und unentgeltliche Wertabgaben.

Im Rahmen einer Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die Pachtumsätze aufgrund der Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage sowie die unentgeltlichen Wertabgaben zu erhöhen seien. Zudem unterliege die Geschäftsführertätigkeit des Klägers der Umsatzsteuer. Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer fest.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung und den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage wandte. Der Einspruch hatte nur in geringem Umfang Erfolg.

Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht, mit der er sich weiter gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung wandte und eine weitere Minderung der Bemessungsgrundlage für die Verpachtungsumsätze begehrte. In der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2016 kamen die Beteiligten überein, dass ein der Umsatzsteuer unterliegendes Geschäftsführerhonorar von 184.000 € brutto zu versteuern sei.

Am 21. Dezember 2016 legte der Kläger gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid Einspruch ein und begehrte eine Minderung der Umsätze, da eine nicht nachvollziehbare Abweichung von 122.266,84 € vorliege. Die Abweichung in der Festsetzung vom 23. November 2016 beruhe auf einem in der Festsetzung vom 09. November 2009 enthaltenen Rechen- oder Übernahmefehler und sei gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) zu korrigieren. Die Feststellungen der Außenprüfung hätten korrekt ausgewertet werden sollen entsprechend der tatsächlichen Geschäftsführervergütung.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück und verwies darauf, dass der Bescheid das Ergebnis der mündlichen Verhandlung zutreffend umsetze. Eine weitere Überprüfung der gesamten steuerpflichtigen Umsätze komme nicht mehr in Betracht.

Die hiergegen eingelegte Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat die Klage zutreffend als zulässig angesehen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht darauf an, ob durch die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen der ursprüngliche Rechtsstreit beendet und die Prozesslage abschließend gestaltet wird, wofür sich das Finanzamt auf das Urteil des BFH vom 14. Mai 2003 (XI R 21/02) bezieht.

Denn für die Frage, ob ein zulässiges Klagebegehren vorliegt, ist auf die formelle Bescheidlage abzustellen, wie sie sich im Streitfall aus dem Änderungsbescheid vom 23.11.2016 ergibt. Zudem muss der Kläger nach § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur geltend machen, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ob diese Rechtsverletzung tatsächlich vorliegt, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit seiner Klage.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der BFH mit Urteil vom 29. Oktober 1987 (X R 1/80) entschieden hat, dass ein Kläger, nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, nicht mehr seinen ursprünglichen Klageantrag verfolgen kann, da ein derartiger Fall im Hinblick auf das Begehren, eine offenbare Unrichtigkeit zu korrigieren, hier nicht gegeben ist.

Die Klage ist auch entsprechend dem Urteil des Finanzgerichts begründet. Das Finanzgericht hat die Änderungsvoraussetzungen nach § 129 AO zutreffend bejaht. Danach kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

Es ist im Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass es das Finanzgericht als ausgeschlossen angesehen hat, dass der dem Prüfer unterlaufene Fehler auf irgendwelche rechtlichen oder tatsächlichen Fehlbeurteilungen zurückzuführen ist. Es hat hierfür zutreffend auf die vergleichsweise überschaubare unternehmerische Tätigkeit des Klägers verwiesen, die sich auf seine (bisher nicht erklärten) Geschäftsführerleistungen und auf die Verpachtung beschränkte.

Der Änderung steht auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen, da der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3a AO gehemmt war.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 23. Juli 2020 (V R 37/18), veröffentlicht am 29. Oktober 2020.

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