Update: Durchgängige finanzielle Eingliederung bei rückwirkender Verschmelzung des Organträgers

Das Hessische Finanzgericht hat mit Gerichtsbescheid für den Fall der rückwirkenden Verschmelzung einer Organträgerkapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft entschieden, dass eine Fortsetzung der durch den übertragenden Rechtsträger vermittelten finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG durch den übernehmenden Rechtsträger - entgegen der Verwaltungsauffassung - auch dann möglich ist, wenn die Umwandlung auf einen - bezogen auf das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft - unterjährigen Stichtag erfolgt und die Beteiligung an der Organgesellschaft dem übernehmenden Rechtsträger damit nicht bereits zu Beginn ihres Wirtschaftsjahres zuzurechnen ist.

Sachverhalt

Im Entscheidungssachverhalt wurden im Streitjahr 2015 zunächst die Anteile an der Organträgerin (GmbH, übertragender Rechtsträger) einer seit 2010 bestehenden ertragsteuerlichen Organschaft an eine Personengesellschaft (GmbH & Co. OHG) veräußert und im Anschluss daran die Organträgerin mit steuerlicher Rückwirkung zum 1. April 2015 aufwärts auf die GmbH & Co. OHG (übernehmender Rechtsträger) verschmolzen (Eintragung ins Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers erfolgte im Dezember 2015). Das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft begann am 1. Januar 2015.

Das Finanzamt lehnte das Vorliegen einer Organschaft mangels Vorliegens einer finanziellen Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger unter Verweis auf Org.02 Satz 2 des UmwStE 2011 ab. Danach seien die Voraussetzungen einer Organschaft (nur dann) vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt, wenn dem übernehmenden Rechtsträger auch die Beteiligung an der Organgesellschaft steuerlich rückwirkend zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zuzurechnen sei.

Richterliche Entscheidung

Nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts ist es im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (I R 89/09 vom 28. Juli 2010 und I R 111/09 vom 28. Juli 2010) und der einhelligen Literaturmeinung (vgl. über die in Rz. 36 der Entscheidung zitierten Literaturstimmen hinaus Brink in Schnitger/Fehrenbacher, 2. Auflage 2018, § 14 KStG, Rz. 205 ff.) dagegen ausreichend, wenn eine finanzielle Eingliederung zunächst in den übertragenden Rechtsträger und anschließend in den übernehmenden Rechtsträger gegeben ist.

Die finanzielle Eingliederung in den übertragenden Rechtsträger wird dabei durch den übernehmenden Rechtsträger aufgrund der umfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge (im Streitfall nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) lediglich fortgesetzt (Fußstapfentheorie). Somit besteht kein Erfordernis (zusätzlich) den steuerlichen Übertragungsstichtag so zu wählen, dass dem übernehmenden Rechtsträger die Organbeteiligung bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zuzurechnen ist.

Bei der Entscheidung handelt es sich um ein Zwischenurteil / eine Vorabentscheidung durch Grund-Gerichtsbescheid über die Frage, ob in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt im Streitjahr 2015 überhaupt eine Organschaft zum übernehmenden Rechtsträger besteht.

Über die Frage, wem das Einkommen der Organgesellschaft aufgrund des (unterjährigen) Organträger-Wechsels zuzurechnen ist, will das Gericht im weiteren Verfahren entscheiden. Das Finanzgericht befürwortet in Rz. 39 der vorliegenden Entscheidung derzeit eine Aufteilung des von der Organgesellschaft erwirtschafteten Einkommens auf den alten und neuen Organträger (unterjährige Einkommenszurechnung) nach Maßgabe einer noch aufzustellenden Zwischenbilanz und weicht damit von der bisherigen Rechtsprechung des BFH (IV R 50/09 vom 28.2.2013) und der in Org.19 Satz 2 UmwStE vertretenen Auffassung der Finanzverwaltung ab.

Danach soll es für die Zurechnung auf die Verhältnisse am Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft ankommen. Liegt dieses - wie im hier vorliegenden Fall - nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, ist das gesamte Einkommen dem übernehmenden Rechtsträger bzw. neuen Organträger zuzurechnen.

Update (16. Februar 2021)

Beim BFH ist unter dem Az. I R 45/20 ein weiteres Verfahren zur Frage der durchgängigen finanziellen Eingliederung bei - bezogen auf das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft - rückwirkender Verschmelzung des (bisherigen) Organträgers anhängig.

Auch nach Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. August 2020, 1 K 1585/15) ist eine Fortsetzung der durch den übertragenden Rechtsträger vermittelten finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG durch den übernehmenden Rechtsträger - entgegen der in Org.02 Satz 2 des UmwStE vertretenen Verwaltungsauffassung - auch dann möglich, wenn die Umwandlung auf einen - bezogen auf das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft - unterjährigen Stichtag erfolgt und die Beteiligung an der Organgesellschaft dem übernehmenden Rechtsträger damit nicht bereits zu Beginn ihres Wirtschaftsjahres zuzurechnen ist.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (I R 89/09 vom 28. Juli 2010 und I R 111/09 vom 28. Juli 2010 ) sei es aufgrund der umfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge (im Streitfall nach § 12 Abs. 3 UmwStG) ausreichend, wenn eine finanzielle Eingliederung zunächst in den übertragenden Rechtsträger und anschließend in den übernehmenden Rechtsträger gegeben ist.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde im Streitjahr 2011 die bisherige Organträgerin (GmbH) mit steuerlicher Rückwirkung zum 30. Dezember 2011 auf eine GmbH als übernehmende Rechtsträgerin verschmolzen. Die Organgesellschaft hatte ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr.

Obwohl es im Streitfall nicht darauf ankam, äußerte sich das Finanzgericht Rheinland Pfalz in einem obiter dictum auch zur Frage der Einkommenszurechnung bei (unterjährigem) Organträger-Wechsel und befürwortet in Rz. 41 seiner Entscheidung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts 4 K 412/19 eine Aufteilung des von der Organgesellschaft erwirtschafteten Einkommens auf den alten und neuen Organträger (unterjährige Einkommenszurechnung) nach Maßgabe einer Zwischenbilanz. Das Finanzgericht Hamburg hatte eine solche Aufteilung in seiner Entscheidung vom 4. September 2020 (6 K 150/18, siehe unseren Blogbeitrag) dagegen ausdrücklich abgelehnt.

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2020 (4 K 412/19); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 21/20 anhängig.

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