Update: Feststellung des Einlagekontos für BgA - sachlich-abstrakte Betrachtung
Der Bestand des Einlagekontos eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ist nach § 27 Abs. 7 i.V.m. § 27 Abs. 2 KStG weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gebunden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Gemeinde mit einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Für die Jahre 2002 bis 2006 wurden Feststellungsbescheide über den Stand des Einlagenkontos erlassen, für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume jedoch nicht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür wegen Unterschreitens der Gewinngrenze von 30.000 Euro nicht erfüllt waren. Das Finanzamt ging nun bei Berechnung des steuerlichen Einlagenkontos zum 31. Dezember 2011 von einer Bindungswirkung der bis 2006 erlassenen Feststellungsbescheide aus. Die Klägerin argumentiert, der Bescheid zum 31. Dezember 2006 sei nicht Grundlagenbescheid für den Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 2011, da keine ununterbrochene Kette von Feststellungsbescheiden vorliege.
Die Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht hatte Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision des Finanzamtes stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist nach § 27 Abs. 2 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt (BFH, Urteil vom 11. September 2013, I R 77/11). Für die gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gelten nach § 181 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß.
Die Klägerin hat mit ihrem BgA, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelte, erstmals im Streitjahr einen Gewinn von mehr als 30.000 € erzielt und überschritt damit erstmals die in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ausgewiesenen Grenzbeträge. Demgemäß waren die Kapitalerträge des Streitjahres bei der Trägerkörperschaft steuerpflichtig und das steuerliche Einlagekonto gem. § 27 KStG zum 31. Dezember 2011 gesondert festzustellen.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG ist das steuerliche Einlagekonto ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln. Eine bindende Feststellung des Vorjahres, die Grundlage für die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos im Streitjahr sein könnte, liegt indessen bislang nicht vor. Der bestandskräftige Bescheid zum 31. Dezember 2006 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG, in dem das steuerliche Einlagekonto mit 0 € festgestellt wurde, kann schon deshalb kein Grundlagenbescheid für den Bescheid zum 31. Dezember 2011 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG sein, weil er nach § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG Grundlagenbescheid nur für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt sein kann. Eine Bindungswirkung über diesen Zeitpunkt hinaus ist nach dem eindeutigen Normwortlaut ausgeschlossen.
Indessen sind - anders als dies das Finanzgericht gesehen hat - noch Feststellungsbescheide auf das Ende der Jahre 2007 bis 2010, die die Lücke zwischen dem zuletzt erlassenen Feststellungsbescheid zum 31. Dezember 2006 bis zum streitgegenständlichen Bescheid zum 31. Dezember 2011 schließen, zu erlassen.
Das setzt voraus, dass eine entsprechende Feststellung möglich ist. Das Finanzgericht ist insoweit unzutreffend davon ausgegangen, dies sei deshalb nicht der Fall, weil in den Jahren 2007 bis 2010 die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG nicht vorlagen. Eine solche konkrete Betrachtungsweise lässt sich mit dem Wortlaut und dem Telos des § 27 KStG indessen nicht vereinbaren.
Hiernach kommt es nicht auf die tatsächliche Leistungsgewährung entsprechend den vorgenannten Einkunftstatbeständen in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen, sondern - entsprechend der konjunktivischen Wortfassung ("können") - lediglich darauf an, ob die persönlichen Voraussetzungen dieser Tatbestände (hier: Klägerin als Trägerkörperschaft des BgA) erfüllt sind. Die Feststellung des Einlagekontos ist hingegen weder an die Gewinnermittlungsart noch an das Überschreiten der jeweiligen Betragsgrenzen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG gebunden (sachlich-abstrakte Betrachtung).
Nur dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Telos des § 27 KStG. Das Einlagekonto soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers fortlaufend festgestellt werden. Feststellungsunterbrechungen würden diesem Konzept zuwiderlaufen. Das gilt insbesondere, soweit mit Blick auf die angesprochenen Betragsgrenzen ansonsten nur für einzelne Jahre Feststellungen zu erfolgen hätten. Demgemäß ist die Frage nach der Feststellung des Einlagekontos von der Höhe der Gewinne und der Gewinnermittlungsart zu trennen; auch kann es in Jahren ohne Gewinn zu Einlagen oder Einlagerückzahlungen kommen.
Update (02. Juni 2022)
Das Urteil I R 12/17 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 269.
Update (05. April 2022)
Das BMF hat am 05. April 2022 ein Schreiben (IV C 2 - S 2836/21/10001 :001) veröffentlicht, mit dem das BMF-Schreiben vom 28. Januar 2019, BStBl I S. 97 an die Grundsätze des BFH-Urteils vom 30. September 2020 angepasst wird.
Die Änderungen betreffen die Rn. 38 (Rücklagenbildung bei teilweise steuerbefreitem BgA), 42 (Steuerliches Einlagekonto), 44 und 45 (Besonderheiten für Regiebetriebe) und sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Die Rn. 46 wird aufgehoben.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30. September 2020 (I R 12/17), veröffentlicht am 25. Februar 2021.