Update: Entwurf eines Steueroasen-Abwehrgesetzes

Das Bundesministerium der Finanzen hat einen Referentenentwurf für ein sog. „Steueroasen-Abwehrgesetz“ veröffentlicht, das die Einführung von Abwehrmaßnamen mit Blick auf Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu bestimmten nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten vorsieht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur Anlage I der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (sog. „schwarze Liste“) sowie die seitdem in diesem Zusammenhang durch die Code of Conduct Group (Business Taxation) verhandelten und vom Rat gebilligten Maßnahmen in deutsches Recht umgesetzt werden.

Wesentlicher Bestandteil des im Entwurf vorliegenden Gesetzes ist die in Artikel 1 vorgesehene Schaffung eines „Gesetz[es] zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb“ (Steueroasen-Abwehrgesetz – StAbwG).

Anwendungsbereich

Die Vorschriften des StAbwG sollen nach § 1 StAbwG-E auf unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen anzuwenden sein. Soweit das Gesetz auf von einem Steuerpflichtigen unterhaltene Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse abstellt, sollen nach der Entwurfsbegründung auch Personengesellschaften als Steuerpflichtige gelten.

Das StAbwG soll nach § 2 StAbwG-E grds. auf alle Steuern - einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind und durch Bundesfinanzbehörden, oder Landesfinanzbehörden oder Gemeinden verwaltet werden – anzuwenden sein. Explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nur die Umsatzsteuer (einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer), Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie Verbrauchsteuern.

Die Vorschriften des StAbwG sollen ungeachtet möglicherweise entgegenstehender Vorschriften in DBA zur Anwendung gelangen und grds. Vorrang vor den Vorschriften der AO und anderer Steuergesetze haben.

Vorliegen eines nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiets

Die in den §§ 8 bis 11 StAbwG-E vorgesehenen Abwehrmechanismen sollen nur in Bezug auf bestimmte, nicht kooperative Staaten und Gebiete (Steuerhoheitsgebiete) zur Anwendung gelangen.

Nach § 3 Abs. 1 StAbwG-E soll ein Steuerhoheitsgebiet als nicht kooperativ anzusehen sein, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. es muss sich um ein Steuerhoheitsgebiet handeln, das in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Anlage I zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (sog. „schwarze Liste“ der EU) in der jeweils aktuellen Fassung genannt ist (aktueller Stand 7. Oktober 2020: Amerikanisch-Samoa, Anguilla, Barbados, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln, Vanuatu und die Seychellen) und
  2. dieses Steuerhoheitsgebiet (i) gewährleistet keine hinreichende Transparenz in Steuersachen (§ 4 Abs. 1 StAbwG-E), (ii) betreibt unfairen Steuerwettbewerb (§ 5 Abs. 1 StAbwG-E) oder (iii) hat sich nicht zur Umsetzung der Mindeststandards des OECD/G20 BEPS-Projekts gegen Gewinnkürzung und Gewinnverschiebung verpflichtet (§ 6 StAbwG-E) und
  3. das nicht kooperative Steuerhoheitsgebiet im vorgenannten Sinne ist als solches in der vom BMF mit Zustimmung des Bundesrates noch zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführt (§ 3 Abs. 2 bis 4 StAbwG-E).

Vorgesehene Abwehrmaßnahmen

Die §§ 8 bis 11 StAbwG-E enthalten verschiedene Abwehrmaßnahmen, die nach § 7 Abs. 1 StAbwG-E in Bezug auf bestimmte Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet (Geschäftsvorgänge) zur Anwendung gelangen sollen. Die Maßnahmen können im Outbound- wie auch im Inbound-Fall relevant sein. Bzgl. eines Geschäftsvorgangs soll nach der Entwurfsbegründung jeweils nur eine Abwehrmaßnahme Anwendung finden. Die Abwehrregelungen enthalten diesbezüglich Subsidiaritätsklauseln.

§ 8 StAbwG-E: Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs

Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen zu natürlichen Personen oder Körperschaften, die in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind, sollen steuerlich grds. nicht abzugsfähig sein (Ausnahme: die den Aufwendungen entsprechenden Erträge unterliegen in Deutschland einer (un-)beschränkten Steuerpflicht.

§ 9 StAbwG-E: Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung

Eine in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässige ausländische Gesellschaft, an der unbeschränkt Steuerpflichtige gem. § 7 AStG beteiligt sind, soll – ungeachtet der Qualifikation ihrer Einkünfte nach § 8 Abs. 1 AStG als aktiv oder passiv, der Erfüllung des sog. Motivtests nach § 8 Abs. 2 AStG oder des Vorliegens einer Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 3 AStG – für sämtliche Einkünfte als Zwischengesellschaft gelten (Ausnahme: die den Erträgen entsprechenden Aufwendungen unterliegen dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG-E und stammen aus aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG).

§ 10 StAbwG-E: Einschränkung der Entlastung vom Steuerabzug und Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht
Gemäß § 10 Abs. 1 StAbwG-E soll (ungeachtet von § 50d Abs. 3 EStG) keine Steuerentlastung nach § 50d Abs. 1 und 2 und § 44a Abs. 9 EStG erfolgen, wenn an einer ausländischen Gesellschaft (un-)mittelbar natürliche Personen zu insgesamt mehr als 10% beteiligt sind, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind.

Ferner sollen gem. § 10 Abs. 2 StAbwG-E beschränkt steuerpflichtige Einkünfte über § 49 EStG hinaus auch dann vorliegen, wenn natürliche Personen oder Körperschaften, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen / Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen / weiteren Dienstleistungen / dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen erzielen. Es soll ein Steuerabzug i.H.v. 15% zzgl. SolZ für diese Einkünfte vorgenommen werden.

§ 11 StAbwG-E: Einschränkung der Steuerfreistellung bei Dividenden und Anteilsveräußerungen, wenn eine Körperschaft in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig ist:

Dividenden und Veräußerungsgewinne sollen nicht nach § 8b Abs. 1 und Abs. 2 KStG steuerfrei sein; auch sollen Abgeltungssteuersatz und Teileinkünfteverfahren keine Anwendung finden (Ausnahme: der Steuerpflichtige weist nach, dass die Ausschüttungen aus Beträgen resultieren, die bei der ausschüttenden Gesellschaft bereits der inländischen Quellenbesteuerung nach § 10 StAbwG-E unterlegen haben oder das WK/BA-Abzugsverbot nach § 8 StAbwG-E kam bereits zur Anwendung).

Erweiterte Mitwirkungspflichten

In Ergänzung zu den nach § 90 AO bestehenden (allgemeinen) Mitwirkungspflichten sieht § 12 StAbwG-E für Geschäftsvorgänge i.S.d. § 7 Abs. 1 StAbwG-E gesteigerte Mitwirkungspflichten vor.

§ 7 Abs. 2 StAbwG-E erstreckt diese gesteigerten Mitwirkungspflichten auch auf bestimmte, vom Nachweis bestimmter Tatsachen abhängige Steuervorteile, die sich aus anderen vom sachlichen Anwendungsbereich des StAbwG erfassten Steuergesetzen ergeben.

Geplanter Anwendungszeitpunkt

Nach § 13 Abs. 1 StAbwG-E sollen die Vorschriften des StAbwG grds. ab 1. Januar 2022 anzuwenden sein.

Abweichend von diesem Grundsatz soll das StAbwG nach § 13 Abs. 2 StAbwG-E in Bezug auf Steuerhoheitsgebiete, die am 1. Januar 2021 noch nicht auf der „schwarzen Liste“ der EU genannt waren, erst ab dem 1. Januar 2023 Anwendung finden.

Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Anwendung der §§ 7 bis 12 StAbwG-E ergeben sich aus § 3 Abs. 3 und 4 StAbwG-E. Die Steuerhoheitsgebiete, die als nicht kooperativ zu qualifizieren sind, sollen vom BMF (mit Zustimmung des Bundesrates) im Wege der Rechtsverordnung bekannt gemacht werden. Dasselbe gilt für den Zeitpunkt, ab dem ein bisher als nicht kooperativ genanntes Steuerhoheitsgebiet als kooperativ anzusehen ist. Wird ein Steuerhoheitsgebiet in der Rechtsverordnung (erstmals) als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet genannt, sollen die §§ 7 bis 12 StAbwG-E in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet ab dem Beginn des Folgejahres des Inkrafttretens der Rechtsverordnung Anwendung finden (bei abweichendem Wirtschaftsjahr soll auf den Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres abzustellen sein). Wird in der Rechtsverordnung ein Steuerhoheitsgebiet nicht länger als nicht kooperatives Steuerhoheitsgebiet genannt, sollen die §§ 7 bis 12 StAbwG-E in Bezug auf dieses Steuerhoheitsgebiet (rückwirkend) bereits ab dem 1. Januar des Kalenderjahres, in dessen Verlauf der in der Rechtsverordnung genannte Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen fällt, keine Anwendung mehr finden (bei abweichendem Wirtschaftsjahr soll auf den Beginn des Wirtschaftsjahres abzustellen sein).

Änderung der Abgabenordnung

Der Gesetzentwurf sieht infolge der Einführung des StAbwG durch Artikel 1 neben einer Reihe von Folgeänderungen u.a. auch die Einfügung eines neuen § 162 Abs. 4a AO vor, mit dem es der Finanzbehörde ermöglicht werden soll, auch im Falle der Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 12 StAbwG-E einen Zuschlag festzusetzen.

Abschließender Hinweis

Der Referentenentwurf wurde zur Stellungnahme an die Verbände übermittelt. Die Frist für eine Stellungnahme läuft bis zum 5. März 2021. Dem Vernehmen nach besteht hinsichtlich des derzeitigen Entwurfs noch Abstimmungsbedarf. Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten.

Update (09. März 2021)

Am 4. März 2021 hat das IDW Stellung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb und zur Änderung weiterer Gesetze (Steueroasen-Abwehrgesetz) gegenüber dem BMF genommen (Link).

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