Nachrangiges Unternehmen in der Beteiligungskette als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG
Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass das herrschende Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG auch eine - von der Konzernspitze abhängige - nachrangige Gesellschaft in der Beteiligungskette sein kann, wenn diese abhängige Gesellschaft ihrerseits die die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt. Eine nachträgliche Veränderung der Beteiligungshöhe auf der Ebene der Konzernspitze ist in diesem Fall für die Grunderwerbsteuervergünstigung unschädlich.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Bestimmung des herrschenden Unternehmens bei Anwendung des § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Die Klägerin war zu 100% an der D-GmbH beteiligt, in deren Eigentum sich ein Grundstück befand. Gesellschafterin der Klägerin war zu 100% die E-GmbH, deren Anteile wiederum vollständig durch die F-AG gehalten wurden.
Im Jahr 2011 erfolgte eine Aufwartsverschmelzung der D-GmbH auf die Klägerin. Zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestand die dargestellte Beteiligungskette mehr als fünf Jahren ununterbrochen. Alle Gesellschaften waren Organgesellschaften desselben umsatzsteuerlichen Organkreises mit F-AG als Organträgerin.
Nachdem die F-AG ab dem 5. Juli 2013 (Verkauf von 26,8%) ihre Anteile an der E-GmbH nach und nach verkauft hatte, versagte das Finanzamt die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Diese sei nach § 6a Satz 4 GrEStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren sei nicht eingehalten worden, da die F-AG als herrschendes Unternehmen nicht länger mittelbar über die E-GmbH zu mindestens 95% an der Klägerin beteiligt sei.
Dagegen wandte die Klägerin ein, dass nach ihrer Auffassung nicht auf die F-AG, sondern die E-GmbH als herrschendes Unternehmen im Sinne der Vorschrift abzustellen sei und in Bezug auf die E-GmbH die Anforderungen des § 6a GrEStG erfüllt seien.
Richterliche Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte Erfolg.
Zwar ist der im Bescheid erfasste Grunderwerb der Klägerin steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Er ist jedoch in voller Höhe steuerbegünstigt, da die Verschmelzung der D-GmbH auf die Klägerin vom Begünstigungsbereich des § 6a GrEStG umfasst ist.
Als herrschendes Unternehmen i.S. der Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht die F-AG anzusehen. Dabei kann für die Frage der Steuerbegünstigung dahinstehen, ob – wie die Klägerin meint – die E-GmbH als herrschendes Unternehmen anzusehen ist, oder möglicherweise die Klägerin selbst.
Da sowohl im Falle der Klägerin als auch der E-GmbH die gesetzlich nach § 6a GrEStG vorgesehenen Fristen und Mindestbeteiligungshöhen erfüllt waren, braucht der Senat diese Frage nicht zu entscheiden. Sollte die Klägerin als herrschendes Unternehmen anzusehen sein, muss die Nachbehaltensfrist nach der Rechtsprechung des BFH, der das Finanzgericht sich anschließt, nicht eingehalten werden. Denn die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) muss in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft (hier die D-GmbH) nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 21. August 2019 II R 15/19 (II R 50/13), siehe unseren Blogbeitrag).
Unerheblich ist, dass weder die E-GmbH noch die Klägerin Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 2 UStG) sind. Nach der Rechtsprechung des BFH, der das Finanzgericht sich ebenfalls anschließt, ist der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG nicht auf Unternehmen i.S.d. UStG beschränkt (BFH, Urteil vom 21.8.2019 II R 19/19 (II R 63/14), siehe unseren Blogbeitrag). Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S.d. GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind. An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt, was vorliegend unstreitig erfüllt ist.
Entgegen der Ansicht des Finanzamts, die auch in den gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19. Juni 2012 (BStBl I 2012, 662) - dort Tz. 2.2 – zum Ausdruck kommt, muss das herrschende Unternehmen nicht stets der oberste Rechtsträger in der Beteiligungskette (und damit in der Regel die Konzernspitze) sein. Vielmehr kann nach Überzeugung des Finanzgerichts herrschendes Unternehmen auch eine weitere – von der Konzernspitze abhängige – Gesellschaft in Bezug auf nachfolgende Gesellschaften sein, wenn diese abhängige Gesellschaft ihrerseits – wie hier der Fall – die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt.
Der Wortlaut der Vorschrift lässt nicht den Schluss zu – wie ihn die Finanzverwaltung zieht –, dass herrschendes Unternehmen immer die Konzernspitze bzw. der oberste Rechtsträger in einer Beteiligungskette sein muss und nicht auch abhängige Gesellschaften ihrerseits herrschende Unternehmen sein können. § 6a Satz 3 GrEStG gibt nur vor, dass ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sein dürfen. § 6a Satz 4 GrEStG definiert dann das herrschende Unternehmen in Wechselwirkung zum abhängigen Unternehmen, indem die Vorschrift (starr) auf die Beteiligungshöhe abstellt. Dass dieses „eine“ herrschende Unternehmen zwingend die Konzernspitze sein muss, kommt darin nicht zum Ausdruck, vielmehr ist allein entscheidend – wenn man dem Wortlaut folgt –, dass ein Unternehmen innerhalb der genannten Fristen in der genannten Höhe an einer anderen Gesellschaft beteiligt war – ggf. auch innerhalb eines Konzernverbundes – quasi als „Konzern im Konzern“.
Diese Auslegung entspricht auch dem in der Gesetzesbegründung wiedergegebenen und in der Überschrift des § 6a GrEStG zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck des Gesetzes, „Umstrukturierungen im Konzern“ zu erleichtern. Aus diesem Grund sind – zur Erreichung des Gesetzeszwecks – die Beteiligungsketten – wie es auch der Gesetzestext vorgibt – möglichst kurz zu halten. Ein etwaiges Missbrauchsrisiko wird dabei durch die Vorbehaltensfrist eingeschränkt, indem herrschendes Unternehmen nur ein solches sein kann, das innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang zu mindestens 95 vom Hundert am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft beteiligt war. So wird vermieden, dass kurzfristig eine Gesellschaft „zwischengeschaltet“ wird, um eine neue (kürzere) Beteiligungskette zu schaffen.
Fundstelle
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. Mai 2020 (7 K 820/17 GE); die Revision ist beim BFH unter dem Az. II R 13/20 anhängig.