Update: Kein Veranlagungswahlrecht eines US-Staatsangehörigen bei beschränkter Steuerpflicht

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs steht einem in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen US- Staatsangehörigen das Veranlagungswahlrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch dann nicht zu, wenn er in einem EU- oder EWR-Staat (hier: den Niederlanden) wohnt. Auch aus dem Diskriminierungsverbot im DBA-USA ergibt sich insoweit kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem beschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen.

Sachverhalt

Der Kläger ist Staatsangehöriger der USA und hatte im Streitjahr (2012) seinen alleinigen Wohnsitz in den Niederlanden; im Inland hatte er weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt. Vom Oktober bis Ende Dezember 2012 erzielte er als Opernsänger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterlag. Der Lohnsteuerabzug erfolgte nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Juli 2002 zur Besteuerung der Einkünfte bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen Künstlern pauschal mit einem Steuersatz von 25 %. Der Kläger beantragte die Durchführung einer Veranlagung für beschränkt Steuerpflichtige, um seine Werbungskosten geltend machen zu können. Das Finanzamt hatte dies abgelehnt, da der Kläger kein Staatsangehöriger eines EU/EWR Staates sei. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Juni 2016, 6 K 1213/14).

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Zwar greife die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs bei beschränkter Steuerpflicht u.a. dann nicht, wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird. § 50 Abs. 2 Satz 7 Einkommensteuergesetz (EStG) bestimmt aber wiederum, dass dieses Veranlagungswahlrecht nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Staates gilt, auf den das EWR-Abkommen Anwendung findet. Der Kläger hatte zwar im Streitjahr seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU (Niederlande); jedoch war er Staatsangehöriger der USA und nicht (auch) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Staates, auf den das EWR-Abkommen anwendbar ist.

Auch aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 DBA-USA lässt sich ein Anspruch des Klägers auf Veranlagung wie ein beschränkt steuerpflichtiger deutscher Staatsangehöriger - der wegen der EU-Mitgliedschaft Deutschlands zu dem von § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG privilegierten Personenkreis gehört - nicht ableiten. Im Rahmen der Prüfung der "gleichen Verhältnisse" i.S. von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA sind nicht nur die tatsächlichen Umstände, sondern auch die rechtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die für die jeweilige Besteuerung maßgeblich sind. Im Fall des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sind dies die auf Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit) beruhende Verpflichtung Deutschlands zur Schaffung des Veranlagungswahlrechts und die Begrenzung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten.

Den vorinstanzlichen Ausführungen des Finanzgerichts zu einem sogenannten treaty override des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG stimmt der BFH ausdrücklich nicht zu (Rz. 17 ff. des BFH-Urteils). Eine abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes ("Treaty override") kann nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist. Der Gesetzesnorm, so der BFH, ist weder aufgrund ihres Wortlauts noch nach ihrem Sinn und Zweck ein zweifelsfreier Bezug zur abkommensrechtlichen Ebene und insbesondere den abkommensrechtlichen Diskriminierungsverboten zu entnehmen.

Update (28. Mai 2021)

Der Kläger hat Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil I R 80/16 erhoben. Das Az. des BVerfG lautet 2 BvR 148/21.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 3. September 2020 (I R 80/16), veröffentlicht am 17. Dezember 2020.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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