Zuständigkeit für die Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG im Rahmen der Außenprüfung

Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass eine durch das Finanzamt erlassene Prüfungsanordnung betreffend die Abzugsteuer nach § 50a EStG nicht bloß rechtswidrig, sondern nichtig im Sinne des § 125 AO und damit gemäß § 124 Abs. 3 AO unwirksam ist.

Der Grund hierfür liegt darin, dass seit 2014 nicht mehr die Finanzämter für die Veranlagung der Abzugsteuer nach § 50a EStG zuständig sind, sondern das BZSt gem. § 16 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Finanzverwaltungsgesetz (FVG).

Sachverhalt

Die im Inland ansässige Klägerin betreibt eine Konzertdirektion und veranstaltet ein Musikfestival, das jährlich am Ort ihres Sitzes stattfindet. Die ausländischen Künstler, Künstlergruppen und Produktionsgesellschaften, die bei dem Festival mitwirken, sind mit ihren hierdurch erzielten Einkünften beschränkt einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d oder Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) (ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG)). Die Einnahmen unterliegen dem Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG. Die Klägerin ist als Vergütungsschuldnerin zum Steuerabzug und zur Abführung an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet (§ 50a Abs. 5 Satz 2 und 3 AO).

Am 12.2.2020 erließ das Finanzamt eine Prüfungsanordnung betr. eine Lohnsteuer-Außenprüfung gegen die Klägerin. Gemäß der Prüfungsanordnung sollte auch der "Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG" geprüft werden. Die Klägerin legte Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2020 zurückgewiesen wurde. Am 28. Dezember 2020 erhob die Klägerin Klage zum Niedersächsischen Finanzgericht und machte geltend, dass das Finanzamt für die Prüfung der Abzugsteuer nach § 50a EStG nicht zuständig sei.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht hat der Anfechtungsklage stattgegeben und die Prüfungsanordnung insoweit aufgehoben, als sie die Abzugsteuer nach § 50a EStG betrifft (auch nichtige Verwaltungsakte können - trotz ihrer Unwirksamkeit gem. § 124 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) - durch den Stpfl. mit der Anfechtungsklage angegriffen und durch das Finanzgericht aufgehoben werden, vgl. BFH vom 7. August 1985, I R 309/82, BStBl. II 1986, 42, unter II.B.5.).

Gemäß § 195 Satz 1 AO werden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich gemäß § 16 AO, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Finanzverwaltungsgesetz (FVG). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG ist für die Durchführung des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 1 EStG einschließlich des Erlasses von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und der Vollstreckung das BZSt zuständig.

Die Regelung zur Zuständigkeit des BZSt wurde durch das Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform vom 10.8.2009 (BGBl. I 2009, 2701) eingeführt. Der zeitliche Beginn der Zuständigkeit des BZSt wurde durch § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG i.V.m. §§ 1 Nr. 1, 2 Abs. 2 der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren nach den §§ 50 und 50a des Einkommensteuergesetzes auf das Bundeszentralamt für Steuern und zur Regelung verschiedener Anwendungszeitpunkte und weiterer Vorschriften vom 24. Juni 2013 in der Weise definiert, dass das BZSt für alle Vergütungen zuständig ist, die nach dem 31. Dezember 2013 zufließen (davor war das BZSt lediglich für das Freistellungs- und Erstattungsverfahren nach § 50d EStG zuständig; die Zuständigkeit für die nunmehr in § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG geregelten Bereiche des Abzugsteuerverfahrens lag bei dem Finanzamt, das für die Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerveranlagung des Vergütungsschuldners zuständig war).

Nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts lässt sich § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG - entgegen der Ansicht des Finanzamt - nicht so auslegen, dass ausschließlich die dort explizit geregelten Zuständigkeiten ab dem Jahr 2014 auf das BZSt übergehen sollten, während die Finanzämter ihre Zuständigkeit für die Außenprüfung bzgl. der Abzugsteuer nach § 50a EStG behalten sollten. Vielmehr seien die § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG geregelten Zuständigkeitsbereiche inhaltsgleich mit der "Besteuerung" i.S.d. § 195 Satz 1 AO, weshalb das BZSt gemäß dieser Vorschrift auch für die Außenprüfung betreffend die Abzugsteuer zuständig sei.

Das ergebe sich bereits aus der Gesetzesbegründung zum Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform. Gemäß der Gesetzesbegründung sollte durch die Einfügung des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG "die Zentralisierung des Steuerabzugsverfahrens für beschränkt Steuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern“ bewirkt werden (BT-Drs. 12/12400, S. 16).

Die sachliche Zuständigkeit des Finanzamtes für die Außenprüfung betr. die Abzugsteuer könne nicht aus den Vorschriften des § 193 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 194 Abs. 1 S. 4 AO abgeleitet werden. Danach können zwar die steuerlichen Verhältnisse anderer Personen insoweit geprüft werden, als der (durch das Finanzamt zu prüfende) Steuerpflichtige verpflichtet war oder verpflichtet ist, für Rechnung dieser Personen Steuern zu entrichten oder Steuern einzubehalten und abzuführen. Allerdings beziehe sich dies - so das Finanzgericht - auf den sachlichen Umfang der Prüfung und nicht auf die Zuständigkeit. Voraussetzung für die Prüfung in sachlicher Hinsicht sei zunächst die Zuständigkeit für die Prüfung.

Ein Prüfungsauftrag des BZSt an das Finanzamt nach § 195 Satz 2 AO sei auch nicht erteilt worden.

Die Zuständigkeit des Finanzamtes für die Außenprüfung ergebe sich ebensowenig aus § 19 FVG. Hiernach kann das BZSt an Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden mitwirken. Die Vorschrift sei aber - so das Finanzgericht - nur von Relevanz, wenn das BZSt nicht schon originär für die Außenprüfung zuständig sei, was hier aber der Fall sei.

§ 73d Abs. 2 EStDV sei auch keine taugliche Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit des Finanzamtes für die Außenprüfung. Hiernach ist bei der Veranlagung des Vergütungsschuldners und bei der Außenprüfung bei ihm auch zu prüfen, ob die Abzugsteuern nach § 50a EStG ordnungsmäßig einbehalten und abgeführt worden sind. Die Vorschrift regele die sachliche Zuständigkeit nicht, weil bei ihrer Einführung die Zuständigkeit für die Außenprüfung betr. § 50a EStG ohnehin noch bei den Finanzämtern gelegen habe, so dass ein solcher Regelungsgehalt der Vorschrift überflüssig gewesen wäre.

Eine Annexkompetenz des Finanzamtes zu seiner Zuständigkeit für die Lohnsteuer-Außenprüfung gebe es ebenfalls nicht.

Somit sei das BZSt sachlich zuständig für die Außenprüfung betreffend § 50a EStG. Der Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit führe zwar nicht in jedem Fall zur Nichtigkeit des Bescheides. Anders sei das aber bei Verstößen gegen die funktionelle bzw. verbandsmäßige Zuständigkeit als Unterfall der sachlichen Unzuständigkeit, d.h. wenn die unzuständige Behörde zu einer anderen Gebietskörperschaft gehört als die zuständige (vorliegend hatte die Landesbehörde Finanzamt die Prüfungsanordnung anstelle der Bundesbehörde BZSt erlassen). Wenn in solch einem Fall die sachlich zuständige Behörde eine besonders hohe Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung bieten solle, und die Behörde, die die Entscheidung tatsächlich getroffen habe, nicht über eine gleichartige Sachkunde verfüge, führe dies zur Nichtigkeit des Bescheids.

Die Zuständigkeitsübertragung auf das BZSt durch die neue Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG sei gerade deswegen erfolgt, weil das BZSt über eine besondere Sachkunde verfüge und hierdurch eine hohe Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung habe sichergestellt werden sollen. Der Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit stelle einen besonders schweren, offensichtlichen Fehler dar und führe zur Nichtigkeit des Bescheids i.S.d. § 125 AO. Nichtig sei gem. §125 Abs. 4 AO jedoch nur der Teil des Bescheids, der sich auf die Abzugsteuer nach § 50a EStG beziehe, da davon auszugehen sei, dass das Finanzamt den Teil betreffend die Lohnsteuer-Außenprüfung auch ohne den Teil zur Abzugsteuer nach § 50a EStG erlassen hätte.

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 10. März 2021 (7 K 1/21); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 21/21 anhängig.

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