Update: Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen

Das Finanzgericht München hatte über die Frage zu entscheiden, ob bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen eine Aufteilung nach alter und nach neuer Rechtslage zu erfolgen hat, wenn die Wertsteigerungen der Beteiligungen vor Änderung der Rechtslage entstanden sind.

Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass die in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven auf die Haltedauer zu verteilen und nach der damals jeweils gültigen Rechtslage abschnittsweise zu besteuern sind.

Sachverhalt

Streitig ist die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung von einem Kapitalgesellschafts- und einem Personengesellschaftsanteil. Dabei ging es um folgende Rechtsfragen:

Verstößt es gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), dass ein im Jahr 2012 realisierter Veräußerungsgewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) auch insoweit nach dem Teileinkünfteverfahren i.H.v. 60 % besteuert wird, als damit Wertsteigerungen erfasst werden, die noch vor dem 1. Januar 2009 und damit unter der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstanden sind?

Verstößt es gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, dass für einen im Jahr 2012 realisierten Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach § 16 Satz 1 Nr. 2 EStG der begünstigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG 2012 nur bis zum Höchstbetrag von 10 Mio. Euro in Anspruch genommen werden kann, obwohl damit auch Wertsteigerungen erfasst werden, die in Veranlagungszeiträumen entstanden sind, in denen diese Begrenzung noch nicht oder noch nicht in dieser Höhe bestanden hat?

Richterliche Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht München blieb ohne Erfolg.

Veräußert der Steuerpflichtige eine langjährig (hier: seit 1999) gehaltene Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter Geltung des Teileinkünfteverfahrens (hier: im Streitjahr 2012), so ist der Veräußerungsgewinn nach der im Veräußerungsjahr geltenden Gesetzeslage (Steuerbefreiung nach dem Teileinkünfteverfahren in Höhe von 40 % gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG) zu besteuern. Es ist nicht verfassungswidrig und verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, dass ein unter Geltung des Teileinkünfteverfahrens realisierter Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auch insoweit nach dem Teileinkünfteverfahren in Höhe von 60 % besteuert wird, als damit Wertsteigerungen erfasst werden, die noch vor dem 1. Januar 2009 und damit unter der Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstanden sind. Es besteht daher kein Anspruch darauf, dass der Veräußerungsgewinn zeitlich auf die Zeit vor und nach Einführung des Teileinkünfteverfahrens aufgeteilt wird und der auf die Zeit vor Einführung des Teileinkünfteverfahrens entfallende Teil des Veräußerungsgewinns entsprechend dem damals geltenden Halbeinkünfteverfahren nur zu 50 % besteuert wird.

Veräußert der Steuerpflichtige eine langjährig (hier: seit 1968) gehaltene Beteiligung an einer Personengesellschaft im Streitjahr 2012, so ist der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nach der im Veräußerungsjahr geltenden Gesetzeslage (unter anderem halber durchschnittlicher Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG 2012 maximal für einen Teilbetrag des Veräußerungsgewinns in Höhe von 5.000.000 EUR) zu besteuern. Es ist nicht verfassungswidrig, dass während der Haltedauer der Beteiligung bei einer früheren Veräußerung ein Veräußerungsgewinn zeitweise in voller Höhe bzw. betragsmäßig in höherem Umfang einem ermäßigten Steuersatz unterlegen hätte und dass bei der nunmehrigen tatsächlichen Veräußerung im Jahr 2012 Wertsteigerungen nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, die in Veranlagungszeiträumen entstanden sind, in denen die Begrenzung nach § 34 Abs. 3 EStG 2012 noch nicht oder noch nicht in dieser Höhe bestanden hat. Es besteht daher auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass die in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven auf die Haltedauer zu verteilen und nach der damals jeweils gültigen Rechtslage abschnittsweise zu besteuern sind.

Die Revision hatte das Finanzgericht nicht zugelassen. Es wurde aber laut LEXinform Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auch die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sah das Gericht nicht als geboten an.

Update (06. September 2021)

Das Urteil ist laut LEXinform rechtskräftig. Der BFH hat die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 26. März 2021 (IX B 45/20) als unbegründet zurückgewiesen.

Fundstelle

Finanzgericht München, Urteil vom 15. Juli 2020 (7 K 498/19); rkr.

Zum Anfang