Update: Anforderungen zur Leistungsbeschreibung und zum Leistungszeitpunkt für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung

Die Bezeichnung der erbrachten Leistungen als „Trockenbauarbeiten" kann den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung genügen, wenn sie sich auf ein konkret bezeichnetes Bauvorhaben an einem bestimmten Ort bezieht.

Die Angabe des Leistungszeitpunkts kann sich aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Werklieferung oder Werkleistung in dem Monat der Rechnungsausstellung erbracht („bewirkt") wurde (Fortführung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 1.3.2018, V R 18/17, BFHE 261,187, HFR 2018, 987).


Sachverhalt


Die Klägerin, eine juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, erbringt Dienstleistungen für Industrieunternehmen jeder Art.
In 2001 (Streitjahr) machte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus zwei Rechnungen der HT über Trockenbauarbeiten (Rechnung Nr. 1709 v. 30.8.2001: 29.500 DM zuzüglich 4.730 DM Umsatzsteuer sowie Rechnung Nr. 1718 v. 14.9.2001: 5.800 DM zuzüglich 800 DM Umsatzsteuer) geltend. Außerdem beanspruchte sie den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung der KB vom 26.1.2001 über Gerüstbauleistungen (70.500 DM zuzüglich 11.280 DM Mehrwertsteuer).


Nachdem das Finanzamt die Klägerin zunächst antragsgemäß veranlagt hatte, ordnete es eine Außenprüfung an. Im Rahmen dieser Außenprüfung beanstandete der Prüfer, dass hinsichtlich der Rechnungen der HT sowohl die Aufmaße als auch die Leistungsbeschreibung fehlten. Zudem habe ein Bauvertrag nicht vorgelegt werden können. Ein Vorsteuerabzug scheidet somit mangels hinreichend konkreter Leistungsbeschreibung aus. Zudem führte der Prüfer aus, dass die Rechnungsausstellerin (KB) als Scheinunternehmen enttarnt sei. Das Amtsgericht NB (AG) habe den Inhaber der Firma B mit Urteil v. 21.8.2003 wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt.


B bestreite, die streitgegenständlichen Rechnungen ausgestellt zu haben, die Unterschrift auf den Rechnungen sei ihm nicht zuzuordnen. Im Steuerstrafverfahren habe der Geschäftsführer der Klägerin über seinen Rechtsanwalt erklärt, dass die Werkleistungen aufgrund mündlicher Vereinbarungen zwischen ihm und unbekannten Personen erbracht worden seien. Die Klägerin habe die Originalquittung nicht vorgelegt, den Sachverhalt hinsichtlich der Entstehung und Abwicklung der Geschäftsbeziehung nicht aufgeklärt und den tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benannt. Nachweise dazu, dass und in welchem Umfang Leistungen erbracht worden seien, lägen nicht vor. Der Hinweis auf mündlich geschlossene Verträge reiche nicht aus.


Den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend erließ das Finanzamt am 7.9.2006 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt zurück. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der Klage hinsichtlich des revisionsbefangenen Streitjahres mit Urteil v. 24.11.2015, Az. 5 K 5187/15, statt.


Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen identisch sein


Auf die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil des Finanzgerichts insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als das Finanzgericht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung der Firma KB gewährt hat; im Übrigen (hinsichtlich der Rechnungen der Firma HT) wurde die Revision als unbegründet zurückgewiesen.


Soweit das Finanzgericht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung der KB vom 26.1.2001 bejaht hat, ist das Urteil rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der HT hat das Finanzgericht hingegen den Vorsteuerabzug zu Recht bejaht. Richterliche Begründung: Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.


Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die dem Unternehmer erteilte Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen. Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung hat daher u.a. Angaben zum leistenden Unternehmer (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG) zu enthalten. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der KB scheitert an der fehlenden Angabe des leistenden Unternehmers, da feststeht, dass die Leistungen nicht von der Rechnungsausstellerin erbracht wurden.


Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abzug der in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer grundsätzlich nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheitert der Vorsteuerabzug aus der Rechnung der KB. Die streitgegenständliche Rechnung v. 26.1.2001 weist als Aussteller das Einzelunternehmen KB aus, dieses war jedoch nicht der leistende Unternehmer. Denn es bestand keinerlei Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Rechnungsausstellerin (KB), das Gegenstand einer umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung hätte sein können. KB hat weder direkt noch über einen rechtsgeschäftlichen Vertreter zivilrechtliche Vertragsbeziehungen mit der Klägerin unterhalten.


Das Finanzgericht hat zu Recht entschieden, dass der Vorsteuerabzug hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechnungen der HT nicht an einer unzureichenden Leistungsbeschreibung scheitert. Nach ständiger Rechtsprechung muss die Rechnung Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzung erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.


Im Streitfall hat das Finanzgericht angesichts der Besonderheiten des Streitfalls zu Recht festgestellt, dass die Leistungsbeschreibung in den streitbefangenen Rechnungen eine eindeutige Identifizierung der abgerechneten Leistungen ermögliche, da in den Rechnungen von HT ein individualisiertes Bauvorhaben und ein konkretes Gewerk bezeichnet worden seien. Diese Würdigung des FG ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, sodass der BFH an sie gebunden ist.


Im Streitfall erschöpft sich die Leistungsbeschreibung nicht lediglich in einer Tätigkeitsangabe, sondern beinhaltet darüber hinaus konkrete Angaben zum Ort der Leistungserbringung und erlaubt daher nicht nur Rückschlüsse auf die Steuerpflicht, sondern ermöglicht der Finanzverwaltung auch eine Überprüfung der erbrachten Leistungen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts scheitert der Vorsteuerabzug auch nicht an der fehlenden Angabe des Leistungszeitpunkts. Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Angabe des Leistungszeitpunkts (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG) die gemeinschaftsrechtliche Regelung in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen war. Darüber hinaus sieht § 31 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vor, dass als Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung der Kalendermonat angegeben werden kann, in dem die Leistung ausgeführt wird. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann sich die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat bewirkt wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde.


Im Streitfall hatte das Finanzgericht keinen Zweifel daran, dass die Rechnungsdaten mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der ausgewiesenen Dienstleistungen übereinstimmen und daher entschieden, die fehlende Angabe des genauen Leistungszeitpunkts stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Die streitgegenständlichen Rechnungen sind am 30.8.2001 und am 14.9.2001 (HT) ausgestellt worden. Der erkennende Senat geht davon aus, dass es sich bei den erbrachten Trockenbau- und Gerüstbauarbeiten um Werklieferungen oder -leistungen handelt, die im Zeitpunkt der Abnahme erbracht („bewirkt") werden. Im Hinblick darauf, dass die hierfür geschuldete Vergütung im Zeitpunkt der Abnahme fällig wird und die Rechnungserteilung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abnahme als branchenüblich anzusehen ist, folgt damit aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung die Leistungserbringung im Kalendermonat der Rechnungserteilung (hier: August 2001 und September 2001). Die Angabe des Ausstellungsdatums ist mithin als Angabe i.S.v. § 31 Abs. 4 UStDV anzusehen.


Ohne Erfolg argumentiert das Finanzamt insoweit, das Finanzgericht habe keine (konkreten) Feststellungen zu den jeweiligen Leistungszeitpunkten getroffen. Abgesehen davon, dass das Finanzgericht den Sachverhalt dahingehend gewürdigt hat, dass die Rechnungsdaten mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der ausgewiesenen Dienstleistungen übereinstimmen, ist es nach der Senatsrechtsprechung nicht erforderlich, dass taggenaue Feststellungen zum Leistungszeitpunkt getroffen werden, wenn – wie im Streitfall – nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistungserbringung im Abrechnungsmonat erfolgte.

Update (23. August 2022)

Das Urteil V R 29/19 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2021, Seite 646.

Update (14. September 2021)

Im Anschluss an die BFH-Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug (Angabe des Leistungszeitpunkts bzw. -zeitraums in der Rechnung) in den Urteilen vom 1. März 2018, V R 18/17 und vom 15. Oktober 2019, V R 29/19 (V R 44/16) hat das BMF mit Datum vom 9. September ein Schreiben veröffentlicht. Unter Berücksichtigung der beiden Urteile werden Abschn. 14.5 Abs. 15, Abschn. 15.2a Abs. 1a, Abs. 2 Satz 10 Nr. 1, Abs. 5 sowie Abschn. 15.11 Abs. 3 UStAE geändert.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 15. Oktober 2019, V R 29/19 (V R 44/16), veröffentlicht am 9. Januar 2020.

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