Landesamt für Steuern Niedersachsen zur vorläufigen Umsetzung des Verzinsungsurteils des BVerfG
Das Landesamt für Steuern Niedersachsen (LStN) hat hinsichtlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur 6%-Verzinsung und dessen vorläufiger Umsetzung in der Praxis Stellung genommen.
Hintergrund
Mit seinem am 18.08.2021 veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die gesetzlich geregelte 6%-Verzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen für verfassungswidrig erklärt. Die Finanzämter dürfen das Gesetz nur noch für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 31.12.2018 weiter anwenden. Für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Der Gesetzgeber hat dafür Zeit bis zum 31.07.2022.
Zu den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
Es geht erstens ausdrücklich nur um Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, nicht um Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen. Anträge wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit dieser anderen Zinsen werden die Finanzämter - entsprechend dem weiter geltenden Gesetz – ab sofort wieder ablehnen.
Es geht zweitens nur um die gesetzliche 6%-Regelung zur Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen für die Zeit ab 2019. Für die Zeit bis dahin hat das BVerfG das Gesetz ausdrücklich für weiter anwendbar erklärt. Zinsfestsetzungen für die Zeit bis 31.12.2018, die bislang wegen der ausstehenden Entscheidung des BVerfG noch vorläufig oder in ihrer Wirkung ausgesetzt waren, sind nun als endgültig anzusehen. Wenn die Finanzämter bislang für die Zeit bis 31.12.2018 auf die Zahlung von Nachzahlungszinsen im Wege der Aussetzung der Vollziehung vorläufig verzichtet haben, ist dies jetzt nicht mehr möglich: Die Steuerpflichtigen müssen auch diese Beträge nachentrichten.
Aktuell ist somit offen, wie für die Zeit ab 2019 zu verfahren sein wird. Denn nach der Entscheidung des BVerfG ist es nun Sache des Gesetzgebers, für die Zeit ab 01.01.2019 eine Ersatzregelung zur Verzinsung von Nachzahlungen und Erstattungen zu treffen. Bundestag und Bundesrat haben hierfür Zeit bis zum 31.07.2022, und sie können die Regelung auch rückwirkend ab 2019 in Kraft setzen. Endgültige, nicht mehr änderbare Zinsfestsetzungen für Zeiten ab 01.01.2019 sind wegen der sog. „Bestandskraft“ hiervon grundsätzlich nicht betroffen.
Hinweise zur Verfahrensweise der Finanzämter
Ausführlich nimmt die niedersächsische Steuerverwaltung nun zur Frage Stellung, wie die Finanzämter bei Zinsfestsetzungen für die Zeit ab 01.01.2019 mit vorläufiger Wirkung zu verfahren haben:
- Bescheide, mit denen eine erstmalige Festsetzung von Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen einhergehen würde, werden von vornherein in Bezug auf diese Zinsen vorläufig „auf null“ gesetzt, bis der Gesetzgeber die Ersatzregelung geschaffen hat.
- Vor der Entscheidung des BVerfG ergangene Bescheide, die noch nicht endgültig sind, bleiben grundsätzlich weiterhin nicht endgültig, solange sie von keinem der Beteiligten „angefasst“ werden.
- Vor der Entscheidung des BVerfG ergangene Bescheide, die jetzt - warum auch immer - geändert werden (müssen), komme es darauf an, ob sich durch die Änderung für den Steuerpflichtigen eine (weitere) Nachzahlung ergibt oder ob ihm etwas zu erstatten ist.
Je nachdem, wie der Gesetzgeber sodann die Ersatzregelung ausgestaltet, werden die Finanzämter die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zu gegebener Zeit entsprechend neu festsetzen.
Fundstelle
Landesamt für Steuern Niedersachsen, Pressemitteilung vom 17. September 2021. Die ausführliche Pressemitteilung finden Sie hier.