Update: Keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mietzinsen, die zu den Herstellungskosten unterjährig ausgeschiedenen Umlaufvermögens gehören
Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, soweit sie in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens einzubeziehen sind.
Insoweit reicht es aus, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden und deshalb hätte aktiviert werden müssen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Streitig ist, ob Miet- und Pachtzinsen anteilig gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn hinzuzurechnen sind, soweit sie zu Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens gehören würden, die vor dem Bilanzstichtag ("unterjährig") aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind.
Die Klägerin ist eine in der Rechtsform der GmbH betriebene Baugesellschaft, die im Streitjahr 2008 regelmäßig Zubehör zu Baustelleneinrichtungen (Betonpumpe, Betongeräte, Systemschalungen, Bauzäune, Magazine, Unterkünfte, Toiletten, Kräne, Hebewerkzeug und Gerüste) anmietete. Die hierfür im Streitjahr entrichteten Entgelte betrugen rund 925.000 € netto.
Auf der Grundlage einer im Jahr 2012 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die in den Mieten/Pachten enthaltenen Finanzierungsentgelte gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG dem Gewinn hinzuzurechnen seien.
Die Klage vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein blieb ohne Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.
Das Finanzgericht hat zu Unrecht angenommen, dass es sich bei den im Streitjahr 2008 angefallenen Aufwendungen für die Anmietung von Zubehör zu Baustelleneinrichtungen um nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnende Mietzinsen handelt.
Nach dem Einleitungssatz des § 8 GewStG sind die genannten Miet- und Pachtzinsen nur hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Die für die Anmietung des Zubehörs zu Baustelleneinrichtungen angefallenen Mietzinsen sind nicht i.S. des Einleitungssatzes des § 8 GewStG bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden, soweit sie als Baustelleneinzelkosten zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens gehören. Dies gilt auch dann, wenn das Erzeugnis bereits während des Erhebungszeitraums fertiggestellt wurde und aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Die getätigten Aufwendungen verlieren mit der Umqualifizierung in Herstellungskosten ihren ursprünglichen Mietzinscharakter.
Miet- und Pachtzinsen werden vom Hinzurechnungstatbestand nicht mehr erfasst, soweit sie in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts eingeflossen sind. Denn soweit sie nur noch über die Berücksichtigung der Herstellungskosten gewinnwirksam werden, handelt es sich weder begrifflich noch wirtschaftlich um Gewinnminderungen durch Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG.
Die Umqualifizierung hängt nicht davon ab, ob es sich um Herstellungskosten von Anlagevermögen oder von Umlaufvermögen handelt. Sind Miet- oder Pachtzinsen den Herstellungskosten von Umlaufvermögen zuzuordnen, können sie nur noch als Herstellungskosten zu einer Gewinnminderung führen.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Finanzamtes findet eine Hinzurechnung auch dann nicht statt, wenn keine Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag stattgefunden hat. Es kommt allein auf die Umqualifizierung der Mietzinsen in Herstellungskosten und nicht auf die Speicherung der Mietzinsen am Bilanzstichtag und deren Verschiebung in eine andere Periode an. Entsprechend den Ausführungen im BFH Urteil v. 30. April 2003 (I R 19/02) ist daher maßgeblich, inwieweit die jeweiligen Aufwendungen den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff erfüllen.
Insofern haben die Beteiligten einvernehmlich und zu Recht angenommen, dass es sich bei den für Zubehör zu Baustelleneinrichtungen (Betonpumpe, Betongeräte, Systemschalungen, Bauzäune, Magazine, Unterkünfte, Toiletten, Kräne, Hebewerkzeug und Gerüste) gezahlten Mietzinsen um Herstellungskosten der am Bilanzstichtag aktivierten unfertigen Bauleistungen handelt, soweit sie diesen als Baustelleneinzelkosten zugeordnet werden können.
Die dargelegte Auffassung steht im Einklang mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)).
Update (03. Juni 2022)
Das Urteil III R 24/18 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 279.
Update (10. Februar 2022)
Das FG Köln hat sich im Urteil 13 K 703/17 vom 25. November 2021 dem BFH-Urteil III R 24/18 angeschlossen und entschieden, dass Finanzierungsaufwendungen, die Bauzeitzinsen im Sinne des § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB darstellen, auch dann nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchstabe a GewStG unterliegen, wenn sie zur Herstellung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens dienen und diese am Bilanzstichtag durch Veräußerung bereits wieder aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind.
Da das FG die Rechtslage als durch die BFH-Urteile III R 24/18 und IV R 31/18 (siehe Update vom 24. September 2021) geklärt ansah, hat es die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Das Finanzamt, welches sich für die Gegenauffassung auf die Tz. 2 und 13 der gleich lautenden Ländererlasse vom 02. Juli 2012 beruft, hatte deswegen beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde (Az. III B 145/21) eingelegt.
Laut LEXinform ist das Urteil nach Rücknahme der NZB inzwischen rechtskräftig.
Update (24. September 2021)
Mit dem am 23. September 2021 veröffentlichten NV-Urteil vom 20.5.2021 (IV R 31/18), hat der IV. Senat des BFH die vorliegende Rechtsprechung des III. Senats (III R 24/18) bestätigt.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 30. Juli 2020 (III R 24/18), veröffentlicht am 12. November 2020.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils lesen Sie hier.