Haftung bei Forderungsabtretung

Bei der Haftung gemäß § 13c UStG ist von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen, wenn der Zedent über sein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt werden, nicht mehr frei verfügen kann, da eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vorliegt und der Zessionar Belastungsbuchungen regelmäßig nicht durchführt. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Bank, bei der eine GmbH mehrere Kontokorrentkonten unterhielt. Auf diesen Konten gingen Zahlungen aus diversen Ausgangsrechnungen der GmbH aus den Voranmeldungszeiträumen Juli und August 2007 ein, die diese zuvor an die Klägerin abgetreten hatte. Die Konten waren regelmäßig über die vereinbarte Kreditlinie hinaus belastet. Die GmbH zahlte die Umsatzsteuern für Juli und August 2007 aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz nicht.

Das Finanzamt nahm die Klägerin nach § 13c Umsatzsteuergesetz (UStG) für die in den auf den Konten der GmbH eingegangenen Forderungen enthaltenden Umsatzsteuerbeträge für Juli und August 2007 in Haftung. Aufgrund der Kontoüberziehungen seien die Beträge als von der Klägerin vereinnahmt anzusehen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass die Abtretung nicht offengelegt worden sei und deshalb der Haftungstatbestand nicht eingreife. Ferner sei § 13c UStG unverhältnismäßig und verstoße damit gegen höherrangiges Recht.

Die Klage vor dem Finanzgericht Münster blieb ohne Erfolg (vgl. unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die zwischen den Beteiligten streitigen Voraussetzungen der Steuerfestsetzung und der Vereinnahmung hat das Finanzgericht zutreffend bejaht.

Die von der GmbH für die Monate Juli und August 2007 abgegebenen Voranmeldungen der GmbH führten gemäß § 168 Satz 1 Abgabenordnung (AO) zu Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung. Diese können Grundlage für die Haftung nach § 13c UStG sein (BFH, Urteil vom 21. November 2013, V R 21/12, Leitsatz 1).

Es liegt auch die für die Haftung erforderliche Vereinnahmung vor.

Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung den Begriff der Vereinnahmung i. S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG nach den Kriterien ausgelegt, die für die Vereinnahmung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG gelten. Danach muss der Abtretungsempfänger eine Zahlung aus der abgetretenen Forderung erhalten (BFH, Urteil vom 20. März 2013, XI R 11/12, Rz. 37), was auch im Rahmen einer sog. stillen Zession durch Gutschrift auf einem Konto erfolgen kann, das der Zedent beim Zessionar unterhält (BFH, Urteil vom 20. März 2013, XI R 11/12, Rz. 50 f.). Entsprechend der Rechtsprechung zu § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 und Buchst. b UStG ist auch für die Vereinnahmung i. S. von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG maßgeblich, dass über die Gegenleistung (als den zu vereinnahmenden Betrag) wirtschaftlich verfügt werden kann.

Im hier vorliegenden Fall der Überweisung auf ein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto des Zedenten kommt es für die Vereinnahmung i.S. von § 13c UStG nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darauf an, ob der Zedent über dieses Konto bei der Gutschrift hinsichtlich des Überweisungsbetrags in der Weise verfügungsberechtigt ist, dass er den Betrag der Gutschrift abheben oder für frei gewählte Überweisungen nutzen kann, oder ob der Zessionar eine ihm zustehende Rechtsmacht ausübt, dies zu verhindern.

Dabei reicht es bereits aus, dass der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Denn dann entscheidet der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, sodass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist.

Danach ist im Streitfall von einer Vereinnahmung auszugehen. Für das vom Zedenten bei der Klägerin debitorisch geführte Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt wurden, lag eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vor. Nach den für den BFH bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (§ 118 Abs. 2 FGO) führte die Klägerin Belastungsbuchungen in mehreren Fällen ("regelmäßig") nicht durch. Aufgrund dieser Rechtsausübung ist in Bezug auf Gutschriften von Überweisungsbeträgen auf dem Konto der GmbH von einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Klägerin auszugehen. Wie das Finanzgericht somit zutreffend entschieden hat, konnte die GmbH über das Hauptkonto nicht mehr frei verfügen.

Es liegen auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen des § 13c UStG vor. Insbesondere hatte die Klägerin Forderungen aus den steuerpflichtigen Leistungen vereinnahmt, die mit den Voranmeldungen Juli und August 2007 versteuert wurden, wie sich aus der Anlage zum Haftungsbescheid ergibt.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22. Juni 2021 (V R 16/20), veröffentlicht am 14. Oktober 2021.

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