EuGH zum Nachweis der Unternehmereigenschaft („Leistender als „Steuerpflichtiger“ im Sinne der MwSt-Richtlinie)
In einem tschechischen Fall hatte der EuGH erneut Gelegenheit, zu den materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs Stellung zu nehmen. Der Fokus der richterlichen Prüfung lag im aktuellen Fall auf Fragen zum Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistenden als Steuerpflichtiger im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie.
In einem tschechischen Vorabentscheidungsersuchen ging es ähnlich wie in der Rechtssache C-281/20, Ferimet * (auf die der EuGH im Übrigen in seiner aktuellen Urteilsbegründung mehrfach verweist) um die Vorsteuerabzugsberechtigung in Fällen von vermuteter Steuerhinterziehung oder Steuermissbrauch. Das Vorlagegericht wollte im Kern geklärt wissen, ob es mit der MwStSystRL vereinbar ist, wenn die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug davon abhängig gemacht wird, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass der von ihm erhaltene steuerpflichtige Umsatz von einem bestimmten anderen Steuerpflichtigen bewirkt worden ist.
Nach Meinung des EuGH ist der Vorsteuerabzug zu versagen, ohne dass die Steuerverwaltung nachweisen müsste, dass der Steuerpflichtige eine Mehrwertsteuerhinterziehung begangen hat oder davon wusste oder hätte wissen müssen, wenn dieser Steuerpflichtige nicht nachweist, dass der wahre Lieferer der betreffenden Gegenstände oder der wahre Erbringer der betreffenden Dienstleistungen „Steuerpflichtiger“ war. Dies gelte aber nur dann, so der EuGH, sofern unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Informationen die für die Prüfung erforderlichen Angaben fehlen.
* Anmerkung: Der Fall Ferimet (EuGH-Urteil vom 11. November 2021, C-281/20) betraf die Frage, ob der Vorsteuerabzug aus der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) scheitert, wenn die Lieferung von recyclingfähigen Materialien (Alteisen) zwar erfolgt ist, aber der Eigenbeleg des Abnehmers einen fiktiven Lieferer ausweist, wodurch die Identität des Lieferers verschleiert wird, so dass die Lieferkette nicht mehr kontrolliert werden kann. Nach dem Befund der Steuerinspektion, Spanien seien die in Rede stehenden Materialien unbestrittenermaßen geliefert worden, doch stelle der fragliche Umsatz ein Scheingeschäft dar, weil der wirkliche Lieferer der Materialien absichtlich verheimlicht worden sei. Dazu der EuGH: Im vorliegenden Fall sei im Rahmen der umfassenden Beurteilung die Tatsache, dass der das Recht auf Vorsteuerabzug geltend machende Steuerpflichtige, der die Rechnung ausgestellt hat, bewusst einen fiktiven Lieferer in dieser Rechnung angegeben hat, ein relevanter Anhaltspunkt dafür, dass ihm bekannt war, dass er an einer Lieferung von Gegenständen teilnahm, die in eine Hinterziehung der Mehrwertsteuer einbezogen war. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob dies im Rahmen des Ausgangsverfahrens tatsächlich der Fall ist (Urteil Ferimet, Rz. 53).
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 9. Dezember 2021 (C‑154/20), Kemwater ProChemie