Update: Kapitaleinkünfte aus der Zuteilung neuer Aktien im Rahmen eines Spin-Offs

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat zu der Frage Stellung genommen, wie die Zuteilung neuer Aktien im Rahmen der Aufspaltung eines US-amerikanischen Unternehmens (durch sog. Spin-Off) steuerlich zu behandeln ist.

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten und waren Inhaber von 375 Aktien der US-amerikanischen A Inc. (A). Die A gliederte im Jahr 2012 ihre Sparte für Nordamerika als selbstständiges Unternehmen unter der Bezeichnung B Inc. (B) aus dem bisherigen Unternehmen aus. Gleichzeitig änderte A die Namensbezeichnung für den verbliebenen Unternehmensteil in C Inc. (C).

Als Ergebnis dieses sog. Spin-off erhielt jeder Anteilseigner für jede A-Aktie (im Verhältnis 3:1) zusätzliche neue B-Aktien zugeteilt, ohne dass das Kapital der C herabgesetzt wurde. Den Klägern wurden daher 125 Aktien an der B zugewiesen und 2012 in ihre Depots eingebucht. Die depotführende Bank behandelte die Einbuchung der neuen Aktien als steuerpflichtige Sachausschüttung und behielt Kapitalertragsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Ausländische Quellensteuer wurde nicht berechnet.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 wiesen die Kläger (zwar) die streitbefangenen Kapitalerträge aus. In einer beigefügten Anlage erklärten sie jedoch, dass die Zuteilung der B-Aktien zu Unrecht als Sachausschüttung behandelt worden sei. Es habe sich um eine reine Kapitalrückzahlung gehandelt, die nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass die US-amerikanischen Behörden die Ausgliederung als steuerfrei behandelt hätten.

Das beklagte Finanzamt erfasste im Einkommensteuerbescheid wegen der Zuteilung der neuen Aktien einen unbaren Kapitalertrag.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die hiergegen erhobene Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Übertragung der neuen und eigenständigen Anteile an der B auf die Kläger habe zu im Inland steuerbaren Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) geführt. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gehörten Bezüge zwar dann nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 Körperschaftsgesetz (KStG) als verwendet gelten. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sei aber auch auf eine Einlagenrückgewähr durch eine Körperschaft anzuwenden, die --wie im Streitfall-- in einem Drittstaat ansässig sei und kein Einlagekonto gemäß § 27 KStG führe.

Bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts auf ausländische Sachverhalte und damit auch bei der Prüfung eines sog. Spin-off sei eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen.

Eine Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen könne vorliegen, wenn die Leistungen der Kapitalgesellschaft im Wirtschaftsjahr das Nennkapital und den im Vorjahr festgestellten ausschüttbaren Gewinn überstiegen. Eine Einlagenrückgewähr könne sich auch aus der nach ausländischem Recht aufgestellten Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft ergeben. Demgegenüber sei eine Sachausschüttung mit einer Dividende i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vergleichbar, wenn sie aus vorhandenen --laufenden oder in früheren Jahren angesammelten-- Jahresüberschüssen der Gesellschaft (earnings und profits) gezahlt werde.

Nach diesen Maßstäben sei die streitbefangene Sachausschüttung mit einer Dividende vergleichbar. Denn aus den Bilanzberichten der C ergebe sich, dass die Sachausschüttung aus den „Retained Earnings“ gezahlt worden sei. Der Bilanzposten „Retainend Earnings“ sei im Zusammenhang mit dem Spin-off der B vermindert worden.

Das Finanzgericht hatte die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (VIII B 18/19) hatte aber Erfolg.

Update (25. Juli 2022)

Das Urteil VIII R 7/20 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 366.

Update (05. Januar 2022)

Mit Urteil vom 19. Oktober 2021, VIII R 7/20, hat der BFH das Urteil der Vorinstanz FG Baden-Württemberg vom 30. November 2018, 13 K 3111/18 aufgehoben und der Klage stattgegeben. Zwar sei die Auffassung des FG zutreffend, nach der die Zuteilung neuer Aktien an der übernehmenden Gesellschaft (Rechtsform: Inc.) an den inländischen Aktionär der übertragenden Gesellschaft (ebenfalls eine Inc.) im Rahmen eines US-amerikanischen "spin-off" isoliert betrachtet als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar und weder als Einlagenrückgewähr i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG oder § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG von der Besteuerung auszunehmen sind.

Allerdings fallen Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG. Im Anschluss an die BFH-Urteile VIII R 9/19 (Blogbeitrag) und VIII R 15/20 (Blogbeitrag) vom 01. Juli 2021 kann ein ausländischer "Spin-Off", der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte - wie im Streitfall - in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt. Im Ergebnis löst der Vorgang bei den inländischen Aktionären im Streitjahr 2012 damit keine Besteuerung aus.

Fundstelle

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2018 (13 K 3111/18), siehe den Newsletter 1/19 des Finanzgerichts; die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 7/20 anhängig.

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