Update: Eingeschränkte Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften einer Personengesellschaft
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Einkünfte einer Personengesellschaft aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen aufgrund zusätzlicher gewerblicher Beteiligungseinkünfte bei der Einkommensteuer in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden, aber nicht der Gewerbesteuer unterliegen.
Sachverhalt
Im Streitfall erzielte eine KG hauptsächlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Daneben wurden ihr in geringem Umfang (negative) gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen an anderen Personengesellschaften zugerechnet.
Die Einkünfte einer Personengesellschaft gelten einkommensteuerrechtlich nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in zwei Fällen insgesamt als gewerblich. Diese sog. Abfärbewirkung greift ein, wenn zu den Einkünften einer Personengesellschaft auch Einkünfte aus originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) oder aus der Beteiligung an einer anderen gewerblichen Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG) gehören.
Im Fall von Gesellschaften, die neben nicht gewerblichen Einkünften auch solche aus einer originär gewerblichen Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) erzielen, hatte der BFH bereits entschieden, dass geringfügige gewerbliche Einkünfte nicht zur Abfärbung führen.
Auf eine solche Geringfügigkeitsgrenze berief sich im Streitfall auch die KG in Bezug auf ihre gewerblichen Beteiligungseinkünfte. Sie machte geltend, dass eine Abfärbung der gewerblichen Beteiligungseinkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG angesichts deren Geringfügigkeit unverhältnismäßig sei.
Nachdem sich das Finanzgericht Baden-Württemberg dieser Auffassung nicht angeschlossen hatte, legte die Klägerin Revision beim BFH ein.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Einkommensteuerrechtlich führen nach seinem Urteil gewerbliche Beteiligungseinkünfte unabhängig von ihrem Umfang immer zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte. Es handele sich insoweit um eine grundsätzlich zulässige Typisierung, mit der Einkünfte einer Einkunftsart insgesamt einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden. Nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles könne diese Umqualifizierung für den Steuerpflichtigen auch zu steuerrechtlichen Vorteilen wie etwa bei einer Verlustberücksichtigung oder einer Rücklagenbildung führen.
Im Hinblick auf die Gewerbesteuer sei die Abfärbewirkung aufgrund gewerblicher Beteiligungseinkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG), anders als die Abfärbewirkung bei originär gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG), aber nur dann verfassungsgemäß, wenn die infolge der Abfärbung gewerblichen Einkünfte nicht gewerbesteuerbar seien. Nur so werde eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern vermieden.
In seiner Begründung bezog sich der BFH auf den Schutz des Gewerbesteueraufkommens als Gesetzeszweck. Die Abfärbewirkung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit verhindere, dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Diese Gefahr bestehe bei gewerblichen Beteiligungseinkünften nicht, so dass es insoweit keiner Abfärbewirkung bedürfe. Zudem seien die gewerblichen Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft (im Streitfall: KG) einkommensteuerrechtlich zur Gewerblichkeit der weiteren Einkünfte führen, bei ihr im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Kürzung ohnehin nicht mit Gewerbesteuer belastet.
Update (14. Februar 2022)
Der BFH hat der Nichtzulassungsbeschwerde VIII B 38/21 des Finanzamtes gegen das Urteil 3 K 139/20 des Finanzgerichts Hamburg (siehe Update vom 14. Mai 2021) stattgegeben. Die Revision hat das Az. VIII R 1/22.
Update (13. Oktober 2021)
In einem weiteren Verfahren hat sich auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. März 2021, 6 K 6322/17, der Auffassung des BFH (Urteil vom 6. Juni 2019, IV R 30/16) angeschlossen, wonach eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG allein nicht zur Gewerbesteuerpflicht einer rein vermögensverwaltenden Oberpersonengesellschaft führen kann. In dem vom Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall war allerdings bereits die Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG strittig, da die Klägerin (eine gemäß der Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vermögensverwaltende Personengesellschaft) aus der gewerblichen Personengesellschaft, an der sie als Mitunternehmerin beteiligt war, im Streitjahr keinen Gewinn bezogen hatte.
Unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 26. Juni 2014, IV R 5/11, ist das Finanzgericht Berlin-Brandenburg mangels Gewinnbezugsrecht der Klägerin im Streitjahr davon ausgegangen, dass bereits die Voraussetzungen für eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG nicht erfüllt waren. In dem Urteil vom 26. Juni 2014, IV R 5/11 hatte der BFH entschieden, dass es für die Abfärbewirkung nicht genügt, dass eine an einer weiteren Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft als Mitunternehmer anzusehen ist. Vielmehr wird auch ein "Bezug" von Gewinnanteilen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus dieser gewerblichen Mitunternehmerschaft vorausgesetzt. Nach Auffassung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg ändert auch die als Reaktion auf die BFH-Entscheidung erfolgte rückwirkende Änderung von § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (“JStG 2019“) vom 12. Dezember 2019 auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 nichts daran, dass überhaupt ein Bezug von Einkünften im maßgeblichen Veranlagungszeitraum erfolgen muss, auch, wenn die Abfärbewirkung nach der Neuregelung unabhängig davon eingreife, ob ihre von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG erfassten Einkünfte positiv oder negativ sind.
Zusätzlich ist in dem Verfahren auch strittig, ob die Klägerin aufgrund gewerblicher Forderungsankauf- und Ablösungstätigkeit bereits originär gewerblich tätig war.
Die durch die Finanzverwaltung eingelegte Revision ist unter dem Az. IV R 10/21 beim BFH anhängig.
Update (15. September 2021)
Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 26. Juni 2020, 4 K 3437/11, entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG in den Streitjahren 2003 bis 2005 verfassungskonform so auszulegen ist, dass eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und nur kraft Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG i.d.F. vom 13. Dezember 2006 als Gewerbebetrieb gilt, weil sie an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft beteiligt ist, mit ihren - nach Kürzung um die gewerblichen Beteiligungseinkünfte gemäß § 9 Nr. 2 GewStG - verbleibenden originär nicht gewerblichen Einkünften nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
Das Finanzgericht folgt insoweit dem Urteil des BFH vom 6. Juni 2019, IV R 30/16, da ansonsten eine Ungleichbehandlung (Schlechterstellung) der Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer vorliege, der gleichzeitig mehrere verschiedene Einkunftsarten verwirklichen könne, mit der Folge, dass bei ihm nur die originär gewerbliche Tätigkeit der Gewerbesteuer unterliege.
Das Finanzamt hatte zuvor mitgeteilt, dass es auch nach dem Ergehen des BFH-Urteils vom 6. Juni 2019, IV R 30/16, an seiner bisherigen Rechtsauffassung bezüglich der Gewerbesteuerbarkeit der originär nicht gewerblichen Einkünfte festhalte. (vgl. GlE v. 1.10.2020, siehe unseren Blogbeitrag)
Außerdem entschied das Finanzgericht, dass in der rückwirkenden Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 i.V.m. § 52 Abs. 32a EStG i.d.F. vom 13. Dezember 2006 auf Jahre vor 2006 kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vorliege.
Dies ergäbe sich daraus, dass mit der Neufassung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 die – bis zum BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004, IX R 53/01, – geltende Rechtsprechung und Rechtspraxis gesetzlich verankert worden sei. Es sei daher unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber diese Rechtslage rückwirkend festgeschrieben hat. Auch der BFH hatte dies mit Urteil vom 19. Juli 2018, IV R 39/10, vgl. , entschieden.
Die durch die Finanzverwaltung eingelegte Revision ist unter dem Az. IV R 24/20 beim BFH anhängig.
Update (14. Mai 2021)
Das Finanzgericht Hamburg hat die in den gleich lautenden Ländererlassen vom 1. Oktober 2020 geäußerte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (siehe unseren Blogbeitrag), dass die Ausführungen des BFH im Urteil IV R 30/16 vom 6. Juni 2019 zur Abfärbung der Gewerblichkeit bei doppelstöckigen Personengesellschaften nicht auf die Gewerbesteuer zu übertragen seien, durch Urteil vom 25. Februar 2021, 3 K 139/20, verworfen und den Gewerbesteuermessbescheid aufgehoben, den das Finanzamt unter Berufung auf die Verwaltungsmeinung für die (freiberuflich tätige) Ober-Personengesellschaft erlassen hatte.
Das Finanzgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtslage durch das BFH-Urteil IV R 30/16 geklärt sei. Das Finanzamt hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. VIII B 38/21 beim BFH anhängig ist.
Update (10. Dezember 2020)
Das Urteil IV R 30/16 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2020, Seite 649.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 6. Juni 2019 – (IV R 30/16), veröffentlicht am 1. August 2019.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.