EuGH: Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen einer geschäftsleitenden Holding?

Aufgrund einer Vorlage des Bundesfinanzhofs zum Vorsteuerabzug einer Funktionsholding soll der Europäische Gerichtshof klären, ob von einer Holding bezogene Vorleistungen auch dann zu den allgemeinen Kosten ihrer entgeltlichen Verwaltungsdienstleistungen gehören können, wenn die Eingangsleistungen unentgeltlich als Gesellschafterbeiträge eingelegt werden. In seinen heutigen Schlussanträgen hat sich der Generalanwalt in der vorgegebenen Konstellation gegen einen Vorsteuerabzug ausgesprochen.

Hintergrund und Ausgangslage

Der BFH hat dem EuGH zwei Fragen zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding vorgelegt. Mit der ersten Frage soll geklärt werden, ob der Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holdinggesellschaft möglich ist, obwohl die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den (weitgehend) steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, die bezogenen Eingangsleistungen in den Preis der (an die Tochtergesellschaften erbrachten) steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und auch nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören. Bei Bejahung des Vorsteuerabzugs solle in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn eine geschäftsleitende Holding derart in den Leistungsbezug ihrer Tochtergesellschaften „zwischengeschaltet“ wird, dass erstere mit vollem Vorsteuerabzug Leistungen beziehen können, die sie als Gesellschafterbeiträge an ihre Beteiligungsgesellschaften weiterleiten, wo sie letztlich in steuerfreie Ausgangsumsätze einfließen. Mehr zum Vorlagebeschluss des BFH in unserem Blogbeitrag vom 4. März 2021.

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte zuvor der Klage stattgegeben. Dem BFH erscheint hier allerdings ein Vorsteuerabzug fragwürdig, da dies dazu führen könne, dass im steuerfreien Bereich flächendeckend Holdings zwischengeschaltet werden. Im Lichte des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-132/16 Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments hatte der BFH bereits in einem früheren Urteil vom 06.04.2016 (V R 6/14) den Vorsteuerabzug einer Holding versagt, weil das eingeworbene Kapital nicht im Zusammenhang mit den Kosten der Beteiligung oder den an die Tochtergesellschaft erbrachten Leistungen stand.

Schlussanträge des Generalanwalts

In Beantwortung der ersten Vorlagefrage verneint der Generalanwalt (GA) in seinen Empfehlungen für das Gericht den Vorsteuerabzug der Holding. Der Umstand, dass ein Teil der Ausgaben des Steuerpflichtigen nicht für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze, sondern für die Zwecke der Umsätze eines Dritten getätigt wurde, ist geeignet, den direkten und unmittelbaren Zusammenhang, der zwischen dem Erwerb der Eingangsleistungen und dem Ausgangsumsatz bestehen muss, zu unterbrechen. Dies könne dazu führen, dass der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer nicht in vollem Umfang in Abzug bringen kann. Im Übrigen schließt sich der GA den Feststellungen des BFH an: Sollte man der von der Klägerin vorgeschlagenen und vom Finanzgericht anerkannten Argumentation folgen, so liefe dies darauf hinaus, bei jedem Eingriff einer Holding in die Tochtergesellschaften, die eine von der Steuer befreite Tätigkeit ausüben, eine umfassende Vorschaltung der Holding beim Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen, die der Tätigkeit der Tochtergesellschaften dienen, zu legitimieren und unter Missachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer ein Recht auf vollen Vorsteuerabzug zu erhalten.

Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Vorlagefrage bejahen sollte, geht der GA im Hinblick auf die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage von einem Rechtsmissbrauch aus: Wenn eine geschäftsleitende Holding derart in den Leistungsbezug von Tochtergesellschaften „zwischengeschaltet“ wird, dass sie die Leistungen, für die den Tochtergesellschaften bei unmittelbarem Leistungsbezug kein Recht auf Vorsteuerabzug zustünde, selbst bezieht, in die Tochtergesellschaften gegen Beteiligung an deren Gewinn einlegt und anschließend unter Berufung auf ihre Stellung als geschäftsleitende Holding den vollen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen geltend macht, stelle dies einen Steuervorteil dar, dessen Gewährung dem mit den Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie über den Vorsteuerabzug verfolgten Ziel zuwiderläuft. Dies stelle einen Rechtsmissbrauch dar, auch wenn er durch außersteuerrechtliche Gründe gerechtfertigt werden kann, sofern ersichtlich ist, dass damit im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird.

Fundstelle

EuGH, Schlussanträge vom 3. März 2022 in der Rechtssache C-98/21, Finanzamt R (Déduction de TVA liée à une contribution d’associé)

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