Update: Keine fristwahrende Einreichung der Steuererklärung beim örtlich unzuständigen Finanzamt

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat, in Abgrenzung zu seiner früheren Rechtsprechung, entschieden, dass die Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bis zum Ablauf des letzten Tages der Festsetzungsfrist, mithin bis 24:00 Uhr, beantragt werden kann. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird gemäß § 171 Abs. 3 AO nur dann gehemmt, wenn die für die Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG erforderliche Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist beim örtlich zuständigen Finanzamt eingeht.

Sachverhalt

Der Kläger warf seine Einkommensteuererklärung für 2009 am 31.12.2013 in den Nachtbriefkasten eines für ihn nicht zuständigen Finanzamtes ein. Nachdem die Steuererklärung erst im Jahr 2014 beim zuständigen Finanzamt eingegangen war, lehnte dieses die Veranlagung mit der Begründung ab, dass die Festsetzungsfrist mit dem 31.12.2013 abgelaufen sei. Der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) sei jedoch erst im Jahr 2014 und somit nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass es für die Hemmung des Ablaufs der 4-jährigen Festsetzungsfrist ausreicht, wenn der Veranlagungsantrag in Form einer Steuererklärung eines steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen am Tag des Ablaufs der Festsetzungsfrist bis 24:00 Uhr bei einem Finanzamt (des gleichen Bundeslandes) eingeht. Es sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass die Steuererklärung bei dem zuständigen Finanzamt eingehen muss.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision des Finanzamtes stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Das Finanzamt hat die Durchführung einer Antragsveranlagung des Klägers für das Streitjahr wegen Festsetzungsverjährung zu Recht abgelehnt. Die Festsetzungsfrist endet grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages der Frist, also um 24:00 Uhr. Nicht erforderlich ist, dass der Antrag innerhalb der Dienstzeiten des Finanzamts am letzten Tag der Frist gestellt wird.

Für den Zugang des Antrags nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG gelten die bürgerlich-rechtlichen Regelungen (§ 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) über den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen entsprechend. Erforderlich ist danach, dass der Antrag in den Machtbereich des zuständigen Finanzamts gelangt. Zur Fristwahrung ist es daher ausreichend, wenn der Antrag am letzten Tag der Frist bis 24:00 Uhr in den dafür vorgesehenen Briefkasten des zuständigen Finanzamts gelangt (Abweichung vom BFH-Urteil vom 20.01.2016 - VI R 14/15).

Die Festsetzungsfrist ist aber nur gewahrt, wenn der Antrag bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist beim zuständigen Finanzamt eingeht. Die Antragstellung bei einem anderen Finanzamt führt dagegen nicht zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 Abgabenordnung (AO).

Zwar ist in § 171 Abs. 3 AO nicht ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Steuerfestsetzung an das zuständige Finanzamt zu richten ist. Einer solchen Regelung bedurfte es aber auch nicht, weil dies bereits aus den Regelungen in §§ 17, 19 AO folgt. Danach ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen und damit auch für die Bearbeitung der Steuererklärungen ausschließlich das Wohnsitzfinanzamt des Steuerpflichtigen örtlich zuständig.

Angesichts der eindeutigen Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 19 AO kommt es, anders als das Finanzgericht meint, auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerpflichtige das örtlich zuständige Wohnsitzfinanzamt kannte oder kennen musste oder ob er in Folge des einheitlichen Auftretens der Landesfinanzverwaltung --hier des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW)-- davon ausgehen durfte, dass jedes Finanzamt des Landes für die in NRW wohnenden Steuerpflichtigen örtlich zuständig sei.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt ist, die Steuererklärung beim unzuständigen Finanzamt einzureichen. Tut er dies, trägt er jedoch grundsätzlich das Risiko, dass die Steuererklärung rechtzeitig innerhalb der Festsetzungsfrist vom örtlich unzuständigen an das örtlich zuständige Finanzamt weitergeleitet wird.

Soweit der BFH zu der früheren Regelung in § 42c Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. entschieden hat, dass die Frist zur Abgabe des Antrags auf Lohnsteuer-Jahresausgleich auch durch die Abgabe des Antrags bei einem für die Durchführung des Jahresausgleichs örtlich unzuständigen Finanzamt gewahrt wird (s. Urteil vom 10.07.1987 - VI R 160/86), überträgt er diese Rechtsprechung mangels Vergleichbarkeit nicht auf die hier in Streit stehende Regelung in § 171 Abs. 3 AO.

Update (15. März 2022)

Das Urteil VI R 37/17 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2021, Seite 856.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13. Februar 2020 (VI R 37/17), veröffentlicht am 2. Juli 2020; siehe auch die inhaltsgleich Entscheidung (VI R 38/17) vom selben Tage.

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